Datenschutz: "Gesetzentwurf ist ein Zeichen der Geringschätzung"
Fast zwanzig Jahre nachdem in der europäischen Datenschutzrichtlinie festgelegt wurde, dass in den Mitgliedstaaten „eine oder mehrere öffentliche Stellen“ mit der Datenschutzkontrolle beauftragt werden müssen und diese Stellen die „ihnen zugewiesenen Aufgaben in völliger Unabhängigkeit“ wahrnehmen sollen, hat die Bundesregierung nun einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes vorgelegt, mit dem diese Unabhängigkeit umgesetzt werden soll. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage von Jan Korte (s.u.) hat die Bundesregierung nun eingeräumt, dass die EU-Kommission vom 30. April bis 10. Juni 2014 ein Pilotverfahren, also eine Vorstufe zu einem Vertragsverletzungsverfahren, wegen mangelnder Unabhängigkeit der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) durchgeführt hat.
Die Bundesregierung nennt selbstverständlich andere Gründe dafür, warum sie – trotz mehrfacher Aufforderung, unter anderem von der LINKEN – erst jetzt tätig geworden sei: Vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 16.10.2012 hätte rechtlich keine Klarheit darüber bestanden, dass eine Dienst- und Rechtsaufsicht, wie sie derzeit das Bundesinnenministerium über die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit innehat, nicht mit der in der Richtlinie verlangten „völligen Unabhängigkeit“ nicht kompatibel ist. Um dies festzustellen hätte allerdings der gesunde Menschenverstand genügt, sollte man jedenfalls meinen.
Der Gesetzentwurf kommt aber nicht nur zu spät, er auch lässt auch die Chance verstreichen, in diesem Zuge eine starke, unabhängige und personell an die gewachsenen Ansprüchen angepasste Datenschutzbehörde in der Bundesrepublik zu etablieren: Die Bundesregierung will die Bundesdatenschutzbeauftragte formal für unabhängig erklären, gleichzeitig aber personell an der kurzen Leine halten: Zu den derzeit bestehenden 87 Planstellen bei der Bundesbeauftragten sollen magere vier hinzukommen. Vergleicht man dies mit den im Referentenentwurf zum IT-Sicherheitsgesetz vorgesehenen Stellenerhöhungen beim Bundesamt für Informationssicherheit (133 Planstellen), beim Bundeskriminalamt (79) oder beim Bundesamt für Verfassungsschutz (55), wird klar, dass der Bundesregierung an der Stärkung einer unabhängigen Datenschutzbehörde nicht gelegen ist.
Mit dem Gesetzentwurf entlässt die Bundesregierung die Datenschutzbeauftragte zwar formal in die Unabhängigkeit, betreibt aber auch ganz unverhohlen Eigensicherung: Die im derzeit bestehenden Bundesdatenschutzgesetz bestehenden Regelungen, eine Aussage der BfDI dürfe dem „Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes“ keine Nachteile bereiten, wurde ergänzt: Auch für die „Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder ihre Beziehungen zu anderen Staaten“ dürfen nun keine Nachteile mehr entstehen. Wer sich bei dieser Formulierung an diverse Erklärungen der Bundesregierung erinnert fühlt, weshalb sie zum Überwachungsskandal nichts sagen wolle, tut dies zu Recht.
Dass sie der für Informationsfreiheit zuständigen Beauftragten gesetzlich vorschreiben will, über welche Erkenntnisse sie aussagen darf und über welche nicht, zeigt deutlich, dass die Bundesregierung überhaupt nichts davon hält, selber kontrolliert zu werden. Überraschend ist das nicht: Es ist Teil einer Strategie der Bundesregierung, die sie immer dreister, auch gegenüber nachhakenden Abgeordneten, vertritt: Mit dem Verweis auf das Staatwohl oder den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung Kontroll- und Informationsrechte zu beschneiden und ihnen Maulkörbe zu verpassen.
Auch die Andrea Voßhoff ist mit dem Gesetzentwurf unzufrieden. Darüber, wie auch über die Kritik von Jan Korte an dem Entwurf, berichten heute verschiedene Medien:
"Datenschützerin will mehr Macht und weniger Aufsicht" RP-online vom 2. September 2014