Eine starke Demokratie verteidigt sich mit demokratischen Mitteln
21.01.2015
Jan Korte
Positionspapier von Jan Korte, Leiter des Arbeitskreises V - Demokratie, Recht und Gesellschaftsentwicklung der Bundestagsfraktion DIE LINKE.
- Bevor neue Sicherheitsgesetze und Eingriffsbefugnisse verabschiedet werden, müssen alle seit 9/11 zur Terrorismusbekämpfung eingeführten Straf- und Sicherheitsgesetze von einer unabhängigen Expertenkommission aus Nichtregierungsorganisationen, Verfassungs- und Strafrechtlern, Sicherheitsbehörden und Parlamentariern auf ihre tatsächliche Effizienz im Kampf gegen Terrorismus evaluiert werden. Nur mit dem Wissen, welche Vorschriften und Maßnahmen konkret zu welchen Erfolgen in der Aufklärung und Verhinderung terroristischer Taten geführt haben, ist eine Bewertung ihrer Sinnhaftigkeit oder vermeintlicher Lücken möglich. DIE LINKE wird einen Antrag mit dieser Forderung in den Bundestag einbringen.
- Statt immer schärferer Gesetze bedarf es zur Bekämpfung des Djihadismus einer gesellschaftlichen Antwort: Das wichtigste ist die Prävention, die Radikalisierungstendenzen bei Jugendlichen entgegen wirkt, eine Wiedereingliederung ermöglicht und Familien, Freundinnen und Freunden von mutmaßlichen Djihadisten ein Beratungs- und Unterstützungsangebot macht. Bei der Prävention sind vor allem zivilgesellschaftliche Initiativen zu fördern. Sie ist aber auch Aufgabe aller staatlichen Institutionen wie auch der Sicherheitsbehörden. Ihre langfristige Finanzierung ist bei den nächsten Haushaltsberatungen im Bundestag sicherzustellen.
- An dem Anfangsverdacht bezüglich einer Straftat als Voraussetzung für ein Einschreiten von Sicherheitsbehörden ist in einem Rechtsstaat festzuhalten. Dann ist die Polizei zur Strafverfolgung oder bei konkreter Anschlagsgefahr zur Gefahrenabwehr zuständig. Das Strafrecht bietet bereits ein ausreichendes Instrumentarium. Die Terrorismusfinanzierung und der Besuch eines Terrorcamps zur Vorbereitung einer Gewalttat sind bereits heute strafbar (§ 89a StGB) sowie jegliche Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 5 StGB). Auch die versuchte Ausreise zu terroristischen Zwecken ist strafbar, wenn sich die Absicht nach außen hin manifestiert hat, z.B. durch Kontaktaufnahme zu einer terroristischen Vereinigung (§ 89b StGB) oder durch sich Unterweisenlassen im Waffengebrauch (§ 89a StGB). Bei der Bestrafung allein einer neutralen Handlung, wie eines Ausreiseversuchs, wird durch die starke Vorverlagerung der Strafbarkeit in einen Bereich weit vor einer Gefährdung von Personen unverhältnismäßig in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingegriffen. Wenn aber konkrete Handlungen vorliegen, die auf eine terroristische Absicht schließen lassen, greifen bereits die erwähnten Vorschriften und das polizeiliche bzw. staatsanwaltliche Ermittlungsinstrumentarium wie Observationen, Hausdurchsuchungen, Telekommunikationsüberwachung, etc. Und auch dabei ist das verfassungsrechtliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Eine unabhängige bürgerrechtliche Evaluation der bestehenden Terrorismusstraftatbestände, die die LINKE immer kritisiert hat, ist längst überfällig. Einer weiteren Strafverschärfung, wie sie das BMJV plant, bedarf es nicht.
- Um dem Verdacht einer Beteiligung von Personen an Kampfhandlungen im Ausland oder auf Anschlagspläne in Deutschland oder Europa hinreichend nachgehen und umfassende Ermittlungen durchführen zu können, bedarf es, wie von der GDP gefordert, mehr qualifiziertes Personal bei der Polizei. Hingegen sind zwischen 2000 und 2006 nach Information der GDP 17.000 Stellen bei der Polizei in Bund und Ländern ersatzlos gestrichen worden. Insbesondere sollte mehr migrantisches Personal eingestellt und die Aneignung von interkultureller Kompetenz gefördert werden. Zudem ist die Privatisierung polizeilicher Aufgaben zu beenden.
- Den erneuten Rufen nach einer Vorratsdatenspeicherung ist eine klare Absage zu erteilen. Sie wurde nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und dann vom Europäischen Gerichtshof wegen der mit ihr bewirkten anlasslosen und massenhaften Totalüberwachung von Bürgerinnen und Bürgern endgültig als grundrechtswidrig eingestuft. Zudem konnte sie ihre Effizienz bei der Kriminalitätsbekämpfung nicht unter Beweis stellen.