Die Kämpfe verbinden
Der Kampf gegen Rechts braucht sowohl ökonomisch-soziale Antworten, als auch den entschiedenen Kampf gegen Rassismus. Mit Jannine Wissler, Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im hessischen Landtag, hat Jan Korte dazu einen Artikel veröffentlicht, der auf linksfraktion.de erschienen ist:
Die Kämpfe verbinden
Noch nie nach dem Ende des NS-Faschismus waren die Rechten so auf dem Vormarsch wie heute. Noch vor zehn Jahren war kaum vorstellbar, dass in Deutschland eine rechtsextreme Partei im Bundestag und allen 16 Landtagen sitzt und damit völkische, menschenfeindliche und offen rassistische Positionen zum Alltag werden. Gewiss, diese Positionen gab es auch schon vorher. Sie wurden aber nicht derart offensiv und öffentlich, sondern nur halb-öffentlich geäußert. Maßgebliche Teile der etablierten Politik haben zu diesem Rechtsrutsch beigetragen: Jedes Mal, wenn der Innenminister oder andere aus der CDU/CSU auf der Jagd nach Schlagzeilen so reden wie die AfD, wenn das Asylrecht erneut verschärft und Forderungen von Rechtsaußen in die Regierungspraxis übernommen werden, erhöht die AfD ihre Hetzdosis. Damit haben insbesondere die Unionsparteien einen wesentlichen Anteil an der Rechtsverschiebung des politischen Diskurses und der Erosion der Demokratie. Und es bleibt ja nicht bei der Hetze, sondern rechte Gewalt und rechter Terror nehmen seit Jahren zu.
Die Linken in der Bundesrepublik haben also eigentlich reichlich zu tun. Aber bereits in der Analyse der Ursachen für die Rechtsverschiebung, bei der Suche danach, woher der Hass, die Wut und die Hoffnungslosigkeit kommt, driftet vieles auseinander. Einige machen ausschließlich ökonomische Ursachen aus und plädieren für deutliche Umverteilung, andere legen ihren Schwerpunkt auf Identitäts- und Gleichstellungspolitik sowie antirassistische Bündnispolitik. Die naheliegende Aufgabe für Linke muss sein, beides gleichermaßen zu tun.
Daher wollen wir in den folgenden vier Punkten skizzieren, wie eine Strategie gegen die weitere Rechtsverschiebung und gegen die weitere Erosion der Demokratie aussehen könnte. Wir sind der Auffassung, dass eine erfolgreiche Strategie nur dann tragen kann, wenn der Kampf um soziale Gerechtigkeit, der Klassenkampf (um es klassisch auszudrücken), zusammen mit dem Kampf gegen alle Formen des Rassismus und für die Rechte von Minderheiten geführt wird. Nur dann kann es gelingen, Spaltungslinien zu überwinden.
Wir kommen aus sehr unterschiedlichen Wahlkreisen, Frankfurt am Main und Anhalt-Bitterfeld. In Bitterfeld-Wolfen haben viele Menschen nach zwei Deindustrialisierungen (nach der Wende Chemie, dann Solar) die Politik vollständig abgeschrieben. Die Region ist in Teilen geprägt von Abwanderung, Leerstand und Desillusionierung. Frankfurt am Main ist eine reiche Stadt in einer wirtschaftlich starken Region mit viel Zuzug, in der viel Geld verdient wird, aber immer mehr Menschen kaum noch über die Runden kommen und ihre Miete nicht mehr zahlen können. Die Problemlagen sind unterschiedlich, hängen aber miteinander zusammen, das sollte DIE LINKE deutlich machen.
- Die Rechtsverschiebung hat mit der Agenda 2010 und der brutalen Ära des Neoliberalismus zu tun. Wer den Sozialstaat zerstört, wer anstelle von Solidarität das Private stellt, der legt die Axt an die Demokratie. Wer Angst vor dem Absturz durch Hartz IV schürt, wer dafür sorgt, dass Krankheit zum sozialen Ausschluss führen kann und dass der Staat in Notlagen nicht mehr helfen wird, der bereitet den gesellschaftlichen Nährboden, auf dem Rechte aufbauen können – wenn dazu noch Feindbilder geschürt werden, um von diesen realen Problemen abzulenken. Gerade die untere Mittelschicht ist anfällig für die Propaganda der AfD. Diese Menschen haben reale Angst, ihren Status zu verlieren und abzusteigen. Oliver Nachtwey hat die heutige BRD treffend als Rolltreppengesellschaft bzw. Abstiegsgesellschaft beschrieben. Das alte Versprechen „Meinem Kind wird es mal besser gehen“ ist von der Politik aufgekündigt worden. Deshalb muss die Linke die Wiederherstellung des Sozialstaates und die Garantie auf soziale Sicherheit nach vorne stellen.
- Eine linke Parteimuss zwingend eine antirassistische Partei sein. Sie muss an der Seite der vielen Menschen, die sich real den Nazis entgegenstellen, kämpfen, ansprechbar sein und ihren Apparat zur Verfügung stellen. Besonders im ländlichen Raum müssen diejenigen unterstützt und gefördert werden, die im wahrsten Sinne des Wortes ihren Kopf gegen die Rechten hinhalten. Deshalb sind Demonstrationen wie Unteilbar so wichtig: Sie geben Mut, gerade für diejenigen, die oft alleine oder in kleinen Gruppen kämpfen. Deshalb ist es wichtig, dass wir solch breite Mobilisierung unterstützen. Die Gleichstellung von Frauen, die Akzeptanz verschiedener sexuellen Orientierungen und Antirassismus sind keine „Nebenwidersprüche“, der Kampf darum liegt unmittelbar im Interesse der arbeitenden Menschen. Denn nur so können Spaltungslinien überwunden und der Kampf für soziale Gerechtigkeit vereint geführt werden. Nur wenn „the many“ erkennen, dass sie die Vielen sind und sich nicht anhand vermeintlicher Trennungslinien gegeneinander ausspielen lassen, können sie „the few“, den Wenigen, die von diesem Wirtschaftssystem maßgeblich profitieren, Zugeständnisse abringen. Der Kampf gegen den Faschismus liegt im ureigenen Interesse der Arbeiterbewegung.
- Natürlich muss versucht werden, Wählerinnen und Wähler, die von den Linken zur AfD oder in das Nichtwählerlager abgewandert sind, zurückzuholen. Es ist wichtig, eine klare Sprache zu sprechen, die Empfindungen von Menschen zu ertasten und aufzunehmen. Ein Teil der Wählerinnen und Wähler haben ja einmal die Linken gewählt, sind also in ihrer damaligen Abwägung zu dem Ergebnis gekommen, dass DIE LINKE sie am besten vertritt. Um diese Menschen muss gekämpft werden. Und DIE LINKE muss versuchen diejenigen zu erreichen, die gar nicht mehr an Wahlen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Das werden wir dann erreichen, wenn wir glaubwürdig sind und Milieus nicht gegeneinander ausspielen lassen.
- Eine schlagkräftige Strategie muss unserer Ansicht nach internationalistisch sein. Das bedeutet jenseits von Bekenntnissen konkret für diejenigen zu kämpfen, denen in unserem Land und in anderen Ländern Gewalt angetan wird: Die hier und anderswo unter teilweise denselben Konzernen leiden, die vom Staat gegängelt werden und die schon am Tag der Geburt kaum die Chance auf eine gute Zukunft haben. Konkret: Niemals diejenigen vergessen, denen in deutschen Textildiscountern Tariflöhne vorenthalten werden, niemals die vergessen, die keine andere Wahl haben, als in den Höllen der Textilfabriken in Bangladesch zu schuften. Das ist internationalistisch. Wir treten deshalb auch für die Rechte von Arbeitsmigranten ein. Wer Lohndumping verhindern will, muss um eine klare Regulierung des Arbeitsmarktes kämpfen. Nur armutsfeste Mindestlöhne, die auch kontrolliert werden, die Stärkung der Tarifverträge und die Eindämmung von Leiharbeit und Werkverträgen bieten Schutz vor Lohndumping und davor, dass deutsche oder ausländische Arbeitskräfte als Lohndrücker missbraucht werden. Der Kampf um gleiche Rechte und gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist somit gemeinsames Interesse aller Beschäftigten in Deutschland, unabhängig von Pass und Herkunft.
Wir plädieren also ganz konkret für eine linke Strategie, die die Urerzählung von Sozialistinnen und Sozialisten ist: Nämlich den Kampf um politische und soziale Rechte miteinander zu verbinden, diesen international zu führen und Spaltungen zu überwinden. Dafür brauchen wir eine populäre und aufklärende Politik, die eine Sprache spricht, die nicht nur die Köpfe, sondern auch die Herzen und die Gefühle der Menschen erreicht. Klartext reden heißt konkret, Leiharbeit als moderne Form der Sklaverei zu bezeichnen, Niedriglöhne als Ausbeutung und Privatisierungen als Raub am Gemeinsamen. Kämpfe um den Erhalt der örtlichen Grundschule, des Schwimmbades oder der Bibliothek müssen wir ebenso führen wie Kämpfe um die Rechte von LGBT. Mit „Haupt- und Nebenwidersprüchen“ kommen wir nicht weiter, sondern nur, wenn wir den Zusammenhang von Ausbeutung und Unterdrückung aufzeigen und verständlich machen. Entscheidend aber ist, dass Solidarität konkret im praktischen Kämpfen erlebbar gemacht werden kann und wird.
Die Idee einer Gesellschaft der Freien und Gleichen, wir nennen es demokratischen Sozialismus, ist eine Idee der Zukunft, die erreichbar ist, wenn wir die Kämpfe, in denen wir aktiv sind, nicht gegeneinander ausspielen lassen. Nur beides gemeinsam – also für Beschäftigte und Erwerbslose, die Menschen jenseits der Großstädte genauso für die vielen besonders jungen Leute in den Zentren – wird glaubwürdig und erfolgreich sein.
Janine Wissler, Jg. 1981, MdL, Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im hessischen Landtag
Jan Korte, Jg. 1977, MdB, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag