Chile und Deutschland vereinbaren bilaterale Kommission zur Aufarbeitung der Verbrechen der Colonia Dignidad
Nach Jahrzehnten des Wegschauens und des Leugnens jeglicher Mitverantwortung für die Verbrechen in der deutschen Sekte der Colonia Dignidad in Chile vollzogen Union und SPD kurz vor Ende dieser Wahlperiode eine Kehrtwende:
Am 29. Juni 2017 beschloss der Bundestag einstimmig den Antrag „Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad“. Darin erkennt das Parlament, dass die Aufarbeitung der Verbrechen der Colonia Dignidad „nicht ausreichend und noch nicht abgeschlossen ist“. Der Bundestag fordert die Bundesregierung zur Durchführung einer Reihe konkret benannter Maßnahmen auf. Dabei soll eng mit der chilenischen Regierung zusammengearbeitet werden. Die Bundestagsdebatte als Video, Audio oder Text findet sich hier.
Dies wäre ohne die Initiative von 92 Abgeordneten der LINKEN und Grünen mit ihrem Antrag ‚Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad und Hilfe für die Opfer‘ (BT-Drucksache18/11805) nicht möglich gewesen. Denn erst durch den Namensantrag der Opposition gerieten Union und SPD unter Zugzwang und machten endlich nach Jahrzehnten der Untätigkeit den Weg für eine tatsächliche Aufarbeitung und Hilfe für die Opfer frei, wenngleich es die Koalition an mehreren Stellen vermied konkret zu werden und lediglich Prüfaufträge formulierte.
Nichtsdestotrotz haben nun am 12. Juli 2017, als erstes konkretes Ergebnis des Bundestagsbeschlusses, das Auswärtige Amt und das chilenische Außenministerium die Einsetzung einer bilateralen Kommission verkündet.
Die Kommission „setzt einen Rahmen für die Aufarbeitung des in der „Colonia Dignidad“ verübten Unrechts“. Weitere Details zum Arbeitsauftrag und Zusammensetzung der Kommission, die in den nächsten Wochen ihre Arbeit aufnehmen soll, sind noch nicht bekannt. Trotzdem ist es natürlich gut, dass der Bundestagsbeschluss so schnell greifbare Resultate zeitigt.
Dies ist in erster Linie Ergebnis des jahre- bzw. jahrzehntelangen Kampfes von – chilenischen und deutschen- Opfern und ihren Angehörigen, Menschenrechtsaktvist_innen und –anwält_innen und der Begleitung des Themas durch engagierte Journalist_innen und die Opposition. Nach jahrzehntelangem Versagen beider Staaten im Menschenrechtsschutz könnte dieser Beschluss zum Ausgangspunkt einer umfangreichen Aufarbeitung der Verbrechen werden. Die Geschichte des Falls Colonia Dignidad zeigt jedoch, dass es wichtig ist das weitere Verfahren aufmerksam zu beobachten und inner- und außerhalb des Parlaments zu begleiten: Bereits im Jahr 2002 beschloss der Bundestag ohne Gegenstimmen (die Union enthielt sich damals) den Antrag „Hilfe für die Opfer der Colonia Dignidad“. Viele der damals von der Bundesregierung geforderten Maßnahmen wurden jedoch nicht, bzw. nicht im Sinne der Opfer, umgesetzt. Dies darf nicht noch einmal passieren. DIE LINKE wird deshalb ganz genau hinschauen und auf eine zügige und vollständige Umsetzung des Bundestagsbeschlusses drängen.