Jan Korte, MdB (DIE LINKE) (www.jan-korte.de)

Für eine wirkliche Modernisierung des Datenschutzgesetzes

22.10.2008

Eine Modernisierung des Datenschutzgesetzes sei längst fällig - unter dieser Bundesregierung sei allerdings der Staat das Hauptproblem im Bereich des Datenschutzes. Jan Korte in seiner Rede zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich will mit dem letzten Punkt anfangen, nämlich dem Grundgesetz, weil Silke und ich - sie hat sich nicht getraut das zu sagen - heute in der Zeitung Neues Deutschland einen sehr guten Disput darüber geführt haben.

(Jörg Tauss [SPD]: Oh!
Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na! Ich habe kein Problem damit!)

Mich freut es natürlich, dass auch die Kollegin Philipp die Zeitung Neues Deutschland liest. Das ist für den Erkenntnisgewinn auf jeden Fall sinnvoll. Ich teile in der Tat die Einschätzung des Kollegen Bürsch, dass dieser Punkt am Ende stehen muss und dass es im Moment wirklich bedeutend dringlichere Fragen im Bereich des Datenschutzes zu beantworten gilt.

Zum Ersten zum Antrag der Grünen mit dem Titel »Informationspflicht für Unternehmen bei Datenschutzpannen Einführen«. Angesichts des Telekom-Skandals - es sind 17 Millionen Kundendaten verschwunden - ist er natürlich äußerst sinnvoll und dringlich. Deswegen wird er von uns natürlich völlig unideologisch unterstützt; denn die Schlamperei bei der Telekom ist ja nun wirklich nicht zu fassen.

(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wahr!)

Deswegen ist dieser Antrag richtig. Man muss sagen, dass er ja auch schon seit fast zwei Jahren hier im Umlauf ist.

(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, nichts von unseren Anträgen ist neu! Seit 2006!)

Hätte man so etwas früher beschlossen, dann hätten wir den Telekom-Skandal vielleicht vermeiden und den Handelnden bedeutend entgegentreten können. Die Bundesregierung hat einige richtige Vorschläge gemacht, wie beispielsweise eine Ausweitung der Bußgeldtatbestände. Auch die Auskunftsrechte wurden ein Stück weit gestärkt. Das ist aber erst ein Achtel des Weges. Dort ist man dann wieder einmal stehen geblieben.

Eines geht natürlich nicht, das will ich schon deutlich sagen, dass nämlich die Bundesregierung, die Union und die SPD sagen das ist ihre Taktik, dass das Problem des Datenschutzes offensichtlich nur ein privatwirtschaftliches Problem bzw. ein Problem ist, das jeder Bürger irgendwie für sich selber lösen kann. Das ist nachweislich falsch; denn im Bereich des Datenschutzes ist bei dieser Bundesregierung der Staat das Hauptproblem. Das muss ganz klar gesagt werden.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Hauptproblem ist Schäuble!)

Um das zu belegen, nenne ich nur ein paar Punkte: Anti-Terror-Datei, eine völlig inakzeptable Ausstattung des Bundesdatenschutzbeauftragten, mehrere Fluggastdatenabkommen, Einführung biometrischer Merkmale erst in Pässen, jetzt in Ausweisen, Übertragung von Geheimdienstaufgaben an die Polizei usw. usf. Man bräuchte 30 Minuten Redezeit, um das alles hier vorzustellen.

Dies zeigt, dass die Taktik nicht funktioniert, das an die Privatwirtschaft zu delegieren und gleichzeitig zu sagen, dass man ein sehr guter Datenschützer ist. Hier muss man beim Staat anfangen, den Datenschutz wieder einzufordern.

Um konkret zu werden, sage ich, dass wir folgende Dinge brauchen: Erstens. Wir brauchen eine massive Aufstockung der Ressourcen des Bundesdatenschutzbeauftragten - das ist mehrfach richtig gesagt worden - und übrigens auch ein Sonderprogramm - darüber müssen wir in Verhandlungen mit den Ländern treten - für die Landesdatenschutzbeauftragten. Auch das ist eine ganz wichtige Sache.

Zweitens brauchen wir hier und heute ein sofortiges Moratorium für alle Großprojekte, die den Datenschutz tangieren, wie der elektronische Einkommensnachweis, der biometrische Personalausweis und die elektronische Gesundheitskarte. Das muss auf Eis gelegt und, was ihre Kompatibilität mit dem Datenschutz und den Grundrechten angeht, von neuem diskutiert werden.

Drittens brauchen wir - auch das ist schon angesprochen worden - eine wirkliche Modernisierung des Datenschutzgesetzes,

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Nun ist die Zeit!)

das aus Zeiten stammt, in denen man es noch in Stein gemeißelt hat. Das ist völlig daneben. Ich bin seit drei Jahren Mitglied des Bundestages, ich bin also noch ein Neuling, und ich glaube, jedes Jahr verabschieden wir eine gemeinsame Beschlussempfehlung, an der sich sogar die Linken beteiligen dürfen, in der wir eine Modernisierung des Datenschutzgesetzes fordern. Was aber ist passiert? Nichts. Das kann ich nicht verstehen. Jetzt ist es an der Zeit - sehr richtig, lieber Kollege Bürsch - das endlich umzusetzen.

Viertens sind die Regelungen zum Scoring im Gesetzentwurf der Bundesregierung ungenügend. Notwendig ist ein Verbot des Geo-Scorings. Denn es kann nicht sein, dass die Kreditwürdigkeit und damit auch die Lebensgestaltung von der sozialen Herkunft und dem Wohngebiet abhängig ist. Deswegen brauchen wir ein sofortiges Verbot des Geo-Scorings. Damit würde man im Übrigen viel für die soziale Gerechtigkeit tun.

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Da sind wir uns einig! Das wird so kommen!)

Fünftens. Die SPD ist gerade nach einer Schreckwoche engagiert dabei - das fanden auch die Linken und ich sehr gut - die Pläne zum Bundeswehreinsatz im Innern zu versenken. Das unterstützen wir.

(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber komplett versenken!
Dr. Michael Bürsch [SPD]: Wir haben nur einen Tag gebraucht!)

Vielleicht kann man aus dieser Schreckwoche noch dadurch Nutzen ziehen, dass das BKA-Gesetz und die Onlinedurchsuchungen gleich mitversenkt werden. Denn sie bedeuten einen ganz erheblichen Eingriff in die Grundrechte. Diese Chance könnten Sie jetzt nutzen.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Bundeswehr im Innern auch gleich!)

- Richtig. Das meinte ich ja: den Bundeswehreinsatz im Innern sowieso. Ich komme zu unserem sechsten konkreten Vorschlag, der sich auf die Vorgänge bei der Telekom und die Beschlusslage zur Vorratsdatenspeicherung bezieht.

Angesichts dessen, was damit an zusätzlichen Daten Unternehmen wie der Telekom auf Anweisung des Staates in die Hand gegeben wird, brauchen wir eine sofortige Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung und auch auf europäischer Ebene komplett neue Verhandlungen. Das Vorhaben muss umgehend gestoppt werden.

Siebtens. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, bei allen weiteren Gesetzgebungsverfahren - das gilt übrigens gerade für Fragen im sozialen Bereich, zum Beispiel beim SGB II - den Datenschutz mit einzubauen. Die Frage des Datenschutzes haben Sie im Zusammenhang mit dem SGB II mit mehrfacher Fristverlängerung beantwortet. Dagegen konnten wir nicht viel sagen, weil es in diesem Bereich kaum Datenschutz gibt. Insofern war das eine richtige Antwort. Die Frage des Datenschutzes und der Grundrechte muss in allen Bereichen der Politik mitbedacht und diskutiert werden.

Achtens und letztens wurde in den gemeinsamen Beschlussempfehlungen aller Fraktionen - ich bin, wie gesagt, erst seit drei Jahren im Bundestag, aber das soll auch in den letzten Legislaturperioden der Fall gewesen sein - ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz gefordert. Spätestens nach den Vorfällen bei Lidl, wo bis in die Umkleiden hinein Videokameras angebracht worden waren, ist es an der Zeit, dass wir Beschäftigte vor der Ausspähung durch die Firmen schützen.

Deswegen brauchen wir endlich einen Arbeitnehmerdatenschutz, wie er schon mehrfach gefordert worden ist. Passiert ist aber nichts. Wenn wir diese acht Punkte zusammen mit vielen anderen sinnvollen Vorschlägen umsetzen würden, dann hätten wir etwas für den Datenschutz und die Grundrechte erreicht. Dann könnten wir so, wie wir es im Neuen Deutschland diskutiert haben, Silke,

(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darauf bist du stolz!)

auch hier alle zusammen diskutieren, wie wir es mit dem Grundgesetz halten.

(Gisela Piltz [FDP]: Wir sind hier keine Werbeveranstaltung für die Zeitung!)

Ich glaube, dass die Debatte in der Tat am Ende eines Prozesses stehen muss. Denn jetzt und heute geht es darum, das bestehende Grundgesetz gegen Onlinedurchsuchungen, das BKA-Gesetz und den Bundeswehreinsatz im Innern zu verteidigen. Das steht heute auf der Tagesordnung. Wenn wir das geschafft haben, dann können wir auch über diesen Vorschlag diskutieren.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

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