"Mehr Scanner trotz Bedenken"
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Ende 2010 begann der Probebetrieb der ersten Körperscanner am Flughafen Hamburg. Bereits vor Beginn des ersten Einsatzes wurden Bedenken gegen die Inbetriebnahme der Körperscanner laut: So seien gesundheitliche Auswirkungen der von den Scannern verwendeten Terahertzstrahlen aufgrund fehlender Forschungen bisher unbekannt und die Diskriminierung von Menschen mit medizinischen Hilfen nicht ausgeschlossen. Auch wurde die mögliche Darstellung der Körpers von kontrollierten Passagieren als entwürdigend kritisiert.
Zwar wurde das Problem der entwürdigen Darstellung gelöst - die Scanner zeigen die Position vermeintlich detektierter Gegenstände auf einem neutralen Piktogramm an. Am 31. Juli 2011 wurde der Feldtest von Körperscannern am Flughafen Hamburg dennoch mit einer verheerenden Bilanz beendet: Fast die Hälfte der Alarme der Geräte waren unnötig ausgelöst worden. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage „Erfolgloser Feldtest mit Körperscannern in Hamburg“ BT-Drs. 17/7269 von Jan Korte zog die Bundesregierung den Schluss:
Aus der Vorbemerkung der Bundesregierung 2011:
„Die Tests haben aber auch gezeigt, dass die gegenwärtig zur Verfügung stehenden Geräte noch nicht für den allgemeinen Praxisbetrieb geeignet sind.“
Sie führte weiter aus, dass es insgesamt bei 69 Prozent der Kontrollen Alarme gegeben habe, wovon 15 Prozent berechtigt gewesen seien - also tatsächlich Gegenstände gefunden wurden. Unnötige Alarme gab es hingegen bei 49 Prozent der Kontrollen. Unter anderem hätten Schweißflecken, Taschentücher oder Kleiderfalten Alarme ausgelöst. In fünf Prozent der Fälle konnte gar nicht geklärt werden, warum die Geräte überhaupt einen Alarm gaben.
Trotz dieser Ergebnisse werden seit Ende 2012 wieder Körperscanner auf deutschen Flughäfen eingesetzt - und zwar nicht im Testbetrieb sondern im Praxiseinsatz. Insgesamt befinden sich 14 Körperscanner auf 6 unterschiedlichen Flughäfen. Sechs in Frankfurt am Main, drei in Düsseldorf, zwei in Stuttgart und jeweils einer in Hamburg, Berlin-Schönefeld und München. Seit 2012 durchliefen rund 145.000 Passagiere die Körperscanner, eine Ausweitung des Einsatzes ist geplant. Das hat die Bundesregierung auf eine erneute Anfrage "Ausbau von Körperscannern an Flughäfen" (Download s. unten) von Jan Korte ergeben.
Eine schriftliche Nachfrage hat zudem ergeben, dass die Alarmquote von 69 Prozent im gescheiterten Feldversuch nur auf 59 Prozent zurückgegangen ist. Wie diese sich aufschlüsseln hat sie nicht angegeben. Da es aber keinen Grund gibt anzunehmen, dass sich die Anzahl der berechtigten Alarme verändert haben wird, kann man annehmen dass der Anteil der unnötigen und Fehlalarme nicht um viel mehr als 10 Prozent heruntergegangen ist. Oder aber nun vermehrt Gegenstände gefunden werden, die vorher nicht erfasst wurden - die Bundesregierung berichtet von einer verbesserten Detektionsleistung der Geräte. Mit diesen Gegenständen wären die Passagiere im Hamburger Testdurchgang ins Flugzeug gelassen worden, da ja ohne Alarm keine Nachkontrollen erfolgten, wie die Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Erprobung von Körperscannern“ BT-Drs. 17/5025 einräumte:
Kleine Anfrage „Erprobung von Körperscannern“ BT-Drs. 17/5025:
„6. Werden bei allen Passagieren Nachkontrollen durch Sicherheitspersonal durchgeführt, auch wenn vom Körperscanner keine Gegenstände angezeigt werden, und wenn ja, seit wann?
Antwort: Dies ist nicht zutreffend.7. Wenn nein, wieso geht die Bundesregierung angesichts der Fehlalarme der am Flughafen Hamburg eingesetzten Scanner davon aus, dass die Geräte verbotene Gegenstände auf jeden Fall erkennen, und wie rechtfertigt die Bundesregierung den alleinigen Einsatz von in der Erprobung befindlichen Geräten bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen?
Antwort: Die Zuverlässigkeit der Detektion der am Flughafen Hamburg verwendeten Körperscanner ist vor Beginn des Feldtests festgestellt worden.“
Wider besseres Wissen hält die Bundesregierung an dieser unausgereiften Technologie fest und betreibt nach einem gescheiterten Testbetrieb kommentarlos den Praxisbetrieb der Geräte, die sie einst als ungeeignet bezeichnet hat und die offensichtlich nur minimal verbessert wurden. Hinzu kommt, dass sie weder Lösungen für das Problem der Diskriminierung von Passagieren mit medizinischen Hilfen (wie künstlichen Darmausgängen, Prothesen etc.) gefunden hat, noch Klarheit über die gesundheitlichen Auswirkungen besteht.
So führt das Bundesamt für Strahlensicherheit auf seiner Website aus:
„Die in diesem Frequenzbereich vom Europäischen Rat und von der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) empfohlenen Grenzwerte beruhen auf wenigen vorliegenden wissenschaftlichen Studien. Danach ist die Leistungsflussdichte für die Strahlenbelastung der Bevölkerung auf 10 Watt pro Quadratmeter (W/m2) zu begrenzen. Die vom BfS 2010 untersuchten Geräte verursachen deutlich niedrigere Strahlenbelastungen. Nur unter dieser Voraussetzung ist der Einsatz aus Strahlenschutzsicht akzeptabel. Aus grundsätzlichen Strahlenschutzüberlegungen ist in jedem Fall eine Minimierung vermeidbarer Expositionen anzustreben. Deshalb ist unter Strahlenschutzaspekten dem Einsatz passiver Systeme grundsätzlich der Vorzug zu geben.“
Quelle: http://www.bfs.de/de/elektro/hff/anwendungen/body_scanner.html
In ihrer aktuellen Antwort bezeichnet die Bundesregierung die Auswirkungen der von den Scannern verwendeten Millimeterwellenstrahlung als „nach dem jetzigen Erkenntnisstand […] für den menschlichen Körper unbedenklich.“ Während sich also das Bundesamt für Strahlenschutz aus Strahlenschutzaspekten für passive Technologien ausspricht setzt die Bundesregierung weiterhin auf aktive Millimeterwellenstrahlung und nennt diese unbedenklich. Es ist ja nichts Neues, dass die Bundesregierung Expertenmeinungen ignoriert, aber die Fluggäste trotz der ungeklärten Forschungslage nicht über die Möglichkeit von gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu informieren ist verantwortungslos.
Mehr Technik bedeutet nicht eben nicht automatisch mehr Sicherheit. Der Körperscannerversuch liefert seit fast vier Jahren den besten Beweis dafür. Wenn es tatsächlich um die Luftsicherheit ginge, gäbe es wichtigere Baustellen zu bearbeiten: Die privat angestellten Luftsicherheitsassistenten arbeiten unter unzumutbaren Bedingungen, die nicht nur Arbeitnehmerunfreundlich sind, sondern auch der Sicherheit nicht dienlich sind. Von jemandem, der im Schichtdienst bei immer wechselnden Zeiten monotone Arbeiten verrichten muss, kann man keine 0-prozentige Fehlerquote erwarten. Und das bei einer Aufgabe, bei der bereits der kleinste Fehler verheerende Folgen haben kann. Eine Sofortmaßnahme, die wirklich für mehr Sicherheit sorgen würde, wäre die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Luftsicherheitsassistenten.
Über die Antworten hat u. a. die Frankfurter Rundschau berichtet:
"Mehr Scanner trotz Bedenken" Frankfurter Rundschau vom 17.7.2014
"Körperscanner taugen nichts" n-tv vom 17.7.2014