Moratorium für Sicherheitsgesetze
Zahlreiche Überwachungsgesetze der Bundesregierung wurden in der jüngsten Vergangenheit vom Verfassungsgericht kassiert. Jan Korte unterstreicht in seiner Rede die Forderung der Linksfraktion nach einem Moratorium für die Sicherheitsgesetze der schwarz-roten Koalition und deren Überprüfung auf Verträglichkeit mit den Grund- und Freiheitsrechten.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht nur die Linke spricht dieses Thema immer wieder an; zuletzt hat das der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes getan, der die Bundesregierung und den Bundestag vor einem Super-GAU im Datenschutz warnte. Er ermahnte den Staat, endlich zu handeln.
In den letzten Jahren gab es eine ganze Reihe von Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes zu Fragen von Eingriffen in die Grund- und Freiheitsrechte. Wir haben eine wachsende Bürgerrechtsbewegung zu verzeichnen. Es gab mehrere Demonstrationen unter dem Motto »Freiheit statt Angst«. Das ist gut und muss noch weiter wachsen. Vor allem haben immer mehr Verbände - auch solche, die nicht unbedingt als Vorfeldorganisationen der Linken bekannt sind, zum Beispiel Rechtsanwaltsverbände, Journalistenverbände - vom Bundestag gefordert, endlich darüber zu diskutieren, wohin es mit der Sicherheitsarchitektur in diesem Land gehen soll.
Deswegen hatte die Linke eine, wie ich finde, hervorragende Idee,
(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gut, dass Sie das finden! - Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist gut, dass Sie schmunzeln, Herr Korte!)
um dem Bundestag und der Bundesregierung Zeit zu verschaffen, ausführlich über diese Fragen zu diskutieren.
Was fordern wir? Wir fordern erstens eine unabhängige Expertengruppe, die mit Vertretern aus Bürgerrechtsorganisationen, Anwaltsvereinen, Richtervereinen, Datenschutzvereinigungen und Gewerkschaften besetzt werden soll.
(Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und wo bleiben die Hartz-IV-Empfänger?)
Diese Truppe soll darüber diskutieren, wie es um die Grundrechte in diesem Land bestellt ist. Ich halte das für einen sehr guten Vorschlag.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweitens soll diese Expertengruppe analysieren, was in den letzten Jahren in Bezug auf den Kampf gegen den internationalen Terrorismus beschlossen worden ist. Es wäre gut, eine solche umfassende Analyse von unabhängiger Seite zu bekommen. Sonst kommt das immer von den Wirtschaftssachverständigen, die meistens leider falsch lagen. Wir wissen nicht, was bei den unabhängigen Experten herauskommt. Deshalb ist das eine gute Idee.
(Beifall bei der LINKEN)
Drittens fordern wir, dass bereits beschlossene Gesetze auf ihre Verträglichkeit mit den Grund- und Freiheitsrechten überprüft werden. - Da würde ich nicht so grinsen, denn das geht eher schlecht aus für Sie.
(Beifall bei der LINKEN - Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kennen Sie das Ergebnis schon? - Frank Hofmann (Volkach) (SPD): Sandkastenspiele sind das!))
Viertens schlagen wir vor - das halte ich in der Tat für eine wirklich wichtige Sache; denn die Begründung für alle Gesetze, die wir hier verabschiedet haben, war immer, dass wir Verschiedenes machen müssen, um größtmögliche Sicherheit in unserem Land zu erreichen , neben der Frage der Grund- und Freiheitsrechte zu analysieren und zu evaluieren, ob das Ganze wirklich zu mehr Sicherheit geführt hat oder ob es einfach nur ein Strohfeuer gewesen ist. Deswegen wollen wir eine unabhängige Überprüfung dessen und nicht, dass das Bundesministerium des Innern, wie es dies ansonsten man kann sagen: durchaus lustig macht, seine eigenen Gesetze evaluiert
(Frank Hofmann (Volkach) (SPD): Sie haben die letzten Gesetze gar nicht gelesen! Sie haben keine Ahnung!)
und zu dem Schluss kommt, dass die Gesetze hervorragend sind. So geht es natürlich nicht. Vielmehr wollen wir das Ganze unabhängig gestalten. Bis dahin fordern wir das ist der Kern unseres Antrages , auf neue Gesetze zu verzichten,
(Beifall bei der LINKEN Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Buße tun!)
erst einmal in sich zu gehen und nachzudenken.
Kollege Wieland, ich habe einen Beweis dafür, warum das dringend notwendig ist. Heute bekam ich vom Kollegen Peter Altmaier die Antwort auf unsere Kleine Anfrage »Kompetenzausweitung für das Bundesamt für Verfassungsschutz«. Wir haben gefragt, ob die Ergebnisse der Onlinedurchsuchungen nach Meinung der Bundesregierung auch dem Bundesamt für Verfassungsschutz zur Verfügung gestellt werden sollten. Sie können sich denken, dass wir das nicht wollen. Sie hat ehrlich darauf geantwortet und gesagt das ist zumindest eine Position , dass das natürlich so sein sollte. Zitat: Eine Regelung wird in die Prüfung des Handlungsbedarfs der nächsten Wahlperiode einbezogen.
(Helmut Brandt (CDU/CSU): Korrekt!)
Unser Antrag ist natürlich aktueller denn je, um dem vorzubeugen, dass das nicht so kommt, wie Sie sich das vorstellen.
(Beifall bei der LINKEN)
An dieser Stelle möchte ich durchaus Kritik dahin gehend zulassen, dass der Antrag schon etwas älter ist.
(Frank Hofmann (Volkach) (SPD): Ein ganz toleranter Mensch!)
- Ich kann es nicht ändern, dass die Verfahren hier so langsam sind. Ich würde sie auch lieber beschleunigen. - Nach den letzten Urteilen gibt es ein neues Grundrecht, und zwar ein Grundrecht auf die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.
(Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schön abgelesen!)
Ziel unseres Antrages ist, dass man dieses neue Grundrecht in Zukunft bei allen Gesetzentwürfen, über die wir hier diskutieren, im Vorfeld mitbedenkt. Das ist auch für die Bundesregierung hilfreich, weil sie dann nicht dumm dasteht, wenn das Verfassungsgericht sagt: So geht es nicht, wie ihr das vorgeschlagen habt. - Das ist doch einmal ein konstruktiver Vorschlag.
(Beifall bei der LINKEN j- Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE): Das wäre eine gute Hilfe für Sie!)
Das ist der Kern dieses Antrags. Es ist eine Chance für uns alle, einmal in sich zu gehen, sachlich zu diskutieren und mit Bürgerinnen und Bürgern, Vereinen, Verbänden und Gewerkschaften darüber ins Gespräch zu kommen, wie wir die Innenpolitik in diesem Land in den nächsten Jahren gestalten wollen. Deswegen bitte ich um eine wohlwollende Prüfung unseres hervorragenden Antrages.
Schönen Dank.
(Beifall bei der LINKEN Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE): Mehr Demokratie wagen! Reinhard Grindel (CDU/CSU): Gut, dass Sie selbst lachen und Humor haben!)