Europa tastet sich an Datenschutzreform heran
Die neue Europäische Datenschutz-Grundverordnung bleibt halbherzig. Am Montag hat der Innenausschuss des Europaparlaments sie mit großer Mehrheit beschlossen. Zwar wurde die bisher geltende Datenschutzrichtlinie aus dem Jahre 1995 verbessert, doch Schutz vor der Überwachung durch in- und ausländische Geheimdienste bringt sie nicht. Trotzdem muss jetzt wohl darum gekämpft werden, dass sie in ihrem wesentlichen Gehalt durchgesetzt und Verschlechterungen verhindert werden.
Viele Punkte einer konsequenten Datenschutzregelung fielen dem Allparteienkonsens zum Opfer. Vor allem aber wurden sie durch einen unglaublichen Druck der Internet-Lobbyisten, allen voran facebook und Co. Schritt für Schritt an wesentlichen Punkten durch willige konservative und wirtschaftsfreundliche Abgeordnete und deren Änderungsanträge verwässert. Ungenaue Formulierungen, beispielsweise bei den sogenannten berechtigten Interessen Dritter, halten den Unternehmen weitgehende Schlupflöcher offen, durch die sie den liberalisierten Handel mit Daten betreiben können.
Ohne Snowdens Enthüllungen nicht denkbar
Man muss davon ausgehen, dass wesentliche Verbesserungen, die die Europaabgeordneten trotzdem in der Grundordnung in der jetzigen Fassung verankern konnten, ohne das Erschrecken über Snowdons Enthüllungen, nicht möglich geworden wären. Als Erfolg ist anzusehen, dass Unternehmen wie google, yahoo, oder facebook, die im Rahmen von PRISM dabei helfen, Europas Bürgerinnen und Bürger auszuspionieren, künftig illegal agieren. Auch deutlich verbesserte Löschrechte und das Recht auf Datenportabilität, also das Recht auf den Erhalt der von den Unternehmen gespeicherten Daten, sind Fortschritte.
In den nun anstehenden Verhandlungen zwischen Vertretern des Rates, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission, dem sogenannten Trilog, müssen die genannten Schlupflöcher gestopft werden. Der noch amtierende Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat allerdings schon jetzt deutlich gemacht, wohin er die Verhandlungen treiben will. Seine Ankündigung, dass noch viel handwerkliche Arbeit nötig sei, um die Verordnung so auszugestalten, dass sie praxistauglich ist, lässt Schlimmes befürchten.
Druck der Lobbys standhalten
DIE LINKE hat von Anfang an vertreten, dass der Versuch, den bestehenden Flickenteppich aus 28 verschiedenen nationalen Datenschutzregeln zugunsten einer einheitlichen europaweiten Regelung abzuschaffen, unterstützt werden muss. Ohne Kompromisse konnte das nicht abgehen. Auch die jetzige Vorlage ist durchaus noch zu begrüßen. Sie enthält eine deutliche Erhöhung der möglichen Sanktionen bei einem Verstoß gegen die Datenschutzregeln. Die Regelungen, mit denen ein Transfer von Daten in unsichere Drittstaaten, also auch in die USA, erschwert werden soll, reichen aber bei Weitem nicht aus, um die Überwachung durch in- und ausländische Geheimdienste und eine weitere Erosion der Grundrechte zu verhindern. Die jüngsten Enthüllungen über die Aktivitäten der NSA in Frankreich oder Mexiko, bei denen die Kommunikationsüberwachung der Bevölkerung nicht einmal vor höchsten Regierungskreisen haltmacht, belegen dies eindrücklich.
Dass es nicht gelungen ist, die ausdrückliche Einwilligung der Verbraucher zur Weiterverarbeitung ihrer Daten festzuschreiben, ist genauso zu kritisieren, wie der mehr als faule Kompromiss beim Thema "profiling", wo statt eines klaren Verbotes nur ein Widerspruchsrecht beschlossen wurde.
Die Grundverordnung durchzieht so ein Widerspruch: Sie formuliert eine große Zahl dringend erforderlicher datenschutzrechtlicher Instrumente – weil sie aber teilweise nicht konsequent ausgestaltet sind, droht die Gefahr, dass sie in den weiteren Verhandlungen unter dem übermächtigen Druck der Lobbys entwertet oder sogar in ihr Gegenteil verkehrt werden.
SPD ignoriert Bürgerrechte bei Koalitionsverhandlungen
Problematisch ist darüber hinaus die im Huckepackverfahren mit beschlossene und von Anfang an weithin unbeachtete Richtlinie zur justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit. Dort wurde nicht nur der Grundsatz der Erforderlichkeit alles andere als eng gefasst, sondern noch nicht einmal das Prinzip der Datensparsamkeit als Aufgabe formuliert. Die dort vorgesehenen Ausnahmeregelungen zu Übermittlungsvorschriften bei der Datenweitergabe an Dritte und Drittstaaten oder internationale Organisationen sind so weit gefasst, dass sie praktisch eine umfassende Übermittlung zulassen.
Da das Thema Bürgerrechte bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen offenbar völlig unter den Tisch fallen wird und sich Union und SPD in den letzten Jahren beim Grundrechteabbau und der Ausweitung von Überwachungsbefugnissen weitgehend einig waren, steht zu befürchten, dass von dem gestern gefundenen Kompromiss am Ende wenig Positives übrigbleiben wird. Die Chancen, dass die Verhandlungen noch vor den Europawahlen im Mai zu einem guten Abschluss gelangen, sind jedenfalls nicht gerade rosig.
erschienen auf linksfraktion.de am 22. Oktober 2013