"Bürger zahlen eigene Überwachung"
Die Bundesregierung bekommt für ihren übereilt und schlampig formulierten Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung (18/5088), der nach dem Willen von Union und SPD noch in diesem Herbst verabschiedet werden soll, zu Recht derzeit heftige Kritik. Der Gesetzentwurf sieht neben gravierenden Änderungen in der Strafprozessordnung sowie dem Telekommunikationsgesetz auch Anpassungen im Strafgesetzbuch und u. a. auch weitreichende Maßnahmen zur Sicherung der erhobenen und gespeicherten Standort- und Verkehrsdaten vor.
Da die deutschen Telefon- und Internet-Unternehmen künftig die Verbindungsdaten aller Kunden anlasslos zehn Wochen lang speichern sollen wird es zu erheblichen Kosten kommen. Während die Bundesregierung alleine für die „ersten Investitionskosten“ in die Technik rund 260 Mio. Euro veranschlagt, schätzt der deutsche Normenkontrollrat die Kosten mit 600 Mio. Euro sogar mehr als doppelt so hoch ein.
Um u. a. in Erfahrung zu bringen, wie der Gesetzesentwurf überhaupt zustande kam, wer die Kosten für seine Einführung zu tragen hat und wie die Daten nach Auffassung der Bundesregierung vor Missbrauch und unberechtigtem Zugriff gesichert werden sollen, richteten Jan Korte und die Fraktion DIE LINKE die Kleine Anfrage "Pläne zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung" an die Regierung.
Nun liegt den Fragestellern die Antwort der Bundesregierung vor. Während die Regierung nach außen so tut, als ob der Gesetzentwurf alle Vorgaben von Bundesverfassungsgericht und EuGH zur Datensicherheit erfüllen würde, macht die Antwort klar, dass sich die Bundesregierung im Detail offenbar keinerlei Gedanken zur konkreten Umsetzung gemacht hat. Lediglich darauf zu verweisen, dass die Bundesnetzagentur entsprechende Verfahren „nach dem Stand der Technik“ im Benehmen mit dem BSI und der Bundesdatenschutzbeauftragten festlegen werde, ist mehr als dürftig. Zwei Jahre nach Snowden sollte klar sein, dass es diesen „hinreichenden Schutz“ für die Vorratsdaten, von dem die Regierung unbeirrt und felsenfest ausgeht, nicht gibt. Die Antwort beweist entweder nur die technische Unfähigkeit der Verantwortlichen oder das Ausblenden der Problematik durch die Bundesregierung.
Doch nicht nur in Punkto Datensicherheit verschließt die Regierung die Augen oder schiebt die Verantwortung an andere ab. Auch bei der Finanzierung der Vorratsdatenspeicherung wurde nicht allzu weit gedacht. Laut Antwort geht die Bundesregierung davon aus, dass die Unternehmen „die Kosten in ihre Preisgestaltung einkalkulieren und an ihre Kunden weitergeben“. Die Bürgerinnen und Bürger sollen somit sowohl über ihre Steuern, als auch durch die Kommunikationsgebühren für ihre eigene Überwachung zur Kasse gebeten werden.
Über die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage "Pläne zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung" (18/5851, Download s. unten) von berichten mehrere Medien:
"Bürger zahlen eigene Überwachung" taz vom 13.9.2015
"Bundesregierung so: Voraussetzungen und Kosten für Vorratsdatenspeicherung? Kümmern sich andere drum" netzpolitik.org vom 14.9.2015
"Trotz EU-Kritik: Bundesregierung hält an Vorratsdatenspeicherung fest" heise.de vom 14.9.2015