Jan Korte, MdB (DIE LINKE) (www.jan-korte.de)

"Bei der NSA Liebkind gemacht"

21.10.2015

Die Bundesregierung bestätigt auf eine Kleine Anfrage von Jan Korte und der Linksfraktion, dass die zuständigen Behörden spätestens seit Wendezeiten die Spionageziele der USA kannten. Über die Antwort berichtete die Tageszeitung neues deutschland: "Bei der NSA Liebkind gemacht". Die Antwort kann am Ende der Seite heruntergeladen werden.

Nachdem die Bundesregierung in einer früheren Antwort auf eine Anfrage der LINKEN geantwortet hatte, dass im Jahr 1992 der seinerzeitige Direktor beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU), Hansjörg Geiger, eine hochgeheime Anforderungsliste der National Security Agency (NSA) zusammen mit 20 laufenden Aktenmetern „von Hand zu Hand an den Innenminister“ übergeben habe und dieser anschließend „die Akten ungesichtet 1992 den Amerikanern aus[gehändigt]“ habe, gibt sie nun auf Nachfrage zu, dass zumindest eine Grobsichtung der Unterlagen stattgefunden hat.

Die Aktenübergabe aus der BStU an das US-amerikanische FBI und möglicherweise andere Dienste wie die NSA wirft aber weiterhin eine ganze Reihe von Fragen nach dem genauen Vorgang und damit auch der Rechtmäßigkeit der ersatzlosen und angeblich nicht protokollierten und dokumentierten Rückübergabe von in MfS-Besitz befindlichen und in die Stasi-Unterlagenbehörde übernommenen Unterlagen der US-amerikanischen Dienste auf Anweisung des Bundesministeriums des Innern auf. Denn laut einer Meldung des Spiegel aus dem Jahr 1999 war das „Kernstück der Sammlung […] die sogenannte National Sigint Requirement List (NSRL), ein 4258 Seiten starkes Dokument, in die die NSA festlegt, in welchen Ländern was abgehört werden soll. Die Liste ist eine Art Wunschkatalog für die Spionage gegen Freund und Feind. Das Weiße Haus, das Außenministerium und etliche andere Regierungsstellen melden darin ihre Informationsbedürfnisse an…Die NSA notiert, Land für Land, was den Staatslauschern technisch bereits möglich ist, was bald erreichbar sein wird und was vorerst unterreichbar bleibt. Das Washingtoner Interesse an deutscher Innen- und Außenpolitik, Nuklear- und Weltraumtechnik und militärischer Forschung füllte, Freund hört mit, rund 30 Seiten…Noch neugieriger waren die USA, jedenfalls bei den Verbündeten, nur noch auf französische Interna.“ Diese Akten „waren der Beweis dafür, wie ungeniert die Amerikaner (…) Spionage betrieben – auch gegen die Westdeutschen“ (Spiegel 30/1999, S. 52).

Akten dieser Qualität sollen, so behauptet die Bundesregierung auch heute noch, ohne jede Spur zu hinterlassen, in einer Nacht und Nebel Aktion an das Innenministerium BMI und von dort an das FBI übergeben worden sein.

Seit Beginn der Snowden-Enthüllungen führt die Bundesregierung die Öffentlichkeit am Nasenring durch die Manege. Spätestens seit 1992, das ergeben die Antworten auf die Kleine Anfrage von Jan Korte, kennt die Bundesregierung offenbar die Spionageziele und –interessen der USA in Europa und der Bundesrepublik. Seit die Stasi-Unterlagen im Interesse der USA und wegen der guten transatlantischen Zusammenarbeit gezielt gesäubert wurden, waren Regierung und Verfassungsschutz also über die Schnüffelei der NSA hierzulande informiert und unternahmen offenkundig nichts. Dass man dies verschleiern und vergessen machen will, ist eine permanente Irreführung der Öffentlichkeit.

Erst wurde die Aktenherausgabe mit völkerrechtlichen Verpflichtungen begründet und nachdem sich diese offenkundig nicht finden ließen, wird das Ganze Unternehmen nun damit legitimiert, dass es angeblich außenpolitisch geboten war. Alle führend an der Aktenweitergabe an FBI und NSA Beteiligten decken sich gegenseitig oder weisen Erinnerungslücken auf, so dass eine tatsächliche Aufklärung bis heute erfolgreich behindert wird. Es ist an der Zeit, dass die damals Verantwortlichen endlich Tacheles reden und alle in der Anfrage genannten Dokumente, Vermerke und Ausarbeitungen herausgeben. Die Geheimniskrämerei muss ein Ende haben und die Öffentlichkeit sich wenigstens 25 Jahre später selbst ein Bild machen können.

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