Keine Volkszählung
In seiner Rede im Deutschen Bundestag wendet sich Jan Korte gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Zensusvorbereitung. Man könne dem Gesetz nicht zustimmen, weil offene Fragen zum Schutz und zur Verwendung der Daten nicht beantwortet seien. Generell sei der Nutzen des 500 Mio. Euro teuren Vorhabens nicht klar.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann trefflich darüber streiten, ob es im Hinblick auf den Datenschutz ein Fortschritt ist, dass ein registergestützter Zensus und nicht eine Vollerhebung mit Fragebögen durchgeführt werden soll. Wenn ich einen Fragebogen ausfülle, kann ich mich einmal nicht so genau erinnern oder, wenn ich gar keine Lust habe, etwas preiszugeben, falsche Angaben machen. Das ist jetzt nicht möglich. Deswegen kann man darüber trefflich streiten.
(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Herr Korte macht heute einen sehr ambitionierten Eindruck!)
Ich möchte drei Anmerkungen machen. Zum Ersten finde ich eines etwas merkwürdig: Am Montag dieser Woche haben wir, was erfreulich war, eine Anhörung zu diesem wichtigen Thema, das auch hier für enorme Emotionalität sorgt, durchgeführt. Von den Datenschützern wurden einige Bedenken vorgetragen, über die wir diskutiert haben.
(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Hat er seine Rede vom letzten Mal eigentlich schon umgeschrieben?)
Aber was geschieht drei Tage später? Drei Tage später steht die abschließende Beratung dieses Gesetzentwurfs auf unserer Tagesordnung. Das ist vom Verfahren her nicht in Ordnung. Wer so vorgeht, der nimmt die Sachverständigen nicht ernst. Wir wollen nach Möglichkeit einen Erkenntnisgewinn erzielen. Dafür bräuchten wir allerdings erst einmal das Protokoll der Anhörung. Erst auf dieser Grundlage könnten wir den Gesetzentwurf noch verändern.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Maik Reichel (SPD): Sie haben nicht zugehört!)
Es wurde versucht, in diesem Entwurf eines Vorbereitungsgesetzes im Hinblick auf die Datenerfassung Schranken zu setzen. Gleichzeitig werden diese Schranken aber infrage gestellt. Mit diesem Gesetzentwurf wird die Intention verfolgt, die Daten aus der Statistik nicht in die Verwaltung zurückfließen zu lassen. Das ist ausdrücklich zu begrüßen, da man sich Mühe gegeben hat, die Trennung von Statistik und Verwaltung aufrechtzuerhalten.
Gleichwohl glaube ich, dass das ein leeres Versprechen ist; denn es geht darum, ob sich das in der Praxis bewährt. Hier habe ich erhebliche Zweifel, insbesondere deshalb, weil uns die Sachverständigen, die aus Stuttgart angereist sind, deutlich gemacht haben, dass sie für ihre Stadtverwaltung nach Möglichkeit alle Daten, die es gibt, gerne bekommen würden. Ich denke nicht, dass dem durch dieses Vorbereitungsgesetz Einhalt geboten werden kann.
Der zweite Punkt, den wir kritisieren – darauf hat auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, hingewiesen –, hat mit der Gebäudezählung und dem Adressenabgleich zu tun. Die Bundesregierung sagt selbst, dass es bisher kein Verfahren gibt, um eine Endanonymisierung vorzunehmen, dass also eine Identifizierung der Bewohnerinnen und Bewohner möglich ist.
(Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das muss im Durchführungsgesetz geregelt werden!)
Das ist der entscheidende Grund, warum wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen können.
Zur dritten Bemerkung, die ich machen will. Natürlich handelt es sich nicht um irgendwelche Daten, die gesammelt werden sollen. Frau Köhler, ich finde, der Fehlerquotient der Daten – rund 1,5 Millionen bei rund 82 Millionen Einwohnern – ist relativ gering. Das hört sich geradezu so an, als seien alle Daten, auf deren Basis Sie bisher Politik machen, grundfalsch; das denke auch ich des Öfteren. Das würde eine Zählung allerdings notwendig machen. Denn dann hätten Sie wirklich fast gar keine Daten.
(Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU): Haben Sie wirklich Soziologie studiert? Das merkt man leider gar nicht!)
Aber es ist doch wohl nicht so, dass wir überhaupt keine Datengrundlage haben.
Grundsätzlich möchte ich Ihnen sagen: Natürlich ist das Sammeln von Daten, zu welchen Zwecken auch immer – es gibt solche und solche –, nicht in dem einen Fall grundsätzlich unproblematisch und in einem anderen Fall grundsätzlich problematisch. Das sage nicht nur ich, sondern das sagt auch jemand, der unverdächtig ist, bei uns tätig zu sein. Der ehemalige BND-Präsident Hansjörg Geiger hat heute – das ist also ganz aktuell – zur Verarbeitung von Daten gesagt: »Daten, die einmal da sind, werden weiter genutzt, Versprechen hin oder her.» Das ist mir wichtig. Ich finde, dass Sie einen sensiblen Umgang mit diesen Fragen leider sehr vermissen lassen.
(Beifall bei der LINKEN)
Der letzte Grund, warum wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen können, ist, dass darin nicht konkret dargelegt wird – auch das wurde in der Anhörung teilweise angesprochen –, warum wir diese Volkszählung überhaupt brauchen; das ist nicht klar. Sie kostet 500 Millionen Euro. Jetzt wird der Einwand angeführt, dass die EU ein Strafgeld androht. Das ist natürlich richtig. Aber man könnte doch erst einmal abwarten, ob diese Strafe nicht vielleicht niedriger ausfällt als der Betrag von 500 Millionen Euro, den wir für die Volkszählung ausgeben müssten.
(Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): So ein Quatsch!)
Wir erkennen nicht den Nutzen dieser Volkszählung. Hier wird mit ungeheuren Mengen von Daten und mit Daten der Bundesagentur für Arbeit herumhantiert. All das halten wir für relativ bedenklich.
(Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU): Sagen Sie einmal, Herr Korte: Haben Sie auch nur eine einzige Statistikvorlesung besucht?)
Hier muss noch massiv nachgebessert werden. Deswegen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. Wir bleiben im Gegensatz zu den Grünen konsequent.
Schönen Dank.
(Beifall bei der LINKEN - Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das musste ja wieder kommen!)