Auskunftsrecht der Presse rechtssicher gestalten
Rede zu Protokoll zu TOP 63: Zweite und dritte Beratung des der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Auskunftspflicht von Bundesbehörden gegenüber der Presse (Presseauskunftsgesetz) [Drucksache 17/12484]
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss)
[Drucksache 17/13995]
Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
unmittelbarer Anlass des Gesetzentwurfs, der uns heute vorliegt, war ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 20. Februar 2013. Bis dahin bot das Landesrecht Presse, Rundfunk, Film und Telemedien eine einigermaßen praktikable rechtliche Basis für die Durchsetzung ihrer Auskunftsansprüche. Mit dem juristischen Instrument der einstweiligen Anordnung konnten diese Ansprüche in der Regel auch zügig durchgesetzt werden. Das gilt nun nicht mehr, da das BVerwG beschlossen hat, dass Bundesbehörden gegenüber der Presse nicht nach den Landespressegesetzen zur Auskunft verpflichtet seien. Für eine solche Regelung fehle den Ländern die Gesetzgebungskompetenz, diese liege vielmehr beim Bund.
Konkret ging es dem klagenden Journalisten um Auskünfte zu Personalien von BND-Mitarbeitern und deren NS-Vergangenheit. Denn anstatt endlich, 68 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus, die Akten über die alten Nazis, die überall in der jungen Bundesrepublik wieder in Amt und Würden kamen und sich zu Hauf gerade in den Sicherheitsbehörden tummelten, zu öffnen, rückt die Bundesregierung nach wie vor und allen Sonntagsreden zum Trotz, immer nur das an Information heraus, wozu Gerichte sie verdonnern oder wenn der öffentliche Druck zu groß wird.
So auch ganz aktuell heute im Fall der Eichmann-Akten, in dem derselbe Journalist – gestützt auf das Bundesarchivgesetz – vor dem BVerwG Zugang zu allen Archivunterlagen, die dem Bundesnachrichtendienst über Adolf Eichmann vorliegen, einklagt. Dass er seit Jahren einen ausdauernden Kampf um Akteneinsicht gegen das Kanzleramt führen muss und sich die Regierung beharrlich weigert, ihre Akten vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, ist an sich schon skandalös genug. Dass die Geheimhaltungs- und Schwärzungspraxis aber ganz offensichtlich auch noch willkürlich und stümperhaft von statten geht, macht das Ganze völlig unerträglich. Ich hoffe, dass die Öffentlichkeit sich dies nicht mehr länger gefallen lässt. Nach all dem skandalösen Vertuschen und Verzögern hilft nur noch ein völliger Neuanfang im Umgang mit den NS-Akten und der kann meiner Meinung nach nur in einer uneingeschränkten Öffnung liegen. Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung endlich den Mut findet, Wege für einen deutschen ‚Freedom of Information Act‘ nach dem Vorbild der USA zu ebnen.
Doch zurück zur Entscheidung des BVerwG vom Februar, bei der das Gericht wohl erstmals aus dem Grundrecht auf Pressefreiheit unmittelbar eine Art Minimalanspruch auf Auskunftsrechte für die Presse abgeleitet hat. Das Gericht betonte, dass der Gesetzgeber verpflichtet sei, »die Rechtsordnung in einer Weise zu gestalten, die der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung der Presse gerecht wird und ihr eine funktionsgemäße Betätigung ermöglicht.» Bleibe der Gesetzgeber untätig, müsse man als Rechtsgrundlage für presse-spezifische Auskunftspflichten »unmittelbar auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG» zurückgreifen.
Das Urteil hat zur Folge, dass Journalistinnen und Journalisten vor ein massives Problem geraten können, weil ihnen die Arbeitsgrundlage gegenüber den Bundesbehörden entzogen und durch einen Minimalanspruch ersetzt wurde.
Der unbedingt begrüßenswerte Grundgedanke des Gesetzentwurfes ist es nun, dass das verfassungsrechtlich garantierte Auskunftsrecht durch eine einfachgesetzliche Regelung gestützt bzw. ausgestaltet werden müsse, um Rechtssicherheit zu schaffen und nicht ständig um die Frage des Umfangs der Auskunftspflichten prozessieren zu müssen.
Die Intention des Gesetzentwurfs wurde, mit Ausnahme der Union und – mit Abstrichen – auch der FDP, von allen Fraktionen begrüßt. Auch auf der entsprechenden Anhörung sah dies die überwiegende Mehrheit der Sachverständigen so. Gleichwohl wurde auch weitgehende Kritik an der Umsetzung geäußert:
Insbesondere das Auskunftsverweigerungsrecht nach Abs. 2 ist viel zu unbestimmt formuliert. Nr. 1 redet von »Vorschriften über die Geheimhaltung». Gerade im Hinblick auf die Bedeutung der Pressefreiheit müsste hier eine Konkretisierung und enge Begrenzung gefunden werden, die auf keinen Fall den Informationsansprüchen aus dem Informationsfreiheitsgesetz nachsteht. Eine »Vorschrift» in diesem Sinne kann alles Mögliche sein, zum Beispiel eine Dienstanweisung. »Vorschriften» einer solchen Qualität dürfen unserer Meinung nach auf keinen Fall eine Rechtfertigung für eine Auskunftsverweigerung abgeben.
Und so wird die angestrebte Rechtssicherheit – im Entwurf heißt es, zu Recht und vollkommen klar, es sei »mit dem verfassungsrechtlich geschützten öffentlichen Auftrag der Presse nicht vereinbar, dass das Spektrum vermeintlicher Ausnahmen erst im Wege langwieriger Rechtsstreitigkeiten erkennbar» werde - geradewegs verfehlt. Hier rächt sich die Schnellschussmentalität, mit der der gutgemeinte Entwurf gestrickt worden ist – so lag die Urteilsbegründung noch bei der Anhörung am 13.5.2013 nicht allen Sachverständigen vor.
Auch hat sich die SPD nicht an den weitest gehenden Regelungen einzelner Ländergesetze - wie zum Beispiel dem Hamburger Transparenzgesetz – orientiert, sondern fällt dahinter zurück. Es wäre aber sinnvoll, eine bundeseinheitliche Regelung nicht am kleinsten gemeinsamen Nenner auszurichten, sondern zum Beispiel die fortschrittlichen Hamburger Regelungen zu Subventions- und Zuwendungsverfahren aufzugreifen.
Für einige andere Regelungen – so z. B. die viel zu enge Definition der »Behörde» als Auskunftsstelle, für die Bestimmung des Kreises der Auskunftsberechtigten sowie den Punkt »Geheimhaltung», insbesondere bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen – gilt Ähnliches. DIE LINKE plädiert in diesem Zusammenhang für eine Regelung, wonach die Behörden und die der Aufsicht des Bundes unterliegenden sonstigen Organe und Einrichtungenverpflichtet werden, den »Medien» Auskünfte zu erteilen. Dabei sollte der Gesetzgeber klarstellen, dass unter »Medien» Presse, Rundfunk, Film sowie Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten zu verstehen sind.
Mit ihrem Änderungsantrag auf 17(4) 764 versuchte die SPD nun einiges davon zu korrigieren. Sie definiert die Medien, deren Auskunftsansprüche geregelt werden und fügt einen Abwägungsgrundsatz »überwiegend öffentliches vs. schutzwürdiges privates Interesse» ein. Das hätte schon eine Verbesserung des Entwurfs bedeuten können. Leider lässt sie die schon angesprochene vollkommen unbrauchbare Formulierung stehen, wonach Auskünfte verweigert werden, wenn ihnen »Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen».
Diesen Punkt wollen die die Grünen in einem eigenen Antrag ausbügeln, indem sie »gesetzliche Vorschriften über die Geheimhaltung» einfügen. Und ich hoffe wir sind uns hier weitgehend darin einig, das das Offenlegen von Behördenhandeln Journalisten nur dann Möglich ist, wenn die Bundesbehörden sie nicht mit einer Minimalauskunft abspeisen dürfen. Dass Fragen unbequem sind oder Anfragen einen Mehraufwand bedeuten darf eben nicht dazu führen, dass Journalisten ein Aktenzugang vorenthalten wird. Pressefreiheit kann es nur geben, wenn Medien nicht auf das Wohlwollen oder den Fleiß der Behördenmitarbeiter und -mitarbeiterinnen angewiesen sind.
Der Gesetzentwurf ist zwar gut gemeint, aber als Schnellschuss auch zu unausgereift, weil er seinen eigenen Ansprüchen, die vorliegenden Probleme zu lösen und Rechtssicherheit herzustellen, nicht gerecht wird. Wir werden uns deshalb enthalten.
Vielen Dank.