"Keine Schwäche der Statistik"
Die Bundesregierung will am Themenkatalog der umstrittenen Statistik zu politisch motivierter Kriminalität festhalten und erkennt im Verbuchen der Teilnahme an Sitzblockaden unter "linker Kriminalität" keine "Schwäche der Statistik". Das hat das Innenministerium in einer Antwort auf eine schriftliche Frage von Jan Korte (Download s. unten) geschrieben, über die die Mitteldeutsche Zeitung berichtet.
Vor einigen Tagen stellte Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Statistik zur politisch motivierten Kriminalität für das Jahr 2013 vor. Sowohl im Statement des Ministers als auch in der von seinem Ministerium zeitgleich herausgegebenen Pressemitteilung spielte der Zuwachs der Fallzahlen von linker "politisch motivierter Kriminalität" (PMK) die Hauptrolle: "Auch insgesamt wird politisch links motivierte Gewalt zu einem größeren Problem." (Pressemitteilung des BMI vom 29.4.2014). Auf die Zunahme der Fallzahlen zu fremdenfeindlichen Gewalttaten um fast 20 Prozent wird zwei Absätze später eingegangen.
Dass nicht nur die Wertung des Bundesinnenministeriums, sondern auch die Erhebung der Zahlen an sich problematisch ist, hat kurz nach deren Vorstellung Spiegel-Online thematisiert: "Die Mär vom Anstieg der linken Kriminalität" Spiegel-Online vom 4.5.2014. Als PMK-links werden z. B. auch Sitzblockaden gegen Naziaufmärsche gewertet - wobei spätestens seit dem Fall Thierse bekannt ist, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an solchen Aktionen nicht unbedingt links, geschweige denn kriminell sind. In dem Artikel werden "Polizeikreise" zitiert, welche die Statistik als "abstrus" bewerten.
Jan Korte hat deshalb bei der Bundesregierung in einer schriftlichen Frage nach der Sinnhaftigkeit des Eingangs von Verstößen gegen das Versammlungsgesetz in die PMK-Statistik gefragt, sowie nach den Gründen weshalb das Innenminsterium - laut Spiegel-Artikel - eine Überarbeitung des Themenfeldkatalogs der Statistik anstrebt.
Die Bundesregierung hat Keine geantwortet, dass sie in der Erfassung "strafrechtlich relevanter politisch motivierter Verstöße gegen das Versammlungsgesetz keine Schwäche der Statistik" erkennt. Das heißt dann wohl, dass von der Bundesregierung keine Initiative ausgehen wird, die Teilnahme an z. B. Sitzblockaden gegen Nazis aus der Statistik politisch motivierter Kriminalität zu streichen. Man werde sich aber "entsprechend der Empfehlung des 2. Untersuchungsausschusses in der 17. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags (NSU-Untersuchungsausschuss) [...] für eine Überprüfung des Themenkatalogs PMK ein[setzen]".
Den in der Antwort der Bundesregierung aufgeführten Abschlussbericht des NSU-Ausschusses findet man hier: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/146/1714600.pdf, den zitierten Punkt 4 auf Seite 861. Wer den Absatz vor dem Punkt liest, dem wird klar, dass sich der Überarbeitungsauftrag des NSU-UA zum Themenfeldkatalog PMK sich nur auf politisch motivierte Kriminalität von rechts bezieht. Und so ist - wie schon die PMK-Statistik an sich - auch diese Antwort der Bundesregierung Zeugnis dafür, dass sie es immer wieder locker schafft, den Protest von Demokraten mit neonazistischen Gewalttaten in einen Topf zu werfen.
"Bundesregierung verteidigt statistische Erfassung" Mitteldeutsche Zeitung vom 19.5.2014
"Regierung hält an Statistik über politische Straftaten fest" neues neutschland vom 20.5.2014