Neues Passgesetz: Ein wenig Licht, viel Schatten
»Innenminister Schäuble pflegt auch mit dem neuen Passgesetz seine Datensammelobsession. Auch dieses Mal plant der Innenminister einen weit reichenden Rechtsverstoß. Denn die Abrufbarkeit der biometrischen Daten für andere Zwecke kommt einer Speicherung der Daten auf Vorrat gleich«, kommentiert Jan Korte den vorgelegten Gesetzesentwurf. DIE LINKE. fordert von der Bundesregierung, »den Bürgerrechten und dem Datenschutz endlich die nötige Priorität einzuräumen«.
Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
im von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Passgesetzes ist ein wenig Licht, aber viel Schatten. Tatsächlich zu begrüßen sind Änderungen für Transsexuelle, deren Reisesituation deutlich verbessert wird, weil ihnen künftig erniedrigende Fragen und exzessive Leibesvisitationen an Flughäfen erspart bleiben. Das ist ein guter Schritt hin zur Wahrung der Würde dieser Menschen.
Mehr ist zum Thema Licht nicht zu sagen. Denn ansonsten tut die Bundesregierung, was sie immer tut. Ohne Not greift sie in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger ein und will nach einschlägiger Meinung rechtswidrig Daten speichern. Die Debatte um die Gesichtserkennung klingt mir noch in den Ohren. Nun geht es um die Speicherung von Fingerabdrücken. Nicht nur in Pässen, sondern auch im Personalausweis und anderen Dokumenten.
DIE LINKE lehnt dieses Ansinnen aus vielen Gründen ab. Ich nenne vier:
Erstens: Die Verschlüsselung der Daten auf den RFID-Chips ist nicht sicher. Experten ist es ohne große Mühe gelungen, bei den bisherigen Varianten die Daten der Chips, die kontaktlos per Funk übertragen werden, zu entschlüsseln. Die Bundesregierung gibt schon heute biometrische Daten aus der Gesichtserkennung preis, künftig sollen es die Fingerabdruckdaten und langfristig womöglich auch noch die Iris sein. Unbeschadet aller anderer Kritik an der Verwendung biometrischer Merkmale in Ausweisdokumenten sollte es doch einleuchtend sein, dass die Mindestanforderung, nämlich eine sichere Verschlüsselung und damit der verlässliche Schutz vor Missbrauch, gewährleistet sein müssen. Wird weiterhin auf eine sichere Technik verzichtet, gefährdet die Bundesregierung nicht nur die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger, sie geht auch das Risiko ein, dass die neuen Ausweisdokumente zwar teuer, aber mitnichten fälschungssicher sind, wenn sich jeder mit einem billigen Empfänger der Daten bedienen kann, die von Funkchips ausgesendet werden.
Zweitens: Die sichere Erfassung und Verwendung von Fingerabdrücken ist im Massenverfahren nicht möglich. Die optimistische Schätzung des Büros für Technikfolgenabschätzung besagt, dass die Fehlerquote bei zwei Prozent liegt. Das bedeutet, dass bei weit mehr als einer Million Bundsbürgern Daten fehlerhaft sein werden. Tendenz steigend. Die Konsequenz wird auch hier inquisitorisches Kontrollieren auf Flughäfen und bei Grenzübergängen sein, die für die Betroffenen nicht nur peinlich sind. Durch die hohe Fehlerquote kann es zu Verwechslungen kommen, die unschuldige Bürger womöglich mit Ermittlungsverfahren konfrontieren, in denen sie selbst technische Fehler nachweisen müssten, da die Behörden fälschlicher weise davon ausgehen, dass die Technik keine Fehler macht. Das Gegenteil ist der Fall. Ich halte es für unverantwortlich, eine derart unausgereifte Technik auf die Menschen loszulassen.
Drittens: Wie alle elektronisch hinterlegten biometrischen Daten wirkt auch der gespeicherte Fingerabdruck ausgrenzend, weil bei einer Vielzahl von Menschen dieses Datum nicht korrekt erfassbar ist. Ein weiterer Grund, von diesem irrsinnigen Vorhaben abzurücken, denn es grenzt Menschen mit Handicaps weiter aus.
Viertens: Jenseits der technischen Erwägungen stellt sich bei der Einführung biometrischer Ausweise auch besonders die Bürgerrechtsfrage. Die Linke hält biometrische Ausweisdokumente, so wie es beabsichtigt ist, für nicht vereinbar mit den Bürgerrechten. Die biometrischen Daten, die auf Funkchips in Ausweisdokumenten gespeichert werden sollen, sind personenbezogene Daten. Das heißt in der Konsequenz, dass sie einer strikten Zweckbindung unterliegen. Der Bundesinnenminister ist nicht in der Lage, diesen schlichten Grundsatz zu befolgen, denn die Daten der Gesichtserkennung sollen künftig beispielsweise zur Klärung von Bußgeldverfahren automatisiert herangezogen werden können. Zweck der Daten auf einem Ausweisdokument ist es aber doch, dass der Inhaber identifiziert und das Dokument seinem Inhaber eindeutig zugeordnet werden kann. Jede andere Verwendung der Daten wäre eine Erweiterung des Zwecks und damit eindeutig rechtswidrig.
Innenminister Schäuble pflegt auch mit dem neuen Passgesetz seine Datensammelobsession. Auch dieses Mal plant der Innenminister einen weit reichenden Rechtsverstoß. Denn die Abrufbarkeit der biometrischen Daten für andere Zwecke kommt einer Speicherung der Daten auf Vorrat gleich. Das allein ist ein Problem. Weil aber nicht nur Pässe, sondern auch Personalausweise von der Änderung betroffen sind – und das ohne Not – werden die biometrischen Daten fast aller Bundesbürger auf Vorrat gespeichert und in einer Referenzdatei zusammengeführt. Das ist in der Konsequenz nichts anderes als die Einführung einer universellen Personenkennziffer durch die Hintertüre. Und genau das ist nach einhelliger Meinung nahezu aller Experten nicht statthaft.
Ich stelle fest, dass die Technik für die Verwendung biometrischer Daten in Ausweisdokumenten weder sicher noch hinreichend leistungsfähig ist. Der Zweckbindungsgrundsatz wird durch die beabsichtigte Regelung verletzt. Die Maßnahme ist nicht verhältnismäßig, weil fatale Nebenwirkungen für die Betroffenen nicht minimiert, sondern billigend in Kauf genommen werden. Deshalb lehnen wir die Einführung des biometrischen Personalausweises ab, deshalb wollen wir die Fingerabdrücke nicht gespeichert haben, deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, den Bürgerrechten und dem Datenschutz endlich die nötige Priorität einzuräumen. Nehmen Sie sich deshalb die vorliegenden Anträge zu Herzen und lassen Sie ab von dieser Änderung des Passgesetzes.
Vielen Dank.
(Zu Protokoll gegeben)