Bundestag berät über die Gründung einer "Stiftung Datenschutz"
Die Koalition hat einen Antrag zur Gründung einer "Stiftung Datenschutz" eingebracht, welcher gestern im Bundestag beraten wurde. Jan Korte kritisiert in seiner Rede den eklatanten Mangel an Unabhängigkeit der geplanten Stiftung und weist auf die starke Unterfinanzierung der bereits bestehenden Datenschutzbehörden hin.
187. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28.06.2012
Beratung des Antrags »Stiftung Datenschutz – Ein wichtiger Baustein für modernen Datenschutz in Deutschland» der Koalition (Drucksache 17/10092)
Jan Korte (DIE LINKE):
"Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Piltz, damit wir uns nicht missverstehen: Die leidvollen Geräusche, die ich eben machte, hatten etwas mit den eben von Ihnen vorgetragenen Logiksaltos zu tun, die wirklich auch körperlich kaum zu ertragen sind; das hatte nichts mit Begeisterung zu tun.
Ich will trotz des dahingekritzelten Antrags versuchen, ein wenig Seriösität in die Debatte zu bringen. Hören Sie doch einmal zu. - Sie hatten vor langer Zeit bei diesem Thema überraschenderweise eine mittelgute Idee: die Errichtung der Stiftung Datenschutz. Das ist erst einmal sachlich festzustellen. Es hätte Potenzial gehabt, daraus etwas Sinnvolles zu machen. Hätten Sie die Opposition, die Ausschüsse und diejenigen, die davon Ahnung haben, einmal eingebunden, dann hätten Sie heute nicht so einen Wisch vorlegen müssen. Jetzt liegt hier dieses dahingekritzelte Ding, das Sie hier unbedingt noch heute, vor der Sommerpause, durchbringen müssen, damit Sie in diesem Bereich überhaupt auch nur einen Punkt durchbringen. Ansonsten haben Sie ja nichts durchgebracht; Sie haben voll versagt. Deswegen wird das jetzt hier eben einmal auf den Tisch geknallt.
Ich will Ihnen aber sagen, inwiefern von Ihnen aus einer guten Idee eine bemerkenswert schlechte Sache gemacht wird. Das ist bei der FDP zwar nicht überraschend; aber man hätte uns ja einmal überraschen können.
Erstens. Die Stiftung ist massiv unterfinanziert. So kann man überhaupt keine seriöse Zertifizierung und anderes vornehmen.
Zweitens. Ein aktiver und aufklärerischer Datenschutz - das ist die Grundregel - muss unabhängig sein. Das, was Sie machen, ist alles, nur nicht unabhängig. Ein Gutes hat der Antrag: Damit die Leute, die es sich antun, den Antrag zu lesen, es sofort begreifen, heißt es in Ihrem Antrag zum Thema Unabhängigkeit, dass man sich »gemeinsam mit der Wirtschaft für eine ausreichende finanzielle Basis der Stiftung einsetzen» will. Das schreiben Sie da sogar hinein. Das hat doch nichts mit Unabhängigkeit zu tun; das ist eine Gefälligkeitsstiftung der Konzerne. Das machen Sie, und nichts anderes. Es ist wirklich nur absurd, was Sie hier vorlegen.
Drittens. Sie besetzen alle möglichen Gremien, und die Mitglieder werden vom BMI ausgesucht. Wir wissen doch: Wenn der Datenschutz beim BMI - bei Friedrich, bei Schily oder wie sie alle heißen - angesiedelt ist, ist das schlecht für den Datenschutz. Das hat die Geschichte doch bewiesen.
Es ist einfach nur grotesk, was Sie hier vorlegen.
Viertens. Mit der Stiftung Datenschutz°‑ das ist nicht mal im Ansatz mehr witzig°‑ lenken Sie von einer prekären Unterfinanzierung der Landes- und Bundesdatenschutzbehörden ab, die ihren Aufgaben nicht nachkommen können, weil sie dafür kein Personal haben. Damit lenken Sie ab.
Fünftens. Die Stiftung Datenschutz ist das einzige Projekt, das die FDP in diesem Bereich überhaupt durchgesetzt hat. Mich interessiert eines ‑ der Kollege Mayer kann das für die Koalitionsfraktionen sagen ‑: In der ersten Fassung für die heutige Tagesordnung stand der Tagesordnungspunkt Arbeitnehmerdatenschutz. Wir haben uns gefreut, diesen Tagesordnungspunkt in der Debatte argumentativ zu versenken. Dann ist es ganz interessant gewesen: Man reist aus dem Wahlkreis an, und der Tagesordnungspunkt ist von der Tagesordnung verschwunden. Vielleicht können Sie, Kollege Mayer, uns einmal über den Grund aufklären; denn statt so eine komische Stiftung zu installieren, wäre es für den Datenschutz, vor allem für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Wichtigste gewesen, dieses hier durchzusetzen. Von Ihnen kommt gar nichts, denn Sie sind den Unternehmerinteressen verpflichtet und nicht dem Datenschutz der Beschäftigten. So sieht es aus.
Deswegen fasse ich zusammen: Wir werden mit voller Begeisterung diesen Antrag ablehnen.
Wir finden das ganze Verfahren reichlich bizarr. Sie haben nicht einmal den Mumm, über dieses Thema mit den Fachleuten im Ausschuss und in einer Anhörung zu diskutieren. Ich finde, das ist eine schwache Performance, die Sie liefern.
Deswegen steht Die Linke, im Gegensatz zu Ihnen, für einen unabhängigen und kritischen Datenschutz, der zuerst und in besonderer Weise den Schwächeren in dieser Gesellschaft ein demokratisches Instrument gegen die Wirtschaft, gegen die Mächtigen und auch gegen Sie in die Hand geben sollte. Deswegen lehnen wir diesen Antrag ab. Schönen Dank."