Keine Fingerabdrücke in den Personalausweis
Ganze 88 Fälle von Fälschungen von Personalausweisen gab es im Zeitraum von 2001-2007. Trotzdem will die Bundesregierung des Personalausweis mit Fingerabdrücken versehen. Jan Korte spricht sich in seiner Rede gegen diese Pläne aus.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um Hysterie geht es hier wirklich nicht. Der CDU/CSU ist nämlich - das hat sie diese Woche eindrucksvoll gezeigt - wirklich alles zuzutrauen. Deswegen kann einen gar nicht genug schaudern. Sicher ist, dass die SPD im Zweifel umfallen wird. Daher ist dieser Antrag richtig.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir wollen zur Versachlichung der Debatte beitragen; das ist unsere Art.
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Der war gut!)
Zurzeit sind 62 Millionen Personalausweise im Umlauf. Wir haben die Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage Folgendes gefragt:
Wie viele Fälschungen oder Verfälschungen von deutschen Personalausweisen sind seit 2001 auf welche Art und Weise und bei welcher Gelegenheit aufgedeckt worden? Die Bundesregierung antwortete - ich zitiere -: Für den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis einschließlich 30. September 2007 sind insgesamt 495 Urkundendelikte … registriert. Dabei handelt es sich in 88 Fällen um Totalfälschungen sowie in 128 Fällen um Verfälschungen von deutschen Personalausweisen.
(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: So viel?)
Also 495 Urkundendelikte bei 62 Millionen in Umlauf befindlichen Personalausweisen. In Ihrer Sprache würde man sagen: ein wirklich deutsches Spitzenprodukt. Es gibt überhaupt keine Handlungsnotwendigkeit für das, was Sie hier planen.
(Beifall bei der LINKEN)
Außerdem haben wir die Bundesregierung Folgendes gefragt - das ist die entscheidende Frage; es geht ja um mehr Sicherheit, wie Sie suggerien -: Bei wie vielen der durchgeführten oder geplanten und aufgedeckten oder verhinderten vermutlichen terroristischen Anschläge seit dem Jahr 2000 spielten bei Planung und Durchführung gefälschte deutsche Personalausweise eine Rolle …? Die Antwort der Bundesregierung war kurz und knapp und ausnahmsweise klar: Der Bundesregierung sind keine derartigen Fälle bekannt.
(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Na, so was!)
Damit ist doch völlig deutlich geworden, worum es hier geht: Es geht hier nicht um mehr Sicherheit, sondern um Datensammelwut.
Kollege Binninger, Sie haben doch selber vorgeschlagen, dass die Schaffung einer Referenzdatei das Ziel sein müsse. Dieses Ziel zu erreichen, wird mit der SPD in den nächsten drei Monaten wahrscheinlich nicht zu machen sein. Ich wiederhole: Sie haben diesen Vorschlag gemacht. Es ist in diesem Falle richtig, davor zu warnen.
Ich fasse zusammen: Diese biometrischen Merkmale bringen nicht mehr, sondern weniger Sicherheit. Unsere jetzigen Standards sind absolut sicher; das sagen Sie selber.
Die Debatten über einen neuen Reisepass sind noch absurder. In einer Anhörung im Innenausschuss sagten mehrere Sachverständige, die RFID-Technik bewirke mehr Unsicherheit. Viele entgegneten: Nein, so ist das nicht. Schließlich hat der BKA-Präsident - er steht nicht im Verdacht, für uns zu arbeiten - seinen Reisepass he-rausgeholt, den er in Alufolie eingewickelt hatte, um zu verhindern, dass seine darauf gespeicherten Daten ausgelesen werden. Das sagt doch wohl alles. Es geht hier um weniger Sicherheit. Das, was Sie machen, ist also grob fahrlässig.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Deswegen unterstützt die Linke diesen Antrag. Ich finde, man muss noch weit darüber hinausgehen: Mit Blick auf die Sicherheitsgesetze, die in den letzten zweieinhalb Jahren von der Bundesregierung, von Innenminister Schäuble, vorgestellt worden sind, brauchen wir eigentlich ein grundsätzliches Moratorium für alle Planungen im Sicherheitsbereich.
(Beifall des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])
Wir müssen innehalten und wirklich einmal darüber diskutieren: Was bringt mehr Sicherheit? Ist die Verhältnismäßigkeit überhaupt noch gewahrt? Wir fordern dazu auf, nicht nur die Planungen zur Einführung biometrischer Merkmale im Personalausweis einzustellen, sondern auch innezuhalten, ein Moratorium zu verabschieden sowie grundsätzlich und kritisch, auch mit Bürgerrechtsorganisationen, über den Weg der weiteren Sicherheitspolitik in diesem Lande zu diskutieren.
Schönen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])