Über zweierlei Maß deutscher Außenpolitik
Seit Mitte Oktober gibt es in Chile, das nach dem faschistischen Militärputsch 1973 zum neoliberalen Laboratorium wurde, Massenproteste gegen die zunehmende soziale Ungerechtigkeit im Land. Ausgelöst durch die Erhöhung der U-Bahn-Preise in der Hauptstadt Santiago de Chile, haben sie längst das ganze Land ergriffen. Die Demonstantinnen und Demonstranten fordern den Rücktritt der Regierung des 69-jährigen rechtskonservativen Staatschefs Piñera, eine neue Verfassung (die aktuelle stammt noch aus der Zeit der Pinochet-Diktatur) und eine grundlegende Änderung der Wirtschaftspolitik. Am 25. Oktober nahmen in Santiago etwa 1,2 Millionen Menschen an der von Gewerkschaften und Sozialorganisationen organisierten größten Demonstration in der Geschichte des Landes teil.
Piñera rief kurz nach Beginn der Proteste am 20. Oktober 2019 den Notstand aus und ließ – erstmals seit dem Ende der Militärdiktatur – die Streitkräfte in der Hauptstadt patrouillieren und mit massiver Gewalt von Polizei und Militär gegen die Demonstrierenden vorgehen.
Nach Zahlen des Nationalen Instituts für Menschenrechte wurde bisher während der Proteste 146 Personen ins Auge geschossen. Insgesamt gibt es 1.305 Verletzte in Krankenhäusern, 4.271 Festnahmen und Regierungsangaben zufolge 20 Tote. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich sehr viel höher.
Anders als bei den Massenprotesten gegen die gewählte Regierung Venezuelas, zu denen die Große Koalition sich sofort und parteiisch auf der Seite der Protestierenden äußerte und sogar eine Aktuelle Stunde im Bundestag anberaunte, herrscht nun seitens der Bundesregierung und des Bundesaußenministers Heiko Maas absolute Funkstille!
Der Maßstab für die Bewertung, ab wann sich die Bundesregierung solidarisch mit Protestbewegungen im Ausland erklärt, scheinen jedenfalls nicht Menschenrechte, Demokratie und soziale Gerechtigkeit zu sein.