Pleiten, Pech und Pannen
Die ersten neun Monate der 18. Wahlperiode gehen zu Ende, und der Bundestag geht in die parlamentarische Sommerpause. Unsere Arbeitskreise blicken zurück auf die großen und kleinen Herausforderungen der vergangenen Monate: Was hatten wir vor, was haben wir erreicht und was bleibt auf unserer Agenda? Für den Arbeitskreis Demokratie, Recht und Gesellschaftsentwicklung zieht dessen Leiter Jan Korte Bilanz.
Untersuchungsausschüsse und Sondersitzungen
Die ersten neun Monate GroKo im Bereich der Innen- und Rechtspolitik kann man zu Recht mit „Pleiten, Pech und Pannen“ überschreiben. Keine 100 Tage Große Koalition hat es gebraucht, um den Rücktritt von Bundesinnenminister Friedrich (CSU) zu verkünden. Hintergrund waren Indiskretionen bei polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy. Die Folge: Kurz vor der Sommerpause hat das Parlament auf Druck von LINKEN und Grünen die Einsetzung eines zweiten Untersuchungsausschusses zu Versäumnissen im Fall Edathy beim BKA, im Bundesinnenministerium und im Bundeskanzleramt beschlossen.
Bereits im Frühjahr wurde vor dem Hintergrund der seit Sommer 2013 bekannten NSA-Spähattacken auf deutsche Ministerien, Abgeordnete, Firmen und Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik ein erster Untersuchungsausschuss eingerichtet. Seitdem reißen die Skandale im Geheimdienstbereich nicht ab. Am gestrigen Dienstag fand nach dem Auffliegen zweier mutmaßlicher US-Zuträger beim Bundesnachrichtendienst und im Bundesverteidigungsministerium eine Sondersitzung des Innenausschusses in Berlin statt. Dies hatte die Fraktion DIE LINKE gefordert.
Die „Mühen der Ebene“
Der kontinuierliche Einsatz unserer Fraktion im Deutschen Bundestag für BürgerInnenrechte und einen wirksamen Datenschutz scheinen nun Früchte zu tragen. Endlich sind diese Themen stärker ins Bewusstsein des politischen Berlins gerückt. Nun wird es darauf ankommen, nicht nur die einzelnen Späh- und Spionageskandale und das Wissen oder Zutun deutscher Dienste gründlich aufzuklären, sondern auch die richtigen und fundamentalen Schlüsse daraus zu ziehen. Es geht um nicht weniger als der Einführung und Umsetzung eines wirksamen und modernisierten Datenschutzrechtes – auch für die Beschäftigten in Deutschland gegenüber immer „wissbegierigeren“ ArbeitgeberInnen – und die Auflösung geheimdienstlicher Strukturen in Deutschland und Europa. Dafür streitet DIE LINKE im Bundestag!
Gericht kippt Vorratsdatenspeicherung und Regelung zum Ehegattennachzug
Auch juristisch musste die Bundesregierung einige für sie nur schwer zu verkraftende Niederlagen in den ersten acht Monaten ihrer Tätigkeit hinnehmen. Im Frühjahr kippte der Europäische Gerichtshof das europaweite Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung und vor wenigen Tagen die deutsche Regelung zum Sprachnachweis beim Ehegattennachzug.
Schluss mit dem Ausspionieren von Flüchtlingen
Schließlich musste der Bundesnachrichtendienst am 1. Juli auch auf den beharrlichen Druck der LINKEN im Bundestag ihre seit Jahrzehnten bestehende „Hauptstelle für Befragungswesen“ (HBW), die über die Vernehmung von Flüchtlingen Informationen aus deren Herkunftsländern zu gewinnen versuchte, endgültig schließen.
Flüchtlings- und Asylpolitik grundlegend reformieren
Nichtsdestotrotz ist die Bundesregierung gefordert, in ihrer Flüchtlings- und Asylpolitik endlich eine andere, humane Kehrwende einzuleiten. Sie muss unter anderem endlich ihre Blockade gegen eine grundlegende Reform des EU-Asylsystems aufgeben. Seit Beginn des Jahres sind etwa 56.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Italien gekommen. Bis zum Ende des Jahres könnte sich diese Zahl auf 100.000 erhöhen. Viele tausend Flüchtlinge sind bei dem Versuch die „Festung Europa“ zu erreichen ums Leben gekommen. 2013 stellte die Bundesrepublik 5.800 Übernahmeersuchen an Italien, in den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es sogar schon 2.300. Angesichts der Überlastung des italienischen Aufnahmesystems ist diese Politik rücksichtslos und unverantwortlich. Eine grundlegende Reform des EU-Asylsystems darf aber nicht dabei stehen bleiben, das unsolidarische Zuständigkeitsregime der Dublin III-Verordnung abzuschaffen. Stattdessen muss es darum gehen, sichere Einreisewege für Schutzsuchende zu schaffen, statt an der tödlichen Abschottungspolitik und der Verlagerung der Flüchtlingsabwehr in die Transitstaaten festzuhalten.
Erschienen auf linksfraktion.de, 16. Juli 2014