Mr. Slowhand und der Blues
Wenn gutsituierte verheiratete Oberstudienräte sich blaue Müllsäcke überziehen, muss es wirklich ziemlich schlimm regnen. So auch am Samstagabend auf der Berliner Waldbühne. Pünktlich zum Auftritt der Rocklegende Eric Clapton (»Mr. Slowhand«) regnete es aus vollen Kübeln und man konnte eine exklusive Vorstellung bekommen über alle Farbrichtungen, die jemals in der Produktion von Regenjacken verwendet wurden. Der überwiegend etwas betagteren Fangemeinde tat dies aber keinen Abbruch, war man doch zu einer Zeremonie gekommen, um den wohl weltbesten Rockgitarristen zu huldigen. Der wiederum schlurfte gegen kurz nach acht in Jeans und Pullover auf die spartanisch gestaltete Bühne und begann grußlos dem Ursprung der modernen Musik zu frönen: dem Blues.
Seit nun schon mehreren Jahren ist diese Stilrichtung prägend in der Musik des 1945 geborenen Eric Clapton. Damit schließt sich ein Kreis zu den Anfängen seiner Karriere. Bekannt wurde er nämlich damals unter anderem durch die Zusammenarbeit mit dem Vater des britischen Blues, John Mayell. Nach diversen Bandprojekten wie den Yardbirds und der genialen Zusammenarbeit mit den Bass- und Schlagzeugvirtuosen Jack Bruce und Ginger Baker als Cream kann man zudem auf eine lange Solokarriere Claptons zurückblicken, die von musikalischer Qualität getragen wird und ihn zu einem der einflussreichsten Musiker unserer Zeit werden lässt.
Die derzeitige Tournee Claptons macht deutlich, dass Ruhm auch ein Nervpotenzial für den Künstler haben kann. Seine vom Radio mittlerweile völlig zerdudelten Welthits, wie »Wonderful Tonight« oder »Layla«, hat er handwerklich solide, aber uninspiriert vorgetragen. Die Darbietungen wirkten wie eine Verpflichtung an die über 15 000 Fans, die üppige 71,90 Euro für eine Karte hingelegt hatten. Umso heftiger dagegen und von reiner Spielfreude getragen, stellten sich die groovigen Bluesstücke dar.
Eine rockige Version des erstmals von Muddy Waters bekannt gemachten »Hoochie Coochie Man« bewies, dass Clapton einer der wenigen weißen Bluesmusiker ist, der auch tatsächlich »den Blues« hat. Dies wurde zudem unterstrichen durch eine Songreihe auf der Akustikgitarre, die der nunmehr 63-jährige Slowhand geschickt nutzte, um sich eine Weile hinzusetzen, ohne dabei alt auszusehen. Hier zeigte sich die tiefe Verbundenheit zu den Ursprüngen der Bluesmusik. Als ob man direkt in das Mississippidelta katapultiert worden wäre, gab es mit »Rock me Baby« oder »Motherless Child« wahre Perlen in der Kunst des vierviertel Takts. Spätestens bei diesem Set fiel ein Musiker in Claptons minimalistischer Band auf. Der ziemlich gealterte Chris Stainton lieferte sich auf dem Klavier wahre Soloduelle mit der jaulenden Fender Stratocaster von Clapton. Schon seit vielen Jahren arbeitet Clapton mit Stainton zusammen, der unter anderem als Pianist für Joe Cocker Rockgeschichte miterlebt hat.
Zum Ende des Konzerts wurde das Wetter etwas besser. Zehn Minuten regnete es mal nicht. Aber das war nun auch egal. Man war schließlich auf einem Rockkonzert, das weit zurückliegende Erinnerungen bei einem beträchtlichen Teil des Publikums geweckt haben dürfte. Das zumindest verrieten leuchtende Augen vieler Besucher. Eric Clapton entließ das selige Publikum mit einem alten, aktuellen Bluesstück. »Crossroads«, komponiert von Claptons großem Vorbild Robert Johnson Anfang des 20. Jahrhunderts, bekannt gemacht durch Cream und lebendig gehalten von Clapton. In der Pflege des Blues für viele Generationen liegt schon jetzt der historische Verdienst von Clapton.