Datenschutz: Öffentlicher Druck wie nie
Eine offene, demokratische Gesellschaft braucht Bürgerrechte und Datenschutz. Der misstrauische Staat hingegen sei das konservative Bild der letzten 200 Jahre. Jan Korte in seiner Rede zum Tätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Tauss, wenn Sie etwas Gutes für den Datenschutz in diesem Lande machen wollen, dann rate ich dringend davon ab, sich in der Koalition zusammenzusetzen. Denn wenn Sie zusammensaßen, ist bisher immer nur Schlechtes für den Datenschutz herausgekommen. Das kann man nach knapp drei Jahren schon beurteilen. Deswegen setzen Sie sich besser nicht zusammen.
Interessant an dieser Debatte, die wir jetzt haben, ist, dass es nach den Fällen Lidl, Telekom usw. einen öffentlichen Druck gibt, wie es ihn noch nie gegeben hat. Ich glaube, dass wir hier uns alle darin einig sind, dass wir über die kriminelle Energie empört sind. So weit, so gut.
Das Trennende beginnt an dem Punkt, dass ich glaube, dass Ihre Empörung ein Stück weit geheuchelt ist.
(Beatrix Philipp (CDU/CSU): Ach!)
Denn das politische Kernproblem ist, dass Ihre Maßnahmen und Ihre Gesetze, insbesondere die Vorratsdatenspeicherung, die Sie in den letzten drei Jahren verabschiedet haben, durch diese Skandale in Misskredit geraten sind und gesellschaftlich nicht mehr getragen werden.
(Beatrix Philipp (CDU/CSU): Das hat damit nichts zu tun!)
Das ist der Kern des Problems. Deswegen finde ich es notwendig, dass wir eine politische Debatte darüber führen, was für eine Sicherheitsarchitektur wir wollen.
(Beatrix Philipp (CDU/CSU): Das ist wieder eine Nebelbombe! Das stimmt überhaupt nicht!)
Was für ein Niveau von Datenschutz wollen wir? Das ist eine politische Entscheidung.
Der Bundesbeauftragte, Peter Schaar, hat ein paar Vorschläge dazu gemacht. Interessant ist soweit ich die Berichte gelesen habe , dass allein in den letzten drei Jahren der Bundesbeauftragte für den Datenschutz dreimal aufgefordert hat, endlich ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz vorzulegen. Nichts ist geschehen, obwohl er dies in den letzten drei Jahren in jedem Bericht gefordert hat.
Deswegen glaube ich, dass es in der nächsten Sitzungswoche an der Zeit wäre Sie haben das BKA-Gesetz, Stichwort »Onlinedurchsuchung«, auf die Tagesordnung gesetzt , noch einmal in sich zu gehen und das sage ich insbesondere an die SPD gewandt zu überlegen,
(Jörg Tauss (SPD): Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts haben Sie gelesen?)
ob man das so weiter mitmachen und sich von Minister Schäuble und der Law-and-Order-Fraktion treiben lassen will. Sie müssen entscheiden, was Sie wollen.
(Beatrix Philipp (CDU/CSU): Law and Order? Ist das etwas Schlechtes?)
Solche Überlegungen fände ich äußerst interessant. Mit der Union kann ich ja umgehen, weil ich weiß, was kommt. Bei jedem Gesetz, das vorgelegt wird, weiß ich, was darin steht: Es ist nicht gut und bedeutet eine Verschärfung der inneren Sicherheit. Damit kann ich umgehen. Bei der SPD weiß ich es leider nie.
(Wolfgang Gunkel (SPD): Das ist das Gute! Immer offen!)
Das ist ja das Problem. Sie sagen erst, sie würden etwas nicht mitmachen, machen es dann aber trotzdem. Dadurch wird es schwierig.
Der Kern der Auseinandersetzung ist das ist in der Tat eine Auseinandersetzung mit den Konservativen das Gesellschaftsbild, das man hat. Hat man ein Bild von einer offenen Gesellschaft, von mündigen, aufrecht marschierenden Bürgerinnen und Bürgern, die sich nichts sagen lassen?
(Ralf Göbel (CDU/CSU): Wie Herr Gysi es hatte?)
Ist das das Bild, das man will? Oder das ist das Problem der Konservativen in den letzten 200 Jahren ist ihnen die offene Gesellschaft suspekt?
(Beatrix Philipp (CDU/CSU): Falsch!)
Misstrauen allseits - das ist das konservative Bild der letzten 200 Jahre.
(Beatrix Philipp (CDU/CSU): Immer noch falsch!)
Darüber sollten wir streiten. Denn eines ist klar: Wenn man die offene Gesellschaft, den aufrechten Gang, Aufmüpfigkeit und Ungehorsam will das wollen zumindest wir , dann muss man die Privatsphäre sichern und schützen, damit die Menschen einen Rückzugsraum haben, in dem sie sich zum Beispiel überlegen können, wie sie in der nächste Woche in der Gesellschaft aufmüpfig agieren. Das ist Ihnen suspekt. Wir hingegen finden das total klasse. Deswegen trennen sich unsere Gesellschaftsbilder.
(Beifall bei der LINKEN Beatrix Philipp (CDU/CSU): Ohne rot zu werden!)