Ernsthafte Konsequenzen statt Doppelmoral
"Es ist richtig, dass eine Entschuldigung ansteht. Und zwar vor allem die von der Bundesregierung an die Bevölkerung, die sie für dumm verkauft und durch Nichtstun oder Kumpanei der Überwachung preisgegeben hat. Das ist der eigentliche Skandal. Geklärt werden muss außerdem, ob auch Bundestag und Bundesministerien Ziel der NSA-Spitzel waren oder noch sind. Erforderlich sind nicht nur Ankündigungen, gespielte Empörung und Handy-Diplomatie, sondern endlich ernsthafte Konsequenzen auf nationaler und internationaler Ebene. Der Bundestag muss tätig werden und die noch von der schwarz-gelben Koalition durchgesetzte Absetzung der Plenarwoche im November rückgängig machen und diese für eine Beratung über notwendige Konsequenzen aus dem NSA-Überwachungsskandal nutzen", erklärt Jan Korte, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, zur Forderung von Bundesinnenminister Friedrich (CSU), die USA sollten sich wegen der Bespitzelung der Kommunikation der Bundeskanzlerin entschuldigen. Korte weiter:
"Wir brauchen einen Paradigmenwechsel der deutschen und europäischen Innen- und Sicherheitspolitik. Die persönliche und individuelle Entfaltung der Bürgerinnen und Bürger und nicht deren vollständige Kontrolle muss endlich wieder Richtschnur der Politik werden. Die endgültige Abkehr vom Konzept des präventiven Sicherheitsstaates ist dafür die Voraussetzung. Erste Schritte dahin wären das Aufkündigen sämtlicher Daten- und Geheimdienstabkommen mit den USA bis zur Klärung aller Fakten, die Offenlegung der Kooperationen bundesdeutscher Geheimdienste mit US-Geheimdiensten sowie der eigenen Überwachungsprogramme und der Verzicht auf jede Form anlassloser Vorratsdatenspeicherungen. Eine schnelle, unverwässerte und stattdessen nachgebesserte Verabschiedung der EU-Datenschutzgrundordnung und die entsprechende Überarbeitung der Richtlinie zur polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit stehen an.
Der EU-Herbstgipfel hat allerdings bereits gezeigt, dass weder Merkel noch die anderen Regierungen dazu bereit oder in der Lage sind. Die Ankündigung neuer internationaler Datenschutz-Abkommen ist nur dann sinnvoll, wenn die Lücken der alten konkret erkannt und beseitigt sind. Wer in dieser Situation jedoch darauf verzichtet, SWIFT oder die Freihandelsgespräche mit den USA auszusetzen, hat entweder immer noch nichts begriffen oder lehnt einen Kurswechsel und wirkliche Konsequenzen ab.
Auch die Forderung von CSU-Chef Seehofer, dass der Datenschutz zur 'dringlichen Aufgabe der großen Koalition' werden soll, scheint in ihrer Unbestimmtheit in erster Linie die Lage beruhigen zu sollen. Die gestrige Ankündigung von Thomas Oppermann (SPD), dass sich die SPD für eine Vorratsdatenspeicherung 'in engen Grenzen' einsetzen wird, gibt ebenfalls leider keinen Anlass zu vorsichtigem Optimismus."