…und plötzlich gab es nur noch Demokraten
Veranstaltung am vergangenen Freitag zu den braunen Wurzeln bundesdeutscher Ministerien, Behörden und Justiz
Die Studie zur Vergangenheit des Auswärtigen Amtes und die anhaltende Debatte dazu zeigen deutlich, dass die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, gerade was die Institutionen der Bundesrepublik, also Ministerien, Behörden und Justiz anbelangt, keineswegs abgeschlossen ist. Dies nahm Jan Korte für die Linksfraktion im Bundestag zum Anlass, zusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu einem Fachgespräch zum Umgang der Nachkriegsgesellschaft mit der NS-Zeit einzuladen.
Die Veranstaltung dokumentiert auch der Artikel von René Heilig »Globke warnte vor zu vielen Nazis im Amt« (ND vom 06.12.2010)
Im Mittelpunkt der bis auf den letzten Platz gefüllten Veranstaltung mit Prof. Dr. Patrick Wagner, Leiter des Forschungsprojekts zur Geschichte des BKA, und dem Juristen Prof. Dr. Joachim Perels, Autor u.a. des Buches »Das juristische Erbe des ‚Dritten Reiches‘«, stand der Umgang mit Schuld im Nachkriegsdeutschland, sowie daraus resultierende personelle Kontinuitäten. Wie war es möglich, dass viele NS-Richter und Ministerialbeamte nach 1945, trotz großer aufgeladener Schuld, nahezu unbehelligt in ihre Amtsstuben zurückkehren konnten?
Prof. Wagner machte hierfür vor allem ein auf Korpsgeist basierendes Verständnis von Schuld verantwortlich: Wer sich in Nazideutschland über NS-Mitgliedschaft oder -Kontakte Vorteile gegenüber den Kollegen verschaffte, hatte in der Nachkriegszeit Probleme, an den Schreibtisch zurückzukehren. Ob jemand hinter der Ostfront an Massenmorden beteiligt war, war für die Rückkehrmöglichkeiten eher irrelevant. Prof. Perels stellte die Unterschiede im Umgang mit NSDAP-Mitgliedern in den verschiedenen Sektoren und Bundesländern heraus. Nach anfänglicher kompletter Ablehnung durch die Alliierten weichte zuerst die britische Verwaltung das Einstellungsverbot auf, nach 1949 existierten nur noch in einigen Bundesländern Vorbehalte gegenüber ehemaligen NSDAP-Mitgliedern.
Jan Korte stellte die parlamentarischen Initiativen der Linksfraktion vor. DIE LINKE ist im Bundestag die treibende Kraft für eine weitere vergangenheitspolitische Auseinandersetzung. Außerdem erinnerte Jan Korte an die Rehabilitierung der sogenannten Kriegsverräter vor etwas mehr als einem Jahr. Durch beharrliche Arbeit der Linksfraktion, einer breiten medialen Begleitung und nicht zuletzt durch das Engagement einzelner wie Ludwig Baumann oder Helmut Kramer konnten hier ein Erfolg erzielt werden.
Eine Dokumentation der Veranstaltung wird in Kürze auf www.linksfraktion.de veröffentlicht.