Privatisierung der öffentlichen Sicherheit rückgängig machen
Rede zu Protokoll zur Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE »Privatisierung der öffentlichen Sicherheit rückgängig machen» (Drucksache 17/10810)
Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,
wir behandeln heute einen Antrag der Fraktion DIE LINKE, der zum Ziel hat, die Privatisierung der öffentlichen Sicherheit rückgängig zu machen. Die Branche der privaten Wach- und Sicherheitsdienste stellt mit 3.700 Unternehmen, die rund 171.000 Angestellte beschäftigen und jährlich einen Umsatz von 4,6 Milliarden Euro verzeichnen, einen nicht unerheblichen Wirtschaftssektor der Bundesrepublik dar. Sicherheit ist ein profitables Geschäft und die Branche boomt seit Jahren.
Das ist ja im Prinzip nichts falsches, könnte man meinen. Diese Zahlen beschreiben aber vor allem verschiedene negative Entwicklungen der letzten Jahre. Den Boom des Niedriglohnsektors zum Beispiel. Aber auch den schleichenden Rückzug des Staates und die Privatisierung von eigentlich öffentlichen Ordnungs- und Sicherheitsaufgaben.
Ich möchte das mit einer letzten Monat erschienenen Meldung des Bezirks Bundespolizei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) dokumentieren. Nicht zu irgendeinem allgemeinen sicherheitspolitischen Thema, sondern diesmal zu einem Punkt, von dem die Gewerkschaft wirklich etwas versteht: Den Arbeitsbedingungen der Bundespolizei und der privaten Luftsicherheitsassistenten an den Flughäfen. Die Gewerkschaft bemängelt, ich zitiere, dass »die Bundespolizei seit Jahren jeden frei werdenden Arbeitsplatz eines bundeseigenen Luftsicherheitskontrolleurs nicht mehr neu besetzt, sondern nur noch an einen privaten Sicherheitsdienst vergibt und dessen Mitarbeiter auf Stundenbasis ‚beleiht‘.» Der Vorsitzende der GdP Bundespolizei, Josef Scheuring, wird in dem Artikel auf der Gewerkschaftshomepage folgendermaßen zitiert: »Sobald der Arbeitsplatz nicht mehr mit Bundesbeschäftigten besetzt ist, sondern von ‚Beliehenen‘ privater Sicherheitsfirmen ausgeübt wird, beginnt das Diktat inakzeptabler Arbeitsbedingungen. Insbesondere durch die Anweisung von nur stundenweisen, über den ganzen Tag mit großen Lücken verteilten Einsatzzeiten, ist eine sinnvolle und verträgliche Organisation des Arbeitstages gar nicht mehr möglich.» Und weiter: »Durch die Beleihung dieser Aufgabe sind die Rahmenbedingungen massiv verschlechtert worden. Das hat gravierende Folgen für die dort eingesetzten Beschäftigten und für die Sicherheit.» Als Lösung für dieses Sicherheitsproblem schlägt die GdP vor, »den Fehler der Privatisierung rückgängig zu machen und sicherheitssensible Aufgaben wieder zurück in die öffentliche Hand zu holen.» Eine gute Idee. Aber was macht die Bundesregierung? Sie verfolgt lieber die Einführung von Nacktscannern, die dann von den unterbezahlten und prekär beschäftigten privaten Luftsicherheitsassistenten bedient werden sollen. Man muss sich das einmal vor Augen führen: In den letzten Jahren gab es einen Bürgerrechtseingriff nach dem anderen, im Namen der Sicherheit. Und wenn es nach Innenminister Hans-Peter Friedrich ginge, würden noch mehr Daten gesammelt und noch mehr Bürger überwacht. Diese Sicherheitsprojekte kosten übrigens Millionen, ohne dass ihr Nutzen bislang erwiesen wurde. Aber am Sicherheitspersonal wird gespart. Das ist eine absurde Sicherheitsstrategie. Liebe Kolleginnen und Kollegen in den Koalitionsfraktionen: Wenn Sie schon nicht auf uns hören wollen, dann hören Sie auf die Polizeigewerkschaften. In diesem Fall ist das völlig OK.
Ein anderer Punkt: Zunehmend werden Private Wach- und Sicherheitsdienste von Städten und Gemeinden damit beauftragt, im Rahmen von »public private partnership»-Modellen für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Obwohl immer wieder behauptet wird, private Sicherheitsfirmen hätten keine Sonderrechte, führen sie Tätigkeiten aus, die hoheitliche Befugnisse beziehungsweise Amtsträgerschaften erfordern. Die Erweiterungen ihrer Zuständigkeiten erfolgt dabei oftmals ohne ausreichende Deckung durch das geltende Recht. Denn theoretisch haben die Angestellten der Unternehmen keinerlei Befugnisse, die über die »Jedermannsrechte» – also Notwehr, Nothilfe und Festnahmerecht – hinausgehen.
In einigen Kommunen existieren sogenannte Citystreifen, das sind von der Kommune bestellte Privatstreifen, die gegen sämtliche Ordnungsverstöße im jeweiligen Stadtgebiet vorgehen sollen. Während ihrer Streifengänge erteilen die privaten Sicherheitsleute Platzverweise, stellen Personalien und begangene Ordnungswidrigkeiten fest, verhängen Buß- und Warngelder und führen Alterskontrollen durch. Tätigkeiten, die eigentlich in Zuständigkeit der Polizei fallen. Den Bürgerinnen und Bürgern wird der Eindruck vermittelt, die privaten »Ordnungskräfte» hätten hoheitliche Befugnisse und praktisch die gleichen Rechte wie die Polizei. Haben sie aber nicht – und zwar zu Recht: Private Sicherheitsleute sind nicht, wie die Polizei, dem Schutz der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern, sondern ihrem Arbeitgeber und ihrem Auftraggeber verpflichtet und werden alles Mögliche tun, um ihren Auftrag umzusetzen. Dass dabei oft, absichtlich oder in Unkenntnis der Rechtslage, Grenzen überschritten werden, ist genauso bekannt, wie die unterirdischen Arbeitsbedingungen in der privaten Sicherheitsbranche.
Im besten Fall sollen Sicherheitsdienste zu objektiver Sicherheit beitragen. In der Realität sieht das meist anders aus. Schwarze Sheriffs machen Bürgerinnen und Bürger eher Angst, als ihnen Sicherheit zu vermitteln. Das ist aber auch gar nicht im Interesse der Sicherheitsunternehmen. Der Politikwissenschaftler Volker Eick spricht davon, die Branche lebe »von der Dramatisierung vermeintlicher Kriminalitätsbelastungen». Diese Aussage ist keineswegs eine Gemeinheit gegenüber den privaten Sicherheitsdienstleistern: Es gehört schlichtweg zum Tagesgeschäft eines jeden privaten Unternehmens, den Bedarf nach dem eigenen Produkt oder der eigenen Dienstleistung hoch zu halten. Und Eick führt weiter aus: Es ließe sich beobachten, »wie das kommerzielle Sicherheitsgewerbe sozialpolitische Problemlagen zu kriminalpolitischen umdefiniert.» Tatsächlich wird privates Sicherheitspersonal im öffentlichen Raum oft eingesetzt, um die öffentlich sichtbaren Zeichen einer völlig verfehlten Sozialpolitik der letzten Bundesregierungen zu beseitigen oder zu kaschieren. Spätestens hier wird dann klar, dass es am Ende um das Geld machen geht und nicht um die tatsächliche Verbesserung der öffentlichen Sicherheit.
Wir fordern in unserem Antrag eine Politik, welche die Staatsquote in den Bereichen der öffentlichen Sicherheit erhöht, vordringlich in den sicherheitsrelevanten Bereichen der Bahn und der Flughäfen. Wir fordern klare Regelungen, die garantieren, dass keine in Grundrechte eingreifenden Aufgaben auf Private übertragen werden. Und wir fordern erhöhte Standards für die Aus- und Fortbildung des Personals von Sicherheitsfirmen sowie eine Bezahlung in nach den Tarifen des öffentlichen Dienstes. Denn es geht nicht nur darum, unmenschlichen Arbeitsbedingungen ein Ende zu setzen, sondern auch darum, dass private Sicherheitskräfte die rechtlichen Rahmenbedingungen ihres Handelns und die Rechte anderer kennen.
Und wir fordern die Abkehr von einer Politik der Inneren Sicherheit, die sich bewusst der rechtlichen Grauzonen bedient, die der Einsatz privater Sicherheitsdienstleister eröffnet. Als Teil der Exekutive des Staates ist die Polizei an Recht und Gesetz gebunden. Aus gutem Grund gibt es Gesetze, welche die Befugnisse der Polizei regeln. Jede Abweichung und jedes Bestreben, das staatliche Gewaltmonopol durch Kooperationen mit privaten Dienstleistern gleichzeitig zu verwässern wie zu erweitern, stellt eine erhebliche Gefährdung von Bürgerrechten und Demokratie dar. Dieser Gefahr wollen wir mit unserem Antrag entgegenwirken.
Auch wenn ich davon ausgehe, dass sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP dies aus ideologischen Gründen nicht hinbekommen werden, so hoffe ich doch, im Sinne einer nachhaltigen Stärkung von Demokratie und Bürgerrechten, dass sie unseren Antrag unterstützen werden. Selbstverständlich gilt dies auch für die Union, aber hier ist meine Hoffnung, dass sie eine vernünftige Politik zu machen in der Lage sind, noch geringer. Aber lassen wir uns überraschen.
Vielen Dank