Die Demokratie wird immer weiter geschwächt
»Der Haushalt des Innenministeriums ist ein Haushalt des Misstrauens, der Militarisierung der Innenpolitik und der Bespitzelung der Bürgerinnen und Bürger», kritisiert Jan Korte in seiner Rede im Deutschen Bundestag. DIE LINKE lehnt den Haushalt ab, weil er statt auf eine bürgernahe Polizei und Integration auf technische Überwachung, Aufrüstung der Geheimdienste und Privatisierung von Sicherheit setzt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich fange mit etwas Gutem an: Ich freue mich, dass Herr Bundesminister Schäuble diese Woche noch keinen Bundeswehreinsatz im Inneren gefordert hat. Das ist ein echter Fortschritt und das freut uns.
(Beifall bei der LINKEN)
Zum Einzelplan 06 muss ich aber feststellen, dass das »Programm zur Stärkung der Inneren Sicherheit» ein weiterer Schritt zum Demokratieabbau ist.
Dieser Haushalt ist durch drei Punkte gekennzeichnet. Erstens schreitet die Privatisierung von Sicherheit und Sicherheitsdienstleistungen voran. Zweitens wird das Trennungsgebot aufgehoben, das Polizei und Geheimdienste aus guten Gründen voneinander trennt. Drittens wird die Einschränkung von Grundrechten fortgesetzt.
Insgesamt sind in den letzten Jahren das muss man sich immer wieder vor Augen führen weit über 160 Gesetze zur Erhöhung der Sicherheit bzw. des Sicherheitsgefühls verabschiedet worden. Immer wieder wurden in den letzten Jahren wie auch in den letzten Tagen Bedrohungsszenarien an die Wand gemalt, die gar nicht verifizierbar sind. Eine ganze Zeit lang war es die organisierte Kriminalität, die als besonders bedrohlich galt. Dann waren es kriminelle Ausländer und jetzt ist es der internationale Terrorismus.
All das dient dazu, bei staatlichen Maßnahmen einseitig aufzurüsten, ohne zu diskutieren, zu evaluieren und in sich zu gehen, ob diese Maßnahmen etwas taugen.
(Beifall bei der LINKEN)
Denn bis dato waren die bisherigen Regelungen doch offensichtlich ausreichend, was die aktuellen Vorfälle auch belegt haben.
Zur Antiterrordatei ist viel gesagt und geschrieben worden. Hier wächst zusammen, was wahrlich nicht zusammengehört. Man kann es nicht oft genug wiederholen: Es war eine Lehre aus dem NS-Faschismus in Deutschland, dass es diese strikte Trennung geben muss und sollte. Ich finde, man darf die Erfahrungen aus dieser Zeit nicht vergessen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das konkrete Problem bei der Antiterrordatei besteht darin, dass es dabei um Gesinnungsschnüffelei geht. Dafür gibt es zwei deutliche Indizien: zum einen das Freitextfeld und zum anderen, dass auch die Religionszugehörigkeit gespeichert wird. Das bedeutet nichts anderes als die Pauschalverurteilung einer bestimmten Gruppe.
Wir prophezeien, dass wie beim großen Lauschangriff, beim Luftsicherheitsgesetz und bei einer exzessiven Rasterfahndung das Bundesverfassungsgericht auch der Antiterrordatei einen Riegel vorschieben wird. Ich bin auch sehr froh darüber, dass das Bundesverfassungsgericht ein Auge darauf hat.
(Beifall bei der LINKEN)
Der zweite Punkt, durch den der Haushalt gekennzeichnet ist, ist, dass die Dienste, insbesondere die Geheimdienste, mehr Mittel bekommen sollen. Das muss man sich einmal vorstellen: Ausgerechnet die Dienste, die offensichtlich der BND-Untersuchungsausschuss tagt gerade völlig außer Rand und Band geraten und in keiner Weise mehr zu kontrollieren sind, erhalten als Belohnung mehr Mittel.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich erinnere nur an die Bespitzelung von Journalisten, die Einzelschicksale el-Masri, Zammar und Kurnaz sowie last, but not least die ununterbrochene Bespitzelung von linken Bundestagsabgeordneten, wovon die Dienste im Moment reichlich Gebrauch machen. Statt diesen Diensten mehr Geld zu geben, sollte endlich dafür Sorge getragen werden, dass die Dienste wieder ins Lot kommen und einer parlamentarischen Kontrolle unterworfen werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Zurzeit führt jeder Euro mehr für die Dienste zu einer Selbstentmündigung dieses Hauses; das muss man so deutlich sagen.
Der dritte Punkt ist das so genannte »Programm zur Stärkung der Inneren Sicherheit». Das Verfahren ist schon zu Recht kritisiert worden. Was steht dort eigentlich? Das Gute an dem Programm ist, dass dort endlich einmal Klartext geredet wird. Unter Verzicht auf verschwommene Formulierungen wird dort deutlich gesagt, was man eigentlich vorhat. Drei Beispiele dafür:
Erstens. Dort steht zum weiteren Ausbau der Onlinedurchsuchung ich zitiere :
Ein wichtiger Baustein hierfür ist die technische Fähigkeit, entfernte PC auf verfahrensrelevante Inhalte hin durchsuchen zu können, ohne tatsächlich am Standort des Gerätes zu sein.
Das bedeutet nichts anderes als staatlich sanktioniertes Hacking in fremden Computern. Man greift also wieder in die geschützte Privatsphäre der Menschen ein. Nichts anderes steht in diesem Programm.
Zweitens. Sie sind wahre Sicherheitspopulisten, wenn es darum geht, auf die Ängste der Bevölkerung zu reagieren. Sie kennen lediglich eine Antwort: eine weitere technische Aufrüstung. Das steht auch in diesem Programm deutlich. Danach soll die Videoüberwachung inklusive Gesichts- und Mustererkennung drastisch ausgebaut werden. Das wird auf Dauer zu britischen Verhältnissen führen. In britischen Großstädten wird jeder Mensch mittlerweile 300-mal am Tag gefilmt. Diesen Weg wollen wir nicht gehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Hinzu kommt, dass mit der neuen Technik Bewegungsmuster erstellt werden, sodass sich niemand mehr im öffentlichen Raum unbeobachtet bewegen kann. Wir fordern eine Diskussion darüber, ob das ein Weg sein kann, um für mehr Sicherheit in der Bundesrepublik zu sorgen. Wir glauben, dass dem nicht so ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Drittens. Die Zusammenarbeit und insbesondere der Datenaustausch zwischen Bundesbehörden und privaten Sicherheitsfirmen sollen mit dem Programm forciert werden. Ich finde, es ist äußerst fragwürdig, die Privatisierung in solchen sensiblen Bereichen voranzutreiben. Die Fehlerquoten am Frankfurter Flughafen haben doch gezeigt ich zitiere den GdP-Vorsitzenden : »Von Sicherheit kann man nicht reden.» Die Privatisierung von öffentlicher Sicherheit ist zu privatisieren ist bei Ihnen ein beliebtes Vorgehen auf allen Politikfeldern grundsätzlich falsch. Ein erster richtiger Schritt wäre, gut ausgebildetes und vor allem gut bezahltes Personal auf dem Frankfurter Flughafen einzusetzen. Wer für 5 Euro brutto einen solchen Job macht, von dem kann man nicht erwarten das wird jeder Arbeitssoziologe bestätigen , dass er sich besonders engagiert.
(Beifall bei der LINKEN)
Für unsere Forderung nach einem Mindestlohn spricht damit auch ein Sicherheitsargument. Das sei aber nur am Rande bemerkt.
Was ist also zu tun? Wir sollten aufhören, die Sicherheit weiter zu privatisieren, und von flächendeckenden Überwachungen Abstand nehmen. Wir sollten außerdem keine unhaltbaren Sicherheitsversprechen machen; denn wir müssen uns kritisch fragen, ob die Gesetze und Maßnahmen, die mehr Sicherheit versprechen, nicht das zerstören, was sie eigentlich schützen sollen, nämlich die Freiheit und die Bürgerrechte. Hier ist eine ehrliche Analyse notwendig, aus der hervorgeht, was uns weiterbringt.
Zum Schluss ist festzustellen: Dieser Haushalt ist ein Dokument des Misstrauens gegen weite Teile der Bevölkerung. Er bedeutet einen weiteren Schritt in die totale Sicherheit in unserem Land. Unsere Demokratie wird dadurch jedes Jahr ein bisschen weiter geschwächt, aber in der Gesamtsumme ist das ein wirklich nicht mehr hinzunehmender Grundrechte- und Demokratieabbau. Ich frage Sie: Wann ist eigentlich Schluss? Wann haben wir nach Ihrer Meinung die größtmögliche Sicherheit erreicht? Diese Frage müssen Sie irgendwann einmal beantworten können. Das würde mich wirklich interessieren. Wann ist der Datenhunger der Dienste und der Bundesregierung gesättigt? Ich hoffe, dass es dann nicht zu spät ist. In diesem Sinne lehnen wir selbstverständlich auch diesen Einzelplan ab.
Schönen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)