Politik für die Menschen - nicht für schöne Statistiken
Rede zu Protokoll zur zweiten und dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik der Bevölkerungsbewegung und die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes (Bevölkerungsstatistikgesetz –BevStatG), Drucksache 17/9219
Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
wenn die Koalition aus Union und FDP oder die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen, der etwas mit Datenerhebungen zu tun hat, schrillen bekanntlich die Alarmglocken. Und das zu Recht: Meistens geht es dann ja darum, anlasslos Daten im Namen der Sicherheit zu sammeln, Bürgerdaten an die Meistbietenden verkaufen zu können oder der Wirtschaft neue Märkte zu erschließen. Ich erinnere hier nur an das Meldegesetz, das jetzt ja zumindest optisch korrigiert wurde; an die Fluggastdatenspeicherung oder an das unsägliche Arbeitnehmerüberwachungsgesetz, das Sie uns hier vorgelegt haben, und welches nun hoffentlich in einer abschließbaren Schublade ganz weit unten verschwunden ist.
Heute ist das allerdings etwas anders. Die Bundesregierung hat offenbar mal einen guten Tag erwischt, als sie beschlossen hat, diesen Gesetzentwurf für ein neues Bevölkerungsstatistikgesetz einzubringen, ohne irgendwelche weitergehenden Speicherpflichten, Erhebungsdaten oder sonstige Schweinereien mit einzubauen. Gut ist es, dass zukünftig keine Daten zur Religionszugehörigkeit erfasst werden. Vorausgesetzt man findet es vernünftig, die Zahl der Eheschließungen zu erfassen, ist es natürlich auch zeitgemäß, die Lebenspartnerschaften mit aufzunehmen. Zumindest so lange, bis in der Bundesrepublik alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, die gleichen Rechte haben: also alle heiraten dürfen, die es wollen.
An die Zukunft hat die Bundesregierung auch gedacht. Um – ich zitiere aus der Begründung – »Ansatzpunkte für familienpolitische Maßnahmen zu erhalten sowie die Wirkung entsprechender Maßnahmen auf die Geburtenentwicklung zu erkennen» sollen zukünftig die exakten Geburtsdaten von Eltern und Kindern erfasst werden, damit ausgerechnet werden kann, wie alt genau die Eltern bei der Geburt ihres Kindes waren. Hier hat der Schuh also bisher gedrückt in der Familienpolitik der Bundesregierung! Da ist es ja kein Wunder, dass gerade hunderttausende Kita-Plätze fehlen und die milliardenschweren Förderinstrumente bei der Familienpolitik sich als weitgehend wirkungslos herausgestellt haben. Aber das wird zukünftig, nach dieser Korrektur, sicherlich anders.
Wir sind uns – ganz im Ernst – bewusst, dass Politik Zahlen und Statistiken zur Orientierung benötigt. Die wichtige Frage, die wir uns stellen müssen, ist aber, wie viele das eigentlich sein müssen. Am Bevölkerungsstatistikgesetz, dem wir hier heute zustimmen, ist unter Datenschutzaspekten nichts auszusetzen. Aber da hört es ja leider nicht auf, wie wir zum Beispiel an der Volkszählung sehen können, die etliche Bürgerinnen und Bürger verpflichtet, persönlichste Daten offenzulegen. Und das wiederum um Zahlen für Statistiken zu produzieren. Je näher die Politik am Menschen ist – und ich meine hier tatsächlich den persönlichen Kontakt zu den Menschen, in unseren Wahlkreisen, wie auch die Stärkung demokratischer Mitentscheidungsrechte von Bürgerinnen und Bürgern – desto weniger ist sie von Zahlen abhängig. DIE LINKE würde es jedenfalls begrüßen, wenn wir hier im Bundestag weniger Politik für schöne Statistiken, und viel mehr Politik für die Menschen machen würden, die individuell von unseren Entscheidungen betroffen sind.
Vielen Dank.