USA-Besuch: Bundeskanzlerin ohne Mumm und Erfolg
Rede von Jan Korte zur von der Fraktion DIE LINKE beantragten aktuellen Stunde zu den Ergebnissen des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in den USA
Jan Korte (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Juni 2013 rollt die große NSA-Überwachungsaffäre. Was passierte seitdem? Am 12. Juni fährt der damalige Innenminister Friedrich nach Washington, wird allerdings sofort ohne Ergebnis wieder zurückgeschickt. Am 4. November 2013 fahren die Chefs von BND und Verfassungsschutz nach Washington. Die haben zumindest vom Thema Ahnung, haben aber auch nichts herausgefunden, geschweige denn an dieser Praxis etwas ändern können.
Dann kommt der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und erklärt die Affäre für beendet. Schließlich, nachdem sie doch nicht beendet gewesen ist, wird vorgeschlagen: Wir machen ein No-Spy-Abkommen. Daraus ist nichts geworden. Nun haben einige fälschlicherweise gehofft, dass, wenn die Bundeskanzlerin zu ihrem guten Kumpel Präsident Obama fliegt, Klartext gesprochen und sich dann etwas ändern würde. Das war leider eine große Fehleinschätzung.
Wie reagiert die Bundeskanzlerin auf diesen größten Datenschutz- und Bürgerrechtsverletzungsskandal der letzten Jahrzehnte, der im Übrigen ein Dauerangriff auf unsere Grund- und Freiheitsrechte ist? Sie reagiert mit völligem Desinteresse, ohne Mut, geschweige denn mit irgendeiner Konsequenz. Das ist einer Bundeskanzlerin und einer Bundesregierung bei der Dimension dieses Skandals nicht angemessen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Besuch bei Präsident Obama war die letzte Chance, einmal Klartext zu reden und den USA deutlich zu sagen: Solange unsere Bevölkerung massenhaft und ohne einen Grund bespitzelt wird, gehen wir auch diplomatisch einen begrenzten Konflikt ein, weil wir das nicht hinnehmen. - Diese Chance wurde leider vertan. Stattdessen steht die Bundeskanzlerin wie ein Wackeldackel neben dem US-Präsidenten und tut gar nichts, sondern glänzt durch völliges Desinteresse. Das kann doch nicht wirklich wahr sein, wie mit diesen Vorgängen umgegangen wird.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist im Übrigen ganz interessant, dass einige der ostdeutschen Genossinnen und Genossen ‑ ich komme ja aus dem Westen ‑ mir erzählt haben, dass sie diese Vorgänge an die alten Zeiten erinnern, als noch von der unverbrüchlichen Freundschaft mit der Sowjetunion gesprochen wurde. Das sind in etwa dieselben Verhaltensweisen, die hier an den Tag gelegt werden. Das kann auch einmal klar angesagt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist ebenfalls interessant, einmal zu untersuchen und über die Frage nachzudenken: Woher kommt denn diese Unterwürfigkeit? Woher kommt dieses Desinteresse? Woher kommt eigentlich dieses Achselzucken? Dabei nähern wir uns logischerweise, von der Außenpolitik kommend, direkt der Innenpolitik. Der Kern für die Unterwürfigkeit ist natürlich, dass diese und die vorherigen Bundesregierungen sowie die deutschen Geheimdienste Komplizen der NSA-Praxis sind. Das ist der Grund für die Unterwürfigkeit: Man ist Komplize und Gehilfe. Das gehört abgestellt, wie die Linke findet.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In diesem Zusammenhang wurde nicht von der Bundesregierung, von der ja in dieser Frage überhaupt gar nichts zu erwarten ist, sondern verdienstvollerweise von engagierten und kritischen Journalisten zum Glück sehr viel aufgedeckt.
Ein zweiter Grund für diese Unterwürfigkeit, für dieses Beschwichtigen und Für-beendet-Erklären ist natürlich auch, dass Deutschland schon lange nicht nur an den offenen, sondern auch an den geheimen Kriegen der USA, die von deutschem Boden mit vorbereitet und durchgeführt werden, aktiv beteiligt ist. Das ist der eigentliche Skandal. Es wäre das Mindeste, damit endlich aufzuhören.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich habe mich bei unseren Außenpolitikern ein wenig kundig gemacht. Man kann da logischerweise vielleicht nicht ganz so deutlich reden, wie ich das jetzt tue ‑ ich bin ja heute noch sehr zurückhaltend ‑,
(Zuruf von der SPD: Nur Mut!)
sondern man muss bestimmte Dinge beachten. Das kann ich alles verstehen. Aber man hätte in Washington ja zumindest eines tun können, Frau Bundeskanzlerin: Sie hätten sich zum Beispiel mit Jimmy Carter, dem ehemaligen demokratischen Präsidenten, treffen können, der zur NSA-Praxis sehr deutlich etwas gesagt hätte. Sie hätten sich symbolisch mit vielen Kongressabgeordneten treffen können, die im Kongress dafür sorgen wollen, dass der Datenschutz und die Bürgerrechte eingehalten werden. All das hätten Sie tun können. Sie hätten deren Kritik aufnehmen können, wenn Sie selber schon nicht in der Lage sind, diese Kritik zu formulieren. Auch das haben Sie leider sträflich vernachlässigt, was wir sehr bedauern.
(Beifall bei der LINKEN)
Es wäre wirklich notwendig und anerkennenswert gewesen, wenn Sie sich ein Beispiel an der brasilianischen Staatspräsidentin Dilma Rousseff genommen hätten. Die hatte nämlich den Mumm, in Anwesenheit von Präsident Obama Klartext zu reden und unverblümte Kritik zu äußern. Das ist richtig. Brasilien hat daran gearbeitet, ein eigenes Verschlüsselungssystem einzuführen. Auch in dieser Hinsicht bei Merkel und dieser Bundesregierung totale Fehlanzeige. In Brasilien wurde von der Präsidentin eine Internetverfassung auf den Weg gebracht, wurden Internetgrundrechte formuliert. Das wäre der richtige Weg gewesen. Sie hätten die brasilianische Präsidentin in ihrem Engagement gegen diese massenhafte Grundrechtsverletzung unterstützen müssen. Es kam nichts. Sie lassen sie im Regen stehen. Das ist doch nicht hinnehmbar. Das ist nicht zu fassen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Um abzuschließen: Bei der Bundeskanzlerin ist es ja mittlerweile so, dass sie die normalen irdischen Gefilde verlassen hat. Sie schwebt schon mehrere Meter über dem realen Leben und ist in ihrer präsidialen Art kaum noch ansprechbar für unsere irdischen Probleme hier. Es geht aber nicht darum, als Bundeskanzlerin einfach Bundeskanzlerin zu sein; vielmehr sind die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung dem Grundgesetz und dem Schutz der Rechte der Bürgerinnen und Bürger verpflichtet. Dem kommen sie nicht einmal ansatzweise nach. Deswegen ist eine radikale Umkehr in dieser Politik dringend notwendig, um unsere Grund- und Freiheitsrechte, die unter großen Opfern erkämpft worden sind, endlich zu schützen. Das ist Ihre Aufgabe. Da haben Sie vollkommen versagt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)