Datenschutz durchsetzen
»Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden. […] Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.» Aus dem »Volkszählungsurteil» des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983
Als das Bundesverfassungsgericht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung definierte war die rasante technische Entwicklung bei der Datenverarbeitung noch nicht abzusehen. Heute stehen wir vor der Situation, dass sowohl Unternehmen, als auch der Staat unter vielfältigen Gründen persönliche Daten erheben, verarbeiten und verkaufen.
DIE LINKE im Bundestag und ich als Datenschutzbeauftragter der Fraktion haben auch in der 17. Wahlperiode des Bundestags deutlich gemacht: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darf nicht kommerziellen, wirtschaftlichen oder sicherheitspolitischen Interessen geopfert werden. Im Gegenteil: Eine demokratische, unangepasste und mündige Gesellschaft wird nur gefördert, wenn der Datenschutz aus der Verteidigung herauskommt und als offensives Bürgerrecht verstanden wird. Dazu notwendig wäre endlich ein neues Datenschutzrecht, welches nicht nur der technischen Entwicklung im Bereich der Kommunikationsmedien sowie der Datenerfassung- und Datenverarbeitung in allen gesellschaftlichen Bereichen gerecht wird, sondern vorausschauend universelle Maßstäbe festlegt, anstatt der zukünftigen Entwicklung hinterherzurennen.
Die Datenschutzpolitik der schwarz-gelben Bundesregierung seit 2009 verfolgt das gegenteilige Ziel. Wenn es um ‚drohende‘ progressive Entwicklungen auf Europäischer Ebene geht, hält man an »Bewährtem und Gutem aus deutschen Landen» fest. Geht es jedoch darum, Bürgerrechte im Namen der Sicherheit (dazu im bald folgenden Abschnitt »‚Innere Sicherheit‘ vs. Bürgerrechte» mehr) und zwecks Personaleinsparung (wie beim Megaprojekt ELENA) zu beschneiden oder schlichtweg einer Wirtschaft den Weg freizuhalten, die mit dem Sammeln und dem Verkauf persönlicher Daten Millionen scheffelt, ist die Bundesregierung aus Union und FDP ganz schnell dabei. Beim Daten- und Persönlichkeitsschutz im Internet kapituliert sie förmlich und in ihrem Prestigeprojekt »Stiftung Datenschutz» sitzen so viele Unternehmensvertreter, dass jeder Datenschützer, der etwas auf sich hält, einen großen Bogen drum herum macht.
So auch beim Beschäftigtendatenschutz. Seit über 15(!) Jahren stellt der Innenausschuss des Deutschen Bundestags in seinen Beschlussempfehlungen zum Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit fest, dass der Beschäftigtendatenschutz dringend gesetzlich geregelt werden müsse. Die Empfehlungen kann man hier alle einsehen. Aber auch am Ende dieser Legislaturperiode wird es kein Gesetz geben, welches den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor Eingriffen in ihre Bürgerrechte konkret regelt. An uns lag es nicht: DIE LINKE hat mit ihrem Antrag »Datenschutz für Beschäftigte stärken» (BT-Drs.: 17/779) genau dies gefordert. Die Entwürfe von Bundesregierung und Koalition gingen aber genau in die gegenteilige Richtung: Die Überwachungsskandale der letzten Jahre wären danach zumindest in Teilen legalisiert worden. Logisch: Formulieren sie doch zuerst wirtschaftliche Interessen der Arbeitgeber und fragen erst danach, an welchen Stellen diese wegen der Interessen der Beschäftigten ausnahmsweise eingeschränkt werden müssen. Was Schwarz-Gelb hier vorgelegt hat, war keine Regelung des Beschäftigtendatenschutzes sondern der Beschäftigtenüberwachung. In einer Pressemitteilung Anfang 2013 zu diesem Entwurf habe ich erklärt: »Nur ein breiter gesellschaftlicher Protest von Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräten, Datenschützern und der Opposition kann diesen massiven Angriff auf die Arbeitnehmerrechte noch abwehren. DIE LINKE wird ihren Teil dazu beitragen.» Hat offenbar geklappt: Nach erstem Zögern Ende Januar wurde das Vorhaben knapp einen Monat später offiziell beerdigt.
Auch wenn es nach einer rot-grünen, schwarz-roten und nun auch schwarz-gelben Bundesregierung wieder kein Beschäftigtendatenschutzgesetz gibt kann man sagen: Besser keines als dieses. So bleibt der Schutz der Daten von Beschäftigten gegenüber ihren Arbeitgebern genauso eine Baustelle wie der Schutz der Daten von ALG II-Empfängerinnen und -Empfängern gegenüber den Behörden. DIE LINKE wird auch nach der Wahl 2013 für die Grundrechte besonders von denjenigen kämpfen, die am kürzeren Hebel sitzen.
→ Hier geht's zum zweiten Teil des Arbeitsberichts: "Innere Sicherheit vs. Bürgerrechte"
Teil III: Geschichte wird gemacht
Teil IV: Direkt gewählt – direkt ansprechbar