Fluggastdatenweitergabe an USA auf Kerndaten reduzieren
Jan Korte zum Tagesordnungspunkt »Konsequenzen ziehen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 30. Mai 2006 zur Weitergabe europäischer Fluggastdaten an die Vereinigten Staaten von Amerika«.
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
wer aus Europa in die USA fliegt, wird durchleuchtet, so titelte eine Tageszeitung Anfang diesen Jahres. Dieser Auffassung waren nicht zuletzt auch die Mitglieder des Europäischen Parlaments, als sie ihre Kritikpunkte an dem Abkommen zwischen der EU und den USA zur Übermittlung von Fluggastdaten benannten.
Auch der Europäische Gerichtshof hatte Probleme mit dem 2004 geschlossenen Abkommen und kippte das Verfahren im Mai 2006, vor allem aus juristischen Gründen. Eilig wurde daraufhin nachverhandelt und nun haben wir ein so genanntes Interimsabkommen, das noch bis Juli 2007 Gültigkeit besitzt.
Im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft obliegt es nun der Kanzlerin und ihrem Fachminister, Wolfgang Schäuble, ein neues, langfristiges Abkommen zwischen der Union und den USA auszuhandeln. Die Verhandlungen stehen jedoch aus Sicht der Linksfraktion unter keinem guten Stern. Haben wir doch miterleben müssen, wie zum einen die US-amerikanischen Behörden verabredete Zusagen über das Verfahren der Übermittlung und die Verwendung der Daten nicht eingehalten haben. Zum anderen erleben wir, wie uns die Bundesregierung seit 2004 detaillierte Informationen zu den beiden bisherigen Abkommen verweigert. So wurde zum Beispiel vereinbart, dass einmal im Jahr eine Überprüfung der Datenweitergabepraxis stattfinden soll. Diese fand bisher nur ein einziges Mal statt. Die Ergebnisse werden seitdem geheim gehalten.
Überhaupt scheint vieles im Dunkeln zu liegen, wenn man nach den konkreten Verabredungen des Interimsabkommens fragt. Recherchen einer Nachrichtenagentur ergaben im Dezember 2006, dass die 34 übermittelten personenbezogenen Daten von Flugpassagieren mit Ziel Vereinigte Staaten, mit anderen Daten verknüpft, bis zu 40 Jahre gespeichert und die Reisenden nach ihrem individuellen Sicherheitsrisiko bewertet werden. Alles unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Terrorismus. Technisch wird dieses bürgerrechtsfeindliche Vorgehen von US-amerikanischer Seite durch das so genannte ATS, das »Automated Targeting System», flankiert. Die Existenz und Nutzung des Systems soll den EU- und bundesdeutschen Verantwortlichen nicht bekannt gewesen, und erst im November, durch einen Vermerk im »Federal Register», öffentlich geworden sein. Seltsam, denn bereits im März 2005, also ein Jahr vor Abschluss des Interimsabkommens, hatte der Beauftragte des US-Zolls, Robert C. Bonner, in einer Anhörung vor dem Repräsentantenhaus, auf die Existenz und Nutzung des ATS aufmerksam gemacht. Die Empörung, besonders von Justizkommissar Frattini, war dennoch, zumindest gegenüber der Öffentlichkeit, groß. Zur selben Zeit erklärte aber Telmo Baltazar, Rechtsberater der Europäischen Union bei deren Vertretung in Washington und Unterhändler des Abkommens, dass die Risikobewertung von Reisenden durch das ATS im Einklang mit dem getroffenen Vertrag stünde. Zitat aus der Washington Post: »Die Risikoeinschätzung ist ein normales Werkzeug der Strafverfolgung».
Was sollen wir denn nun glauben. Einerseits steht der Umgang mit den europäischen Daten durch US-Behörden nicht im Einklang mit den Verabredungen, andererseits erklärt ein EU-Vertreter, dass darin kein Problem zu sehen sei.
Auch die Tatsache, dass die USA bis heute nicht von dem so genannten »pull-» auf das datenfreundlichere »push-Verfahren» umgestellt haben, trägt nicht gerade zur Vertrauensbildung bei.
Daneben bleibt festzuhalten, dass das sich in Anwendung befindliche Verfahren zur Übermittlung von Fluggastdaten, nicht mit den geltenden europäischen und nationalen Datenschutzbestimmen vereinbar ist. In eklatantem Maße wird hier gegen Grundrechte verstoßen, insbesondere gegen das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten.
Die Linksfraktion hat vor diesem Hintergrund einem Antrag der FDP im Innenausschuss zugestimmt und begrüßt die Initiative der Grünen. Gleichzeitig aber frage ich mich, warum in einigen zentralen Punkten der vorliegende Antrag der Grünen eher vorsichtig Kritik übt. So sind wir der Meinung, dass die Bundesregierung nicht nur auf eine »Reduzierung der 34 Datenelemente hinwirken» soll. Wir fordern in diesem Zusammenhang die Reduzierung auf die Kerndaten. Denn wozu brauchen die US-Behörden sensible Daten, wie die Kreditkartennummern und –Konten?! Ohne eine Korrektur in diesem Bereich können wir einem neuen Abkommen nicht zustimmen.
Auch wir vertreten die Auffassung, dass das Verfahren transparent gestaltet werden muss, dass das ATS für die Fluggastdaten nicht weiter genutzt werden darf, dass die sofortige Umstellung von »pull» auf »push» umgesetzt wird, dass kurze Speicherfristen vereinbart und ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden, dass eine strikte Zweckbindung der Daten vorgenommen und ein Verbot der Weiterleitung der Daten an US-Geheimdienste eingefordert werden muss.
In Bezug auf die bisherige Informationspolitik durch EU-Kommissar Frattini und Bundesinnenminister Schäuble, steht für uns außer Frage, dass Bundestag und Europäisches Parlament durch Mitbestimmung ihre Kontrollfunktion gegenüber Bundesregierung und EU wahrnehmen können müssen.
Für mich ist völlig unbegreiflich, dass zu diesem Thema erst am morgigen Tage - wir debattieren ja heute hier bereits über das Problem – ein Berichterstattergespräch mit Staatssekretär Peter Altmaier stattfinden soll.
Zum Schluss möchte ich deutlich sagen, dass wir eine umfassende Evaluierung der Datenweitergabepraxis fordern, die bisher nicht stattgefunden hat. Im Moment jedenfalls ist kein Sinn in der Datenübermittlung und Datenspeicherung zur Bekämpfung des Terrorismus zu erkennen.
Die einzige Evaluierung der nach 2001 veränderten Einreisebestimmung in die USA hat die US-Tourismusindustrie vorgenommen. Sie stellt fest: Viele Besucher empfänden die Behandlung durch die Grenzbeamten bei der Einreise in die USA als »schrecklich». Das Verfahren sei »unfreundlich und ineffizient». Das Resultat: Seit 2001 sind 58 Millionen Besucher weniger in die Staaten geflogen, 194.000 Arbeitsplätze in der Tourismusbranche sind weggefallen, Umsatzeinbußen von bis zu 94 Milliarden US-Dollar sind zu verkraften. Die Auswirkungen auf Europa sind darin noch nicht aufgeführt. Dass die derzeitige Praxis der Datenweitergabe an die USA nicht dem Wohle der europäischen Bürgerinnen und Bürger dient, sollte auch die deutsche Ratspräsidentschaft zur Kenntnis nehmen und dementsprechend handeln.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Zu Protokoll gegeben)