Neuer Haushalt - gleicher Kurs
Die schwarz-gelbe Regierung hält am innenpolitischen Kurs von Schily und Schäuble fest. Statt neue Wege zu gehen, setzt die Bundesregierung weiterhin auf Aufrüstung im Bereich der inneren Sicherheit, auf Zentralisierung und auf Militarisierung der Innenpolitik. Eine Umkehr in der Innenpolitik wäre dringend nötig gewesen. Beim Thema Ostdeutschland verfährt der zuständige Innenminister de Maizière getreu nach dem Motto: Null Ansage, null Plan, keine Idee, am besten gar nicht darüber sprechen, so Jan Korte in seiner Rede vor dem Plenum des Deutschen Bundestags am Donnerstag. Weiter unten der Protokolltext der Rede zum nachlesen.
Wir reden über den Einzelplan 06 mit einem Volumen von ungefähr 5,6 Milliarden Euro. Es geht um den Haushalt des Bundesministeriums des Innern. Deswegen verwundert es nicht, das zwei Drittel der Mittel für die innere Sicherheit vorgesehen sind. Ich kann hier und heute nicht über die gesamte verfehlte Innenpolitik der letzten Jahre referieren und will mich deshalb auf die besonders verfehlten Punkte Ihrer Innenpolitik konzentrieren.
Man sieht dem Haushaltsentwurf an, dass mitnichten eine Änderung der Innenpolitik verfolgt wird, obwohl die FDP das angekündigt hat. Vielmehr wird fortgesetzt, was Schäuble und vorher Schily an Akzenten in der Innenpolitik gesetzt haben. Es gibt keine Kurskorrektur in der Innenpolitik, auch nicht mit der FDP in der Regierung. Das finden wir natürlich sehr schade. Namens des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus wird auch mit diesem Haushalt eine Politik fortgesetzt, die erstens auf Aufrüstung im Bereich der inneren Sicherheit, zweitens auf Zentralisierung und drittens auf Militarisierung der Innenpolitik setzt. Das kritisieren wir als Linke grundsätzlich. Eine Umkehr in der Innenpolitik wäre dringend nötig gewesen.
(Beifall bei der LINKEN)
Statt Unsummen in neue technische Überwachungsmaßnahmen Stichwort: Nacktscanner zu stecken, wäre es vielleicht ratsam gewesen, mehr in Personal zu investieren. Sie haben das auf unsere Kleine Anfrage hin ja auch eingestanden. Wenn wir über öffentliche Sicherheit, zum Beispiel an Flughäfen, reden, dann müssen wir natürlich auch darüber reden, dass in diesem Bereich in den letzten Jahren massiv privatisiert wurde. Eine Tätigkeit wie die Fluggepäckkontrolle, die früher insbesondere von Beamtinnen und Beamten gut ausgebildet, immer wieder geschult und vor allem vernünftig bezahlt erledigt wurde, wird jetzt von privaten Dienstleistern zu Dumpinglöhnen ausgeübt. Das kann nicht sein. Hier wäre eine Umkehr nötig gewesen. Wir brauchen mehr Staat bei der Sicherheit und keine Dumpinglöhne; denn das führt zu weniger Sicherheit. Von einer solchen Umkehr ist in diesem Haushaltsentwurf aber nichts zu sehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Da wir immer differenzierte Sachpolitik machen, begrüßen wir ausdrücklich, dass es im Etat des Bundesbeauftragten für den Datenschutz einen gewissen Aufwuchs bei den Mitteln gibt. Das ist erst einmal erfreulich. Trotzdem das gehört zu einer differenzierten Betrachtung natürlich dazu steht das in überhaupt keinem Verhältnis zu den Skandalen und Sauereien, die wir im privaten Bereich in den letzten Monaten in der Wirtschaft vernommen haben. Wir hätten es für sinnvoll befunden, hier deutlich mehr Mittel einzusetzen, damit der Bundesdatenschutzbeauftragte in Zusammenarbeit mit seinen Länderkollegen auch einmal die staatliche Sammelwut stärker in den Fokus nehmen könnte. Das ist in der Tat zu wenig. Aber immerhin: Ein wenig mehr gibt es.
Was ich an dem Haushaltsentwurf noch ganz spannend finde: Ich habe mir das FDP-Wahlprogramm angeschaut,
(Gisela Piltz (FDP): Sehr gut!)
und ich habe mir den Koalitionsvertrag noch einmal angeschaut; man bereitet sich vernünftig vor. Groß angekündigt wurde das ist interessant die Bundesstiftung Datenschutz. Die wollten Sie; die haben Sie immer wieder propagiert. Im Haushaltsentwurf findet man 0 Cent dafür. 0 Cent sind für dieses Projekt angesetzt.
(Gisela Piltz (FDP): Was noch nicht beschlossen ist, braucht auch kein Geld, oder?)
Kollegin Piltz, vielleicht sagen Sie uns nachher einmal, was aus diesem spannenden Projekt werden soll.
Ich möchte einen dritten Punkt zum Datenschutz kurz ansprechen. Nach dem Karlsruher Urteil zur Vorratsdatenspeicherung, die Sie nicht zu verantworten haben das muss man der Fairness halber dazusagen , wäre es an der Zeit gewesen, einmal innezuhalten, in sich zu gehen und zum Beispiel bei ELENA, der Vorratsdatenspeicherung für Sozialdaten, das Stoppzeichen zu setzen und dieses Vorhaben auf Eis zu legen. Wir fordern ein Moratorium für diese Massenspeicherung von Sozialdaten. Zum Glück haben schon 8 000 Leute Klage eingereicht. Stoppen Sie dieses Großprojekt! Es wird im Zweifel wieder kassiert werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Herr Fromm, hat noch einmal begründet, warum man die Linke unbedingt weiter beobachten sollte.
(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ja!)
Das wäre in der Tat ein ganz praktisches Einsparpotenzial von mehreren Millionen Euro. Das würden wir sofort mittragen.
(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Die Linke einsparen! Da machen wir sofort mit! Die Linke einzusparen, darauf können wir uns sofort einigen!)
Die Linke macht nicht ständig verfassungswidrige Gesetze, was Sie in den letzten Jahren gemacht haben, um das einmal klar zu sagen. Stoppen Sie die Überwachung der Linken. Das ist eine antidemokratische Methode der politischen Auseinandersetzung.
(Beifall bei der LINKEN)
Noch ein Punkt, den ich ansprechen möchte: Wir reden hier über innere Sicherheit. Wenn man wirklich etwas für die öffentliche Sicherheit in diesem Land tun möchte, wäre ein verstärkter Kampf gegen den Rechtsextremismus vonseiten der Bundesregierung angebracht.
(Gisela Piltz (FDP): Aber wenn Linke Autos anzünden, ist das in Ordnung!)
In diesem Bereich herrscht aber völlige Fehlanzeige. Das kann man daran erkennen, dass die Bundesregierung weder die Statistiken ihrer eigenen staatlichen Stellen zur Kenntnis nimmt noch auf Opferverbände hört und auch nicht zur Kenntnis nimmt das hat die Amadeu-Antonio-Stiftung gerade veröffentlicht , dass seit 1990 in diesem Land 149 Menschen von Rechtsextremisten ermordet worden sind. Das wäre doch ein Grund gewesen, endlich aufzuwachen. Stattdessen schwafeln Sie von einem völlig unbelegten Extremismusbegriff. Sie haben keine Ahnung, was in einigen Gegenden in diesem Land abgeht. Hier wäre eine Umkehr nötig.
(Beifall bei der LINKEN)
Deswegen fordern für das nächste Jahr mit Blick auf die Mittel für die Bundesprogramme, dass Sie umkehren. Sie sollten die vielen Organisationen, die in diesem Land eine hervorragende Arbeit machen, nicht immer wieder verunsichern, ob sie ihre Projekte weiterfinanzieren können, sondern endlich eine Garantie geben, dass diese Projekte dauerhaft auf einem hohen Level finanziert werden. Unsere Anerkennung haben diese Organisationen, die alltäglich gegen Rassismus und Antisemitismus kämpfen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich komme zu einem weiteren grundsätzlichen Punkt. Das BMI ist ja jetzt auch für Ostdeutschland zuständig. Ich sage das, weil das noch keiner mitbekommen hat. Hierzu mehrere Hinweise: Immer noch werden in Ostdeutschland geringere Löhne gezahlt. Das bedeutet vor allem eine Abwanderung von jungen Menschen aus Ostdeutschland. Ich erlebe das täglich in meinem Wahlkreis. Dies führt wiederum zu einem Ausbluten der ehrenamtlichen Strukturen, zum Beispiel beim THW und in anderen wichtigen Bereichen des Katastrophenschutzes. 1,7 Millionen Menschen in Ostdeutschland leben von Hartz IV. Jedes vierte Kind in Ostdeutschland wächst unter Armutsbedingungen auf.
Der für Ostdeutschland zuständige Minister sagt dazu nichts. Der Vorschlag im Innenausschuss war, eine Arbeitsgruppe zu bilden und darüber zu diskutieren; das kann man im Protokoll nachlesen. Das ist, finde ich, etwas wenig. Vom zuständigen Minister, von dieser Bundesregierung kommt zum Thema Ostdeutschland überhaupt nichts: null Ansage, null Plan, keine Idee, am besten gar nicht darüber sprechen.
In dem Zusammenhang würde mich interessieren Sie reden ja gleich noch, Herr Minister, was Sie zu den geplanten Kürzungen der Förderungen im Solarbereich sagen. Denn das ist insbesondere für Ostdeutschland schlecht. In Bitterfeld-Wolfen in meinem Wahlkreis sind die Industriearbeitsplätze, die in den letzten Jahren entstanden sind, allesamt in der Solarbranche entstanden. Mich würde interessieren, was der für Ostdeutschland zuständige Minister von diesen Plänen der Koalition hält.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielleicht sollten Sie Ihren Kollegen Seehofer unterstützen, der fordert, dass man diese Kürzungen so nicht durchführt.
Wenn man über Ostdeutschland redet, ist ein weiterer Punkt, den ich mir angesehen habe, interessant. Es geht bei diesem Gesamthaushalt um Milliardenbeträge; da fallen 2 Millionen Euro nicht besonders auf. Wenn man in den Kommunen bis dato 2 Millionen Euro zur Förderung von ostdeutschen Sportstätten hatte, dann ist das in der Gesamtsumme nicht viel, aber für die einzelne Kommune, die einen Bolzplatz für Jugendliche und für Kinder und einen Sportplatz für den Breitensport unterhält, ist das sehr viel. Dass Sie ausgerechnet diese 2 Millionen Euro wegkürzen, können wir nicht verstehen. Das werden wir auch nicht akzeptieren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Dr. Peter Danckert (SPD): Das hat er ja gar nicht gewusst!)
Das kann nicht sein, wenn man sich ansieht ich habe mir die Zahlen heute herausgesucht , dass 60 Prozent der Sportstätten in Ostdeutschland sanierungsbedürftig sind. Man sollte diesen »Goldenen Plan Ost« aufstocken, damit es auch für Kommunen im Westen Mittel gibt und die Kommunen im Osten weiterhin Mittel bekommen. Das wäre eine richtige Politik. Dass Sie ausgerechnet diese 2 Millionen Euro wegkürzen, ist absurd.
(Dr. Peter Danckert (SPD): Erbärmlich!)
Das zeigt deutlich, was Sie für Ostdeutschland übrig haben, nämlich überhaupt nichts.
Letzter Punkt, den ich ansprechen möchte. Der Einzelplan 06, der darstellt, wie Sie sich Innenpolitik der nächsten Monate weiter vorstellen, setzt die Politik des Abbaus der Grundrechte fort, hat null Interesse an Ostdeutschland, hat null Ideen für Ostdeutschland. Zur Bekämpfung des Rechtsextremismus, die eigentlich ein gesamtgesellschaftliches Projekt sein sollte von der Zivilgesellschaft bis in den Bundestag und die Bundesregierung, ist von Ihnen überhaupt nichts zu hören. Sie verharmlosen und nehmen nicht zur Kenntnis. Deswegen lehnt die Linke auch diesen Einzelplan aus tiefstem Herzen und aus tiefster Überzeugung ab. Wir fordern eine Umkehr in der Innenpolitik.
Auf die FDP kann man in der Tat leider gar nicht setzen. Sie haben bis jetzt nichts durchbekommen. Das erste Projekt, bei dem Sie eine Umkehr hätten erreichen können, war SWIFT. Sie hatten keine Chance, das durchzusetzen.
(Gisela Piltz (FDP): Haben wir darüber nie abgestimmt?)
Ich bin gespannt, was Sie im Bereich der Vorratsdatenspeicherung machen. Frau Leutheusser-Schnarrenberger, wir werden Sie in Ihrem Kampf gegen Ihren eigenen Koalitionspartner auf jeden Fall unterstützten.
(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Die Freude ist unübersehbar!)
Wenn Sie eine Vorratsdatenspeicherung insgesamt verhindern wollen, haben Sie unsere volle Unterstützung. Ich hoffe, dass Sie sich durchsetzen werden.
In diesem Sinne wünsche ich noch eine spannende Debatte.
(Beifall bei der LINKEN)