Groko reloaded
Zur Erinnerung: Bei der Bundestagswahl am 24.9.2017 wurde die Große Koalition krachend abgewählt. CDU, CSU und SPD erlitten historische Niederlagen.
Fast vier Monate später sind die Sondierungen zwischen den Großkoalitionären zu Ende. Das Ergebnis: 28 Seiten ‚Klein-Klein‘. Die Sondierungsteams von Union und SPD stimmen trotzdem einstimmig für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen und SPD-Chef Martin Schulz behauptet sogar, dass man „hervorragende Ergebnisse erzielt“ habe. Auch wenn nun die SPD-Sondierer für sich in Anspruch nehmen, dass sie 60 Punkte aus dem Parteitagsbeschluss vom Dezember zur Aufnahme von Sondierungsgesprächen durchgesetzt haben:
Das Gegenteil ist der Fall. Von einem gesellschaftlichen Aufbruch und einer klaren sozialdemokratischen Handschrift, mit der ja einige gerechnet hatten, damit die sozialdemokratische Basis ihren Widerstand gegen eine Neuauflage der Groko aufgibt, kann keine Rede sein.
Dafür drohen uns nun vier weitere Jahre Politik der sozialen Spaltung oder bestenfalls des „Sowohl-als-auch“. Einige Beispiele:
- Der Soli soll schrittweise abgeschafft werden. Folge: 10 Mrd. Euro fehlen im Bundeshaushalt. Die Abschaffung des Solis nutzt vor allem Top-Verdienern: Mehr als drei Viertel seines Aufkommens kommen bislang vom einkommensstärksten Fünftel der Bevölkerung.
- Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent? Pustekuchen.
- Bürgerversicherung? Fehlanzeige.
- Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen? Weit gefehlt.
- Sozialer Wohnungsbau? Lächerlich. Gerade einmal 2 Mrd. Euro sollen dafür in den nächsten vier Jahren aufgewendet werden. Das reicht hinten und vorne nicht. Da gleichzeitig mit ebenfalls 2 Mrd. Euro das Wohneigentum gefördert werden soll, wird sich absehbar die Lage am Mietwohnungsmarkt sogar noch verstärken.
- Statt die energetische Modernisierungsumlage, die ein reines Mieterhöhungs- und Verdrängungsprogramm ist, endlich abzuschaffen, soll sie lediglich gesenkt werden.
- Bei der Rente soll es einerseits eine Solidarrente, die langjährigen Beitragszahlern eine Rente von zehn Prozent über dem Niveau der Grundsicherung gewährleisten soll, geben. Andererseits bekommt die CSU ihre „Mütterrente II“, die den Bundeshaushalt mit 7 Mrd. Euro belasten wird.
- Dem Rechtsanspruch zur Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit steht die Absenkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung gegenüber.
- Vollmundig soll die Kinderarmut bekämpft werden. Wie? In zwei Schritten soll das Kindergeld um 25 Euro pro Kind erhöht werden. Man fasst es nicht.
- Auch nicht viel Neues in der Innenpolitik: Neben 15.000 neuen Stellen für die Sicherheitsbehörden sollen Bürgerrechte weiter eingeschränkt und die Eingriffsbefugnisse (z.B. durch erweiterte DNA-Analysen) des Staates ausgebaut werden.
- Keine grundrechtswidrige Obergrenze bei Flüchtlingen? Doch: 180.000 – 220.000!
- Familiennachzug zur besseren Integration? Von wegen. Das Gesetz zur weiteren Aussetzung des Familiennachzugs soll noch im Januar durch den Bundestag gepeitscht werden.
Und so weiter und so fort. Der große Wurf und Ideen, wie das Land humaner, sozialer, friedlicher und gerechter werden soll, bleiben aus. Für Merkel ist das Sondierungsergebnis richtigerweise ein „Papier des Gebens und Nehmens“, wobei meist die SPD gegeben und die Union dankend genommen hat.
Die gesellschaftlichen Bedarfe werden in dem Sondierungsergebnis nicht annähernd abgebildet. Den Investitionsstau von min. 150 Mrd. Euro kann man so nicht auflösen. Substantielles gegen die weitere soziale Spaltung in diesem Land sucht man vergebens.
Doch selbst wenn man die ganzen konservativen Kröten außer Acht lässt und es die halbwegs vernünftigen Sondierungsergebnisse später tatsächlich auch in den Koalitionsvertrag schaffen sollten, bedeutet dies ja noch lange nicht, dass sie im Anschluss von der Union eingehalten werden. Beispiele für Wortbrüche konnte die SPD in den letzten Jahren ja genug sammeln. Aber das ist wahrlich nicht das Hauptproblem und schon gar nicht meins.
Es steht also zu befürchten, dass der regierungsgeile Teil der SPD die Partei erneut in eine Schrumpf-Groko führen und das Siechtum der ehemals stolzen Sozialdemokratie unvermindert weitergehen wird.
Eine SPD, die sich der Erneuerung und Re-Sozialdemokratisierung verweigert und immer nur links blinkt, um anschließend doch mit Seehofer und Merkel rechts abzubiegen, braucht allerdings auch kein Mensch.