Dogmatischer Kormoranschutz verspielt Akzeptanz für Artenschutzmaßnahmen
Der Kormoran ist europaweit wieder stark verbreitet. Vom im europäischen Binnenland ehemals fast ausgerotteten Vogel lebten 1980 noch 794 Brutpaare auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik. Unter strenger Unterschutzstellung ist der Bestand mittlerweile auf knapp unter ca. 25.000 Brutpaare angewachsen und stagniert seitdem, was darauf hindeutet dass er die Kapazitätengrenze seines Lebensraums erreicht hat. Da der Kormoran sich nur von Fisch ernährt, wirkt sich der Bestand negativ auf die Fischerei, aber auch auf den Bestand bedrohter Fischarten in stehenden und fließenden Gewässern aus.
In einer Antwort auf eine Anfrage zum Erhalt des Europäischen Aals schätzte die Bundesregierung die Menge der von Kormoranen entnommenen Aale in der Bundesrepublik pro Jahr mit 340 Tonnen fast so hoch ein, wie Entnahme durch die Berufsfischerei in Binnen- und Küstengewässern (ca. 470 t). In Thüringen belegte ein Fisch-Monitoring zur Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) für ca. „15% der Probestellen die Bejagung des Fischbestandes durch den Kormoran als Hauptursache für eine sehr starke Abweichung vom Leitbild“. Für die betroffenen Gewässer sei eine „Steuerung des Kormoraneinflusses“ erforderlich.
„Es ist ein Erfolg für den Artenschutz, dass die Kormoranpopulation auf das natürliche Maximum angewachsen ist. Jetzt, da das Ziel der strengen Unterschutzstellung erreicht ist, sollten die Wechselwirkungen der Kormoranpopulation mit dem Rest der Natur stärker in den Fokus rücken“, erklärt Jan Korte dazu. In fast jedem betroffenen Bundesland wird der Abschuss von Kormoranen per Verordnung erlaubt, wenn auch in engen Rahmen. Statt die Ausnahme überall zur Regel zu machen, sei es sinnvoller, über die generelle Erlaubnis zur Jagd auf Kormorane nachzudenken: „Eine mit 25.000 Brutpaaren in der Bundesrepublik vertretene Vogelart ist nicht vom Aussterben bedroht. Deshalb ist der ebenso verbreitete Graureiher auch richtigerweise Wild im Sinne des Bundesjagdgesetzes. Wer dogmatisch am Kormoranschutz festhält, obwohl der Bestand durch die Unterschutzstellung auf das Populationsmaximum angewachsen ist, rechnet nicht nur den Erfolg von Artenschutzmaßnahmen klein, sondern riskiert auch deren Akzeptanz in der Bevölkerung.“
Die Bundesregierung hat die beträchtlichen wirtschaftlichen Schäden offenbar mittlerweile im Blick. Sowohl die Antwort auf die Kleine Anfrage, als auch der beigefügte Bericht der Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder zum nationalen Kormoran-Management legen allerdings nahe, dass Fischartenschutz nicht gerade weit oben auf der Agenda im Bundesumweltministerium steht. Ausreichende Datengrundlagen für die Bewertung der Schäden an der Artenvielfalt unter Wasser hat es offenbar nicht zur Verfügung, obwohl der Bundestag die Bundesregierung am 10.12.2011 mit großer Mehrheit aufgefordert hat „die wissenschaftlichen Kapazitäten für grundlegende Untersuchungen zur Erhaltung und Förderung der heimischen Fischbestände und zur Unterstützung der Fischerei zu erweitern.“ Das ist offenbar nicht genügend umgesetzt worden.