Artenschutz endet nicht an der Wasseroberfläche
Dass die Kormoranpopulation von 5000 Brutpaaren 1990 auf heute 24.000 Paare angestiegen ist, ist ein Erfolg für den Artenschutz. Aber Artenschutz hört nicht an der Wasseroberfläche auf. Wenn eine geschützte Art sich so erholt hat, dass sie andere Arten in ihrem Bestand bedroht und Teichwirtschaften kurz vor dem Ruin stehen, muss etwas getan werden, so Jan Korte in seiner Rede. DIE LINKE fordert mit ihrem Antrag die Einführung eines bundesweiten Kormoranmanagements, das zusammen mit Naturschützern sowie Angel- und Fischereiverbänden entwickelt und umgesetzt wird.
Jan Korte (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ergibt sich bei dieser Debatte eine etwas ungewöhnliche Konstellation. Das hat mit der Tatsache zu tun, dass sich offenbar in mehreren Fraktionen Sachkenner mit dieser Materie auseinandergesetzt haben und dementsprechend sinnvolle Anträge eingebracht haben.
[Beifall bei der LINKEN]
DIE LINKE hat bereits im April zum Kormoranmanagement einen Antrag eingebracht. Die Koalitionsfraktionen haben dann im Oktober nachgelegt und die wesentlichen Punkten unseres Antrages erfreulicherweise bei uns abgeschrieben und übernommen. Das ist in Ordnung; denn der Antrag, den wir eingebracht haben, ist ein sehr kluger Antrag.
[Beifall bei der LINKEN]
Weil Sie es fertigbringen, mit keinem Wort den Antrag der Linken zu erwähnen, der nun wirklich sehr differenziert und sachlich ist, will ich diese Anmerkung machen:
[Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Herr Korte, ich stimme Ihnen zu, dass es ein guter Antrag ist!]
Zumindest bei dieser K-Frage hätten Sie einmal ausnahmsweise sachlich und nicht ideologisch mit uns diskutieren und dem Antrag einfach zustimmen können. Dann wären wir schon ein gutes Stück weiter.
[Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Patrick Döring (FDP): Kormoran for Kanzler!]
Nun aber zu den Fakten. Bis auf die Grünen und bis auf Ute Vogt wissen alle, die sich mit diesem Thema beschäftigen, dass der Kormoran ein großes Problem darstellt. 1990 gab es 5 000 Brutpaare. 2010 gab es schon 24 000 Brutpaare. Das ist in der Tat - darüber können wir uns alle freuen - ein Erfolg für den Artenschutz. Das ist auch erst einmal in Ordnung. Aber - darüber diskutieren wir hier zu Recht - der Artenschutz endet eben nicht an der Wasseroberfläche, liebe Kollegen von den Grünen. Um dieses Problem geht es heute.
[Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP]
Ich habe mir die Reden, die damals zu Protokoll gegeben wurden, angeschaut. Den Grünen und in diesem Falle auch Ute Vogt sei gesagt: Was Sie in dieser Debatte nicht begriffen haben, ist, dass Artenschutz eben nicht nur für kleine, niedliche Tierchen mit Knopfaugen gilt - das ist Ihre Position -, sondern beispielsweise auch für den Aal und für die Äsche.
[Beifall bei der LINKEN - Ulrich Kelber (SPD): Haben Sie schon einmal etwas vom Opferausgleich gehört?]
Nun weiter zu den Fakten. Erstens. In einer Studie des Thüringer Umweltministeriums zur Kormoranüberwinterung an Fließgewässern in Thüringen heißt es abschließend - das ist das Fazit der Wissenschaftler -: Der daraus resultierende Fraßdruck auf die Äschenpopulation kann nicht mehr kompensiert werden. Zweitens. Der Kormoran frisst pro Tag - das besagen alle wissenschaftlichen Untersuchungen - zwischen 300 und 500 Gramm Fisch. Das macht pro Jahr insgesamt zwischen 15 000 und 25 000 Tonnen. Das ist übrigens mehr, als die gesamte deutsche Binnenfischerei produziert. Drittens. Laut Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken frisst der Kormoran pro Jahr rund 340 Tonnen des europäischen Aals, einer Art, die mittlerweile fast vollkommen ausgestorben ist.
Viertens ein Beispiel aus Brandenburg, das schon zu Recht angesprochen wurde. Die dort existierenden kleinen Teichwirtschaften in Form von Familienbetrieben - das müsste die Kollegin Behm doch wissen - hatten im letzten Jahr einen Verlust von 1 Million Euro bei einem Gesamtumsatz von 3,6 Millionen Euro. Da kann man doch nicht einfach sagen: »Das ist uns egal«, insbesondere wenn man sich die regionale Wirtschaft auf die Fahnen schreibt. In dieser Frage sind Sie schlicht unglaubwürdig.
[Beifall bei der LINKEN - Patrick Döring (FDP): Das ist Ihnen doch sonst auch egal!]
Deswegen - in dem Punkt ist unser Antrag wirklich - besser fordern wir, wie es bereits in Dänemark erfolgreich praktiziert wurde, dass man Naturschützer, Fischer und Angler in diesen Prozess einbezieht. Wir fordern die Bundesregierung auf, nachhaltig dafür zu sorgen, diese Gruppen einzubinden.
[Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sozialismus gegen Kormorane!]
Die Kollegin Tackmann hat hierzu heute eine sehr fachkundige Erklärung zur Abstimmung vorgelegt.
Ich will Ihnen eines sagen auch das ist bereits angesprochen worden: Der Dank sollte heute in der Tat allen Naturschützern und Artenschützern gelten, aber eben auch den Anglern, ohne deren Besatzmaßnahmen es beispielsweise den europäischen Aal in unseren Gewässern gar nicht mehr geben würde. Insofern gilt ihnen der ausdrückliche Dank des Bundestages.
[Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP]
Es ist schon bemerkenswert, dass all diese Fakten Sie nicht überzeugen können. Zum Schluss möchte ich aber doch noch eine Anmerkung zu CDU/CSU und FDP machen. Im Gegensatz zu Ihnen entscheidet die Linke grundsätzlich nach Sacherwägungen.
[Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]
Wir lesen, was in dem Antrag steht. Sie aber schauen nur darauf, wer den Antrag eingebracht hat. Das heißt: Sie sind ideologisch, und wir sind unideologisch.
[Beifall bei der LINKEN - Lachen bei der CDU/CSU und der SPD - Patrick Döring (FDP): »Alle sind Ideologen, außer wir!" - Weitere Zurufe von der CDU/CSU und SPD!]
Das ist die Wahrheit, und weil wir das nicht nur postulieren, sondern auch machen, werden wir heute Ihrem Antrag selbstverständlich zustimmen, genauso wie wir hoffen, dass Sie ebenfalls unideologisch und an der Sache orientiert unserem Antrag zustimmen werden.
[Beifall bei der LINKEN]
Dafür möchte ich gerne werben. Das wäre dann in der Tat ein gutes Zeichen für einen ganzheitlichen Artenschutz, der in diesem Bereich dringend erforderlich ist.
[Beifall bei der LINKEN]