Jan Korte, MdB (DIE LINKE) (www.jan-korte.de)

Fluggastdatenabkommen macht Datenschutz zur Nebensache

01.07.2011

Aus Sicht des Datenschutzes ist das Fluggastdatenabkommen der EU mit den USA eine einzige Katastrophe. Die geplante EU-Richtlinie bietet nach Einschätzung von Experten wenig bis keinen Schutz für die auf Vorrat gespeicherten Passagierdaten. DIE LINKE lehnt Vorratsdatenspeicherungen und eine Überwachung der Bevölkerung ab, so Jan Korte in seiner Rede zu Anträgen von SPD und Grünen zum PNR-Abkommen:

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

die Vize-Ministerin für Heimatschutz der USA, Jane Holl Lute, hat kürzlich in Berlin massiv für das amerikanisch-europäische Abkommen zur Übermittlung von Fluggastdaten geworben. Mit dem Abkommen, so Frau Lute, sollen angeblich nicht Sicherheitsbestrebungen der Vereinigten Staaten über Datenschutzbedenken der Europäer gestellt werden, sondern der US-Administration gehe es einzig »um das Wohl aller Reisenden«. Die USA respektierten die europäische Sicht, erwarteten aber auch Respekt für ihren Standpunkt. Die Vize-Ministerin sicherte einen verantwortungsvollen Umgang mit den Daten zu.

Britische Datenschutzexperten kommen in einer Analyse der geplanten EU-Richtlinie zur Auswertung und Weitergabe von Fluggastdaten (Passenger Name Record - PNR) allerdings zu dem Ergebnis, dass die Richtlinie wenig bis überhaupt keinen Datenschutz garantiere. Die Daten würden stattdessen völlig unkontrolliert und intransparent verbreitet werden. Die britischen Experten von Amberhawk gelangen in ihrem Bericht insgesamt zu einem höchst negativen Ergebnis. Ausreichender Schutz besteht eigentlich nur, solange die Fluglinien über die Daten verfügen, denn dann kämen die eher strengen Datenschutzstandards der EU zum Tragen. Jede Weitergabe hebe hingegen Teile des Datenschutzes auf. Wenn das Abkommen so in Kraft treten würde, dürfte beim Export der Daten in die USA auch das letzte bisschen Schutz im wahrsten Sinne des Wortes über Bord gehen. Denn was die jeweiligen Empfänger mit den Daten anstellen und wohin sie diese als nächstes transferieren kann keiner der Passagiere mehr kontrollieren, ebenso wenig wie Datenschützer.

Die Fachjuristen von Amberhawk beschreiben die Auswirkungen der PNR-Richtlinie als bizarr: Je unkritischer die Erhebung und Verwendung von Passagierdaten ist, wie z.B. bei der Nutzung der Angaben zur Essen- und Sitzplatzbuchung bei der Fluggesellschaft, desto höher ist der Schutz der Daten. Je kritischer die Verwendung der Passagierdaten ist, z.B. zur Sammlung und Speicherung zu Strafverfolgungszwecken, desto niedriger wird der Schutz der Daten. Und das ist nicht das einzige absurde an diesem Abkommen. Man muss sich hier wirklich mal die Frage stellen, wer hier die Verhandlungen seitens der EU geführt hat und ob diese Leute noch ein paar Wochenenden Zeit für Weiterbildungsseminare haben.

Wenn wir überhaupt irgendeinen Wert auf Datenschutz legen, können wir einem solchen Abkommen nicht zustimmen. Da ist sich die Opposition offenbar mal einig. Es wäre tatsächlich einmal etwas ganz besonderes, die Bundesregierung dazu zu bringen in Europa etwas für den Datenschutz und für die Einhaltung europäischer Datenschutzstandards zu tun. Das war bislang vergebene Liebesmüh. Es lief eher genau anders herum: Das, was die letzten Bundesregierungen national nicht umsetzen konnten, haben sie versucht über den Umweg Europa hinzubekommen.

Letztendlich bleibt das PNR-Abkommen mit den USA in den Gedanken vieler nur ein erster Schritt zu einer EU-weiten Vorratsdatenspeicherung von Flugpassagierdaten. Wenn es nach dem Willen der Europäischen Kommission ginge, werden künftig sämtliche Passagierdaten zu Flügen zwischen Drittstaaten und EU-Mitgliedsländern gespeichert. Eine Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten will außerdem auch Daten über alle innereuropäischen Flüge sammeln und analysieren. Diese Daten sollen nicht nur zur Strafverfolgung, sondern auch zur präventiven Erstellung von »Risikoprofilen« herangezogen werden. Grundsätzlich ist demnach jeder Fluggast verdächtig und muss überwacht werden. Manche phantasieren schon über die Erfassung der Reisedaten von Bahnpassagieren und Schiffsreisenden. Das konterkariert die Europäische Idee eines Raumes der Demokratie und der Freizügigkeit.

DIE LINKE lehnt das Fluggastdatenabkommen mit den USA genauso ab wie das mit Australien. DIE LINKE wird weiter gegen EU-weite Vorratsdatenspeicherungen und die Überwachung der Bevölkerung kämpfen. Darauf können Sie sich verlassen.
Vielen Dank.

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