Hochwasseropfern zügig helfen und die richtigen Schlüsse ziehen
Rede Jan Korte MdB
zu TOP 1 Regierungserklärung zur Bewältigung der Hochwasserkatastrophe
248. Sitzung vom 25.06.2013
»Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zunächst möchte ich den Präsidenten des THW, Herrn Broemme, herzlich begrüßen. Schön, dass Sie bei dieser Debatte anwesend sind. Ihnen und Ihren Kolleginnen und Kollegen vielen Dank für die geleistete Arbeit!
[Beifall im ganzen Hause]
Bei uns in Sachsen-Anhalt beginnen die Aufräumarbeiten, und es wird Bilanz gezogen, vor allem in Magdeburg und Halle. Besonders betroffen sind zurzeit noch Fischbeck und auch mein Wahlkreis, zu dem unter anderem der Raum Bitterfeld/Bernburg gehört. Auch in Aken sieht es nicht gut aus.
Frau Bundeskanzlerin, Sie waren in meinem Wahlkreis in Bitterfeld zu Gast. Ich persönlich fand, das war eine gute Geste. Andere vor Ort fanden das nicht so hilfreich; aber darauf kommt es nicht an. Worauf es ankommt, ist, welche Schlussfolgerungen wir aus der Hochwasserkatastrophe ziehen. Ich finde, der neue Bundestag sollte in einem Jahr erneut hier zusammenkommen, und dann sollte darüber diskutiert werden, was erledigt wurde und was noch offen ist. Das sollten wir heute hier festhalten und dem neuen Bundestag mit auf den Weg geben.
[Beifall bei der LINKEN]
Ich habe in der vergangenen Woche mit vielen Einsatzkräften und mit vielen Ehrenamtlichen vor Ort gesprochen. Ich möchte vier ganz konkrete Punkte einmal ansprechen, auf die es nicht sofort Antworten gibt, aber über die wir nachdenken müssen und für die wir Regelungen finden müssen ‑ einiges ist schon angesprochen worden:
Erstens. Wir müssen ganz klar dazu kommen, den Deichbau und den Deichschutz bundeseinheitlich zu regeln. Wir brauchen einen Bundesplan, der im Übrigen auch die Bergbaufolgelandschaften gerade in Sachsen-Anhalt und Sachsen mit in den Blick nimmt und integriert. Da hat der Bund jetzt eine Verpflichtung.
[Beifall bei der LINKEN]
Viele Helfer haben mir gesagt: Im Katastrophenfall gibt es nur einen Deich. Genauso muss es im Katastrophenfall einen Krisenstab geben. Wir mussten erleben, dass es in vielen Gebieten zwischen Ländern, Landkreisen und anderen hin und her ging. Das müssen wir ändern. Im Katastrophenfall muss gelten: Es gibt einen Deich, es gibt einen Stab.
[Beifall bei der LINKEN]
Zweitens will ich zumindest kurz ansprechen: Als die Flut kam, war natürlich noch nicht absehbar war, welche katastrophalen Folgen sie haben wird. Als sich dies dann langsam herausstellte, haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, anfangs vorgeschlagen, wir müssten 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Mittlerweile sind wir erfreulicherweise dazu gekommen, dass doch ein bedeutend höherer Betrag ‑ ich fürchte, er wird nicht ausreichen ‑ zur Verfügung gestellt wird. Eine Anmerkung will ich trotzdem machen: In meinem Wahlkreis ist es für die Leute nur relativ schwer nachvollziehbar, dass wir für die Banken hier in einer Woche Milliarden zur Verfügung stellen - ohne große Debatte. Dass es in diesem Fall so lange gedauert hat, sollte uns ein wenig zu denken geben, und das sollten wir in Zukunft korrigieren.
[Beifall bei der LINKEN - Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Damals ging es um 480 Milliarden! - Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!]
Das kann man doch einmal ansprechen. Ich will auch erläutern, warum ich glaube, dass ‑ das ist schon angesprochen worden ‑ auch diese 8 Milliarden Euro nicht ausreichen werden. In Sachsen-Anhalt, in Thüringen und Sachsen ‑ auch in meinem Wahlkreis ‑ müssen die Bauern enorme Ernteausfälle beklagen. Darüber müssen wir nachdenken. Wir müssen auch darüber nachdenken, wie es im Hinblick auf die Infrastruktur ehrenamtlich tätiger Vereine, vor allem Sportvereine, weitergeht. In Aken konnte vor einigen Jahren für 30 000 Euro ein neuer Fußballplatz angelegt werden. Er ist nun komplett zerstört. Man weiß in Aken nicht ‑ auch Sie kennen die Finanzlage der Kommunen ‑, wie man das nötige Geld zusammenbekommen soll. Wir müssen gemeinsam darüber nachdenken, wie wir Sondermittel zur Verfügung stellen können, damit die Ehrenamtlichen weiterarbeiten können.
[Beifall bei der LINKEN]
Drittens möchte ich die Situation der freiwilligen Feuerwehren ansprechen. Sie sind extrem wichtig, gerade bei Katastrophenlagen. Wir müssen darüber nachdenken, ob es richtig war, dass wir den Bundesanteil bei der Beschaffung neuer Fahrzeuge immer weiter reduziert haben. Wir müssen hier dringend eine Umkehr einleiten und die Geräte der freiwilligen Feuerwehren in einen Topzustand versetzen.
[Beifall bei der LINKEN]
Ich will in diesem Zusammenhang noch ‑ viertens ‑ einen Punkt ansprechen, der Ostdeutschland besonders betrifft: Viele freiwillige Feuerwehren, gerade im ländlichen Raum, haben das Problem, dass die Einsatzmindeststärke kaum noch zu gewährleisten ist, weil so viele junge Leute weggezogen sind bzw. zum Arbeiten in den Westen fahren. Wir müssen dringend darüber nachdenken, wie wir den jungen Leuten dort eine Perspektive verschaffen können, damit auch dort der Katastrophenschutz über die freiwilligen Feuerwehren weiter gewährleistet wird. Das ist eine ganz wichtige und zentrale Aufgabe, die wir angehen müssen.
[Beifall bei der LINKEN]
Zum Schluss will ich noch einmal sagen: Selbstverständlich geht mein Dank an die freiwilligen Feuerwehren, das THW, die Kommunen, die Bundeswehr und übrigens auch an die Wasserwehren, bei denen vor allem ältere Feuerwehrkollegen ‑ auch im Alter von über 65 Jahren ‑ aktiv sind, die oftmals zuerst vor Ort waren. All diesen müssen wir danken. Vor allem danke ich auch den ehrenamtlichen und hauptamtlichen Bürgermeistern und Kommunalpolitikern, die in den letzen Wochen Enormes geleistet haben.
[Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN]
Auch bei mir vor Ort war es in der Tat bemerkenswert und bewegend, zu erleben, wie viel Solidarität organisiert wurde und real geworden ist ‑ vor allem von jungen Leuten. Ich glaube, dass die Politik verpflichtet ist, diese Solidarität, die in diesem Land vorhanden ist, zu fördern und auszubauen und den Leuten Mut zu machen, selber mit anzupacken und die Entwicklung dieser Gesellschaft in ihre Hände zu nehmen. Auch das sollte eine Lehre aus der Flutkatastrophe sein.
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.»
[Beifall bei der LINKEN]