Kulturumfrage offenbart eine Vielzahl an Problemen
Kunst und Kultur sind zentral für eine lebendige und demokratische Gesellschaft, doch durch die Einschränkungen zum Schutz der Bevölkerung in der Corona-Pandemie ist die Branche seit fast einem Jahr besonders hart betroffen. Deshalb hatte ich Ende 2020 eine Umfrage unter Betroffenen gestartet, um herauszufinden, ob die Hilfen die Betroffenen erreichen, wie lange das dauert und welche Defizite die Antragstellerinnen und -steller sehen. Mittlerweile liegen die Ergebnisse der Befragung vor, zu der viele Kunst- und Kulturschaffende aus meinem Wahlkreis direkt angeschrieben wurden und die über verschiedene Presse und Social-Media-Kanäle beworben wurde.
Die Onlinewerbung für die Aktion spielte dabei offensichtlich eine besondere Rolle: Fast 60% der TeilnehmerInnen kamen nicht aus Sachsen-Anhalt, sondern vor allem aus Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Fast 90% der über 50 UmfrageteilnehmerInnen gaben an, stark von den Corona-Beschränkungen betroffen zu sein. Knapp zwei Drittel der TeilnehmerInnen entschieden sich deshalb für die Beantragung staatlicher Hilfen, was drei Viertel der AntragstellerInnen als eher unkompliziert empfanden. Bei fast allen AntragstellerInnen erfolgte die Bearbeitung innerhalb von vier Wochen.
Was die Wirksamkeit der Hilfen betrifft, gab es viel Kritik: Nur knapp 20% der AntragstellerInnen empfanden die staatliche Unterstützung als wirkliche Hilfe. Gefragt wurde auch nach der Wirksamkeit von Alternativen im Internet, also z.B. Videoformate auf YouTube oder Facebook. Digitale Ausweichmöglichkeiten bezeichneten aber nur 13% der UmfrageteilnehmerInnen als interessant für ihre Arbeit.
Umfangreiches Feedback und vor allem Kritik gab es bei den offenen Fragen der Umfrage. Diese bezogen sich vor allem auf konkrete Forderungen an Landes- und Bundes-, bzw. an die kommunale Ebene. Eine zentrale Forderung der Betroffenen war die schnelle Wiedereröffnung der Kulturstätten unter entsprechenden Corona-Auflagen. Kunst- und Kulturschaffende wollen möglichst schnell wieder aktiv und mit ihren gewohnten Tätigkeiten unabhängig von Hilfen werden, um endlich wieder ihr Publikum begeistern zu können. In diesem Zusammenhang wird auf Hygienekonzepte verwiesen, die im letzten Jahr bereits über Monate erfolgreich angewandt wurden.
Bezogen auf die Soforthilfen vom November gibt es viel Kritik an den begrenzten Kreis der Berechtigten, so waren z.B. selbstständige SchauspielerInnen, freie AutorInnen und auch Musikklubs außen vor. Dies wurde zwar in der neuen Überbrückungshilfe III beachtet, aber gleichzeitig wurde ein neues Problem geschaffen. So werden in der Überbrückungshilfe III die Einkünfte aus unselbstständiger Beschäftigung den Umsätzen aus selbstständiger Tätigkeit gleichgestellt.
Das Arbeitsverhältnis von unselbstständig Beschäftigen ist auf weniger als eine Woche (arbeitsrechtliche Beschäftigungswoche von sieben aufeinanderfolgenden Kalendertagen) befristet. Dadurch könnten erneut wieder viele Theaterschaffende und Schauspieler/innen durch das Raster der Unterstützung fallen. An dieser Stelle ist eine dringende Nachbesserung im Sinne der Kulturschaffenden notwendig.
Außerdem wird die Wirksamkeit der Hilfen, die sich oft nur auf Betriebskosten beziehen, kritisiert. Eine Ausweitung auf alle coronabedingten Ausfälle, um auch grundlegende Lebenserhaltungskosten abdecken zu können und eine zeitliche Ausdehnung der Hilfen sind hier dringende Forderungen der Befragten. In diesem Zusammenhang taucht immer wieder der Wunsch nach einer grundsätzlichen sozialen Absicherung von Kulturschaffenden auf. Ideen wie Existenzgeld, Grundsicherung oder bedingungsloses Grundeinkommen werden hier exemplarisch genannt.
Explizit gelobt wurde das Landesprogramm „Kultur ans Netz“, bei dem freischaffende KünstlerInnen in Sachsen-Anhalt die Chance auf Arbeitsstipendien bekommen können und so für einen begrenzten Zeitraum sozial abgesichert sind.
Die Umfrage brachte auch viel grundlegende Kritik am Kulturbetrieb, die sich bereits auf die Zeit vor der Corona-Pandemie bezieht, mit sich. So wird u.a. bemängelt, dass die Künstlersozialkasse nicht für alle Beschäftigten im Kunst- und Kulturbereich greift und dass die gängige Fördermittelpraxis immer wieder für Probleme sorgt. Hier wünschen sich die Betroffenen mehr Mitsprache bei Planungsprozessen für die Fördermittelvergabe und eine Koppelung an soziale Mindeststandards.
Diese Probleme sind vielfältig und oftmals existenziell. Sie liefern viele Anhaltspunkte, die ich jetzt zusammen mit unseren KulturpolitikerInnen auf Bundes- und Landesebene aufgreife. Als Oppositionsfraktion können wir Probleme oftmals nicht sofort beheben, aber es ist das Mindeste, dass wir darauf aufmerksam machen und die Regierenden zu Nachbesserungen auffordern. Als ersten Schritt habe ich daher einen Brief an die Kulturstaatsministerin Monika Grütters geschrieben, um sie über die Umfrageergebnisse zu informieren und ihr die alten, aber auch die neuen Problemfelder aufzuzeigen und sie zum Handeln aufzufordern.
Ich bedanke mich bei allen, die teilweise sehr umfangreich über ihre Lage berichtet haben und somit viele wertvolle Hinweise geliefert haben. In diesem Zusammenhang sind auch noch mal sehr grundlegende Probleme augenscheinlich geworden: Es mangelt an einem Austausch zwischen Politik und Kultur und an einer umfassenden Wertschätzung für Kunst- und Kulturschaffende. Kultur sollte nicht als eine Art Zusatzleistung, sondern eher als notwendiges „Lebensmittel“ für unsere Gesellschaft betrachtet werden.