Bundesregierung darf nicht länger sächsischen Sonderweg in der Erinnerungspolitik protegieren
Erschienen auf linksfraktion.de am 11. April 2017
Mit der Konzeption der Gedenkstättenförderung des Bundes erfolgte 1999 auch für zwei Gedenkstätten in Sachsen eine inhaltliche Schwerpunktsetzung und Ko-Finanzierung durch den Bund. Während in Bautzen überwiegend das Unrecht zwischen 1945 und 1989 thematisiert werden sollte, wurde für Torgau, dem zentralen Ort der NS-Militärjustiz, vereinbart, dass dort deren Verbrechen im Mittelpunkt stehen sollen. Doch die Vorgaben des Bundes wurden von der Stiftung sächsische Gedenkstätten (StSG) nie umgesetzt. Stattdessen existiert in Bautzen bis heute keine Erinnerung an die NS-Opfer und in Torgau existierte sogar bis 2013 eine thematische und räumliche Drittelung der Ausstellung, so dass in der Konsequenz die Zeit nach 1945 deutlich umfassender dokumentiert war als die Verbrechen der NS-Militärjustiz.
Seit fast zwei Jahrzehnten weigert sich die sächsische Landesregierung somit beharrlich der Gedenkstättenkonzeption des Bundes nachzukommen. Grund genug für Jan Korte und die Linksfraktion einmal bei der Regierung nachzufragen, wie es dazu kommen konnte und was diese gedenkt dagegen zu unternehmen. Nun liegt seit kurzem die Antwort [PDF] der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage [PDF] „Umsetzung der Konzeption der Gedenkstättenförderung des Bundes in Sachsen und Neugestaltung der Ausstellung 'Spuren des Unrechts' in Torgau“ (18/11481) vor. Sie macht in frappierender Weise deutlich, dass die Bundesregierung nicht nur ihre Kontrollfunktion nicht wahrnimmt, sondern seit Jahren die spezielle sächsische Erinnerungspolitik, die de facto einer Gleichsetzung von Nazi- und SED-Diktatur gleichkommt, massiv unterstützt.
Und dies, obwohl sie selbst in ihrer Antwort auf die „wesentliche Grundaussage, dass jede Erinnerung an die Diktaturvergangenheit in Deutschland davon auszugehen hat, dass weder die nationalsozialistischen Verbrechen relativiert werden dürfen, noch das von der SED-Diktatur verübte Unrecht bagatellisiert werden darf. Es ist unverzichtbar, den Unterschieden zwischen NS-Herrschaft und SED-Diktatur Rechnung zu tragen“ hinweist. Monika Grütters, die zuständige Staatsministerin im Kanzleramt, gibt sich jedenfalls reichlich uninformiert. Und dies, obwohl der Bund durch seine Vertretung im Stiftungsrat selbst bis in kleinste Details der Tagesarbeit nicht nur informiert sein müsste, sondern auch politische Einflussmöglichkeiten besitzt. Erfolgskontrollen in vielfältiger Hinsicht, Prüfung der sachgerechten Verwendung der zugewiesenen Mittel - zu all diesen Routinemechanismen des Bundes bei Kooperationsprojekten findet sich in den Antworten zur Verwendung der für das Ausstellungsprojekt zugewiesenen Mittel aber bezeichnenderweise kein einziger Satz.
Dass die Bundesregierung gegen die die völlige Schieflage in der sächsischen Erinnerungspolitik nichts einzuwenden hat, illustriert auch die finanzielle Förderung: Allein im Zeitraum 2007 bis 2017 bezuschusste der Bund die StSG mit 9,013 Mio. Euro. Davon entfielen auf Bautzen 3,339 Mio. Euro, während sich das DIZ Torgau mit 1,668 Mio. Euro begnügen musste.
Es ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer der NS-Militärjustiz, dass eine angemessene Darstellung ihres Leids und des dafür verantwortlichen verbrecherischen Systems bis heute weder in Torgau noch in Bautzen existiert.
Der Bund hätte seine vielfältigen Kontrollmöglichkeiten innerhalb der Stiftung Sächsische Gedenkstätten schon vor Jahren wahrnehmen müssen. Durch ihre Untätigkeit leistet die Bundesregierung der skandalösen Haltung der Stiftung gegenüber den Opfern der NS-Militärjustiz Schützenhilfe. Das muss ein Ende haben.