Kein Sozialismus ohne E-Gitarre
Will man ein John Fogerty Konzert besprechen, so muss man zuerst das Publikum betrachten. Am Sonntagabend drängten sich die John Fogerty-Fans vor dem Eingang der Zitadelle in Spandau. Eigentlich sollte der Einlass ab 18 Uhr stattfinden, verzögerte sich aber aufgrund unbekannter Umstände um eine Stunde. Was bei anderen Konzerten zwangsläufig zu Ärger geführt hätte, wurde am Sonntagabend gemächlich erduldet. Vielmehr unterhielt man sich über Konzertereignisse, die etwa 20 bis 30 Jahre zurückliegen und dass es damals ja eh besser gewesen ist. Dominierend war ein Altersdurchschnitt von Mitte 50 bis Mitte 60, vom Habitus ableitend stellten Lehrer und Sozialpädagogen einen beträchtlichen Anteil - vermischt mit gelegentlich distanziert-begeisterten Söhnen und Töchtern.
Dem Publikum entsprechend begann der Gründer, Sänger und Songwriter der legendären Creedence Clearwater Revival (CCR) seinen Auftritt mit dem Klassiker »Born on the Bayou« und beförderte die Fans zurück in die sechziger und siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts.
Fogerty, immer noch längliche Haare, enge Jeans und ein Arbeiterhemd tragend, versuchte glücklicherweise gar nicht erst zu experimentieren. Vielmehr gab er dem Publikum was es wollte: Gitarrengeprägten Rock in seiner minimalen Variante, dabei ehrlich, laut und schmutzig. Mit drei Gitarren auf der Bühne ging es durch das Programm der revolutionären Zeit des Rock and Roll und auch die Söhne und Töchter konnten bei »Bad Moon Rising« oder »Have you Ever Seen The Rain« einen Hauch des Lebensgefühls ihrer Eltern erahnen.
Wer also in diesen Zeiten viel und ausführlich über »68« und den damaligen Aufbruch redet oder schreibt, der kann an dieser Musik nicht vorbei gehen. Dieser Rock war der künstlerische Begleiter und Antreiber der gesellschaftlichen Protestbewegungen. Spätestens mit der Intonation von »Fortunate Son« bot Fogerty die Hymne der Vietnamkriegszeit an und machte deutlich, welch kraftvolle Rockmusik die amerikanische Kultur hervorgebracht hat und warum man mit plattem Antiamerikanismus die Entwicklung von Rebellion und Integration nicht begreifen kann.
Der 1945 geborene John Fogerty vermittelte auf seinem Berliner Konzert, dass die E-Gitarre das wundervollste Rockinstrument ist, was überhaupt zum Einsatz gebracht werden kann. Die Virtuosität eines Eric Clapton besitzt er nicht. Aber das Entscheidende hat er: Er hat den Rock und zeigt, dass eine vermeintliche Kritik am musikalischen Stehenbleiben völliger Unsinn ist: Man kann bei seinem Rappen bleiben, ohne dabei peinlich zu sein. Das unterlegt Fogerty auch mit seinem jüngsten Album »Revival«, das erdige Rocksongs mit seiner rauchigen Stimme garniert. Auch wenn das Publikum, welches an solchen Abenden gerne mal die (zu eng gewordene) Lederweste überstreift, vielleicht nicht mehr das revolutionäre Subjekt ist, so ist aber der Musikgeschmack nach wie vor zu loben.
Ohne Fogerty und CCR sind AC/DC und andere nicht denkbar. Die vermeintlichen neuen Rockbands können da einpacken. Klar ist nach dieser sommerlichen Zeitreise: Kein Sozialismus ohne ausreichende E-Gitarren-Versorgung!
Erschienen in Neues Deutschland