Ein sachlicher Hardliner
Nach dem Rückzug von Karl Theodor zu Guttenberg in die außerparlamentarische Monarchie soll der bisherige Innenminister Thomas de Maizière den Laden wieder auf Vordermann bringen.
Von den Entscheidungen der Bundeskanzlerin in den letzten Wochen ist dies ausnahmsweise eine, die ihr vermutlich nicht sofort wieder auf die Füße fallen wird. Ob die viel beschworene de Maizierèsche Sachlichkeit allein ausreicht, eine mies geplante Bundeswehrreform noch zu retten, ist dennoch fraglich. Die »in mühevoller Kleinarbeit« zusammenkopierte Dissertation hat verdeckt, dass auch seine Bundeswehrreform Bestnoten nicht verdient. Das Kanzleramt urteilte noch Tage vor Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe, die Vorschläge des Ministers seien als Grundlage für die Bundeswehrreform rudimentär und unausgewogen. Und - eigentlich ein klassisches »Thema verfehlt« - es fehle an Aussagen über die strategische Zielsetzung.
Mit schlecht geplanten Reformen und festgefahrenen Situationen kennt sich de Maizière aus. Er findet im Verteidigungsministerium einen ähnlichen Trümmerhaufen vor, wie er ihn im Innenministerium hinterlässt. Für die ins Stocken geratene Fusion von Bundespolizei und Bundeskriminalamt ist er selbst verantwortlich. Als er die Positionen der von ihm zur Vorbereitung der Fusion eingesetzte Werthebach-Kommission fast eins zu eins übernahm, hatte de Maizière offenbar nicht mit dem Widerstand aus den Behörden gerechnet, die seither - allen voran die Deutsche Polizeigewerkschaft - gegen Fusionspläne Sturm laufen. Das Getrommel zur Verteidigung von Polizeipöstchen und -posten ließ de Maizière nicht kalt - im Gegensatz zu bürgerrechtlich motivierter Kritik an einer Superpolizei des Bundes und an der Kooperation von Polizei und Geheimdiensten im geplanten Cyberabwehrzentrum, die geflissentlich ignoriert wurde.
Auch beim Freilandversuch Elektronischer Personalausweis beeindruckte de Maizière mit einer erstaunlichen Beratungsresistenz. Obwohl IT-Spezialisten lange vorher vor Sicherheitsrisiken der fernauslesbaren RFID-Technik des Chips und der Lesegeräte zur Online-Identifizierung gewarnt hatten, hielt er am Lieblingsprojekt des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) fest. Nach der Premiere des neuen E-Persos dauerte es nur einige Tage, bis dessen Anwendungssoftware gehackt wurde und aus dem Verkehr gezogen werden musste.
Während de Maizière bei Sicherheitsprojekten den Hardliner mimte und wider besseres Wissen an der verfassungswidrigen verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung festhielt, ließ er die Zügel bei anderen Projekten lässig schleifen. Die Internetwirtschaft ließ er Selbstverpflichtungen zum Schutz persönlicher Daten ausarbeiten und zog per Gesetz rote Linien, die ohnehin Strafbares noch einmal als strafbar bezeichnen. Beim Beschäftigtendatenschutz ging es sogar ganz nach hinten los. Der kürzlich von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf für die Ergänzung des Bundesdatenschutzgesetzes legalisiert Überwachungspraktiken von Arbeitgebern. Der Datenschutzskandal bei der Deutschen Bahn wäre nach den jetzt vorgeschlagenen »Schutzregelungen« gar keiner gewesen.
Als Innenminister war Thomas de Maizière auch für Ostdeutschland zuständig. Das hat leider niemand gemerkt. Er muss sich vorwerfen lassen, dass er nichts getan hat, um jungen Menschen in Ostdeutschland eine Perspektive zu geben. Diese Untätigkeit zahlt sich für den jetzigen Verteidigungsminister bei der geplanten Umwandlung der Streitkräfte in eine Berufsarmee in makaberer Weise aus. Bereits heute stammen fast die Hälfte der bundesdeutschen Soldaten im Auslandseinsatz aus dem Osten der Republik.
linksfraktion.de, 7. März 2011