Trojanereinsatz und Online-Durchsuchung stoppen
In seiner Rede in der Aktuellen Stunde zum Einsatz staatlicher Schadsoftware zur Durchführung von Quellen-Telekommunikationsüberwachungen sowie Online-Durchsuchungen kritisiert Jan Korte die Verschleierungstaktik der Bundesregierung als Zeichen eines mangelnden Problembewusstseins, fordert zum Widerstand gegen Überwachungsprojekte auf und wendet sich gegen die Privatisierung der inneren Sicherheit auf allen Ebenen.
Jan Korte (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch von uns zunächst ein Dank an den Chaos Computer Club, der sich in diesem Fall um die Demokratie wirklich verdient gemacht hat. Darüber hinaus das kommt nicht oft vor ein herzlicher Dank und einen Gruß an Frank Schirrmacher und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die das alles lobenswerterweise abgedruckt hat. Das kommt selten vor und muss daher jetzt einmal gesagt werden.
[Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN]
Demgegenüber gibt es das genaue Gegenteil, nämlich die Bundesregierung und den abwesenden Innenminister, die verschleiert und verzögert haben, die gar nichts sagen und die im Innenausschuss gefühlte stundenlange Vorträge halten, ohne inhaltlich auch nur einen Satz zu sagen. Das Problem bei dieser Bundesregierung ist, dass sie bei dieser sehr wichtigen Frage, die so viele Menschen bewegt, kein Problembewusstsein hat.
[Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)]
Nun zu der sogenannten Quellen-TKÜ. Man muss das für diejenigen draußen, die sich nicht so intensiv damit beschäftigen wie wir, ein wenig übersetzen. Man könnte vielleicht besser sagen: In dem Fall, um den es geht, handelt es sich um eine Überwachungswanze, die viel mehr kann, als eigentlich vorgesehen ist. Sie kann eine Kamera einschalten, Screenshots abfotografieren, eine Raumüberwachung veranlassen, die Tastatureingabe überwachen etc. Darum geht es eigentlich.
[Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Darum geht es nicht! Das wissen Sie doch!]
Das greift in die tiefste Privatsphäre der Menschen ein, in ihre geschützten Räume, wo Menschen miteinander kommunizieren und einander lieben. Sie haben vor allem ein Recht darauf, dass es niemanden etwas angeht, was sie in ihren vier Wänden machen, um das einmal klar zu sagen.
[Beifall bei der LINKEN]
Im Hinblick auf den Trojaner, der aufgedeckt worden ist, können Sie, Herr Staatssekretär, eben nicht garantieren, dass er bei den vom BKA angewendeten Programmen nicht doch zufällig mit drin ist. Das konnten Sie heute im Innenausschuss nicht garantieren, weder das BKA noch die Bundesregierung. Das ist die Situation. Deswegen ist das in der Tat ein grundsätzlich demokratisches Problem. Es verunsichert Menschen.
[Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Sie verunsichern Menschen!]
Es erzeugt Angst vor freier Kommunikation. Es nimmt den Bürgerinnen und Bürgern Souveränität. Zudem behindert es in der Konsequenz den aufrechten Gang, wenn man nicht mehr genau weiß, was Sie mitlesen wollen und was nicht. Das ist das Grundproblem. Deswegen ist das eine grundlegend demokratische Frage, über die wir heute diskutieren.
[Beifall bei der LINKEN]
Es gibt dazu eine klare Alternative, und zwar einen kompletten Stopp des Einsatzes von Trojanern, den Die Linke klar und ohne Debatte fordert. Es gibt eine weitere klare Alternative, die bedeutet: keinerlei Onlinedurchsuchung. Die FDP hat in den nächsten Wochen die Chance,
[Gisela Piltz (FDP): Das ist keine Chance! Das ist eine Drohung!]
einem Antrag der Linken zuzustimmen, in dem wir die Aufhebung der Befugnisse zur Onlinedurchsuchung im BKA-Gesetz fordern. Da können Sie sich einmal sachlich und nicht ideologisch entscheiden und dem Antrag dann zustimmen.
[Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der FDP]
- Das ist ein faires Angebot.
Der dritte Punkt das ist schon angesprochen worden ist, dass Sie die Privatisierung auch im Bereich der inneren Sicherheit zurückdrängen müssen. Sie muss eine staatliche Hoheitsaufgabe sein. Sie kann nicht an externe Firmen vergeben werden, die gar nicht zu kontrollieren sind. Die Botschaft heute hier im Bundestag muss sein: Stoppen Sie die Privatisierung der inneren Sicherheit auf allen Ebenen!
[Beifall bei der LINKEN]
Zum Schluss. Es ist schon einiges zu den Debatten gesagt worden, die jetzt von FDP und CDU bzw. CSU geführt werden. Auch über diese Frage wird debattiert. Das ist mal erheiternd und mal ernüchternd, wie auch immer; es ist vor allem Ihr Problem. Ich will die Bundesjustizministerin zitieren, die vor nicht langer Zeit ich glaube, das war 2007 oder 2008 in den Blättern für deutsche und internationale Politik einen hervorragenden Aufsatz veröffentlicht hat. Heute sitzt sie auf der Regierungsbank. Frau Ministerin, erfreulicherweise sind Sie anwesend. Sie sind, was nicht erfreulich ist, eine der letzten drei Linksliberalen in Ihrer Partei.
[Gisela Piltz (FDP): Sie wissen doch gar nicht, was linksliberal ist!]
Deswegen will ich an Ihre Worte erinnern. Ich darf zitieren. Frau Leutheusser-Schnarrenberger schrieb damals:
»Es muss jedenfalls damit gerechnet werden, dass die Politik der inneren Sicherheit der Großen Koalition an der mittlerweile ins maßlose abgeglittenen Überwachung der Bürgerinnen und Bürger weiter festhalten wird.
Das sagte sie mit Blick auf die Große Koalition.« Weiter schrieb sie:
»Mit der Furcht vor Terrorismus im Rücken wird der rechts-, besser: der verfassungspolitische Aufstand geprobt gegen eine ihrer Idee nach freiheitliche Gesellschaftsordnung.«
Dem ist nichts hinzuzufügen. Es wäre schön, wenn Sie jetzt, wo Sie die Chance dazu haben, weil Sie auf der Regierungsbank sitzen, diesen klugen Worten Taten folgen lassen und energischen Widerstand gegen die Überwachungsfreunde aus der CDU/CSU an den Tag legen würden. Dabei hätten Sie unsere Unterstützung auf jeden Fall.
Vielen Dank.
[Beifall bei der LINKEN]