Sicherheitspolitische Maßnahmen auf ihren Nutzen überprüfen
Die Sicherheitsregeln für Flüssigkeiten im Handgepäck von Flugreisenden müssen auf ihren Nutzen hin evaluiert werden, so Jan Korte in seiner Rede zu einem diesbezüglichen Antrag der FDP-Fraktion. Zudem wäre es im Sinne der Flugsicherheit notwendig, der Privatisierung von Fluggepäckkontrollen und dem damit verbundenen Lohn-, Zeit- und Abfertigungsdruck entgegen zu wirken.
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in der Europäischen Union greift seit einigen Jahren Raum in den Debatten des Deutschen Bundestages. Zur Recht, denn nicht nur im Kampf gegen den so genannten internationalen Terrorismus werden eine Vielzahl sicherheitspolitischer Maßnahmen auch durch die europäische Ebene beeinflusst. Hierzu gehört zwangsläufig auch die Sicherheit auf europäischen Flughäfen und Sicherheitsbestimmungen im internationalen Luftverkehr. Entsprechende Maßnahmen sollen den Bürgerinnen und Bürgern Schutz bieten, beispielsweise vor terroristischen Anschlägen.
Vor diesem Hintergrund beschloss die Europäische Kommission eine Verordnung (EG) Nr. 1546/2006 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 622/2003 zur Festlegung von Maßnahmen für die Durchführung der gemeinsamen grundlegenden Normen für die Luftsicherheit. Im Klartext geht es hierbei um das Mitführen von Flüssigkeiten in Flugzeugen. Hiernach dürfen Behältnisse, die mehr als 100ml Füllmenge haben, nicht mehr im Handgepäck mitgeführt werden. Was am Anfang eine durchaus vernünftige Überlegung war, entpuppte sich in der Praxis als vollkommen bürgerunfreundlich. Dies stellt auch der von der FDP-Fraktion vorgelegte Antrag fest. Dieser Feststellung möchte sich die Fraktion DIE LINKE anschließen.
Viele Flugreisende haben es in den vergangenen Jahren miterleben müssen: Im Flughafenshop gekaufte Geschenke für die Daheimgebliebenen mussten an den Kontrollpunkten zurückgelassen werden, ebenso wie Parfümflakons, Kosmetika u. ä. Dieser Umstand hat die nicht nur Bürgerinnen und Bürger verärgert. Auch der Nutzen und die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme sind fraglich. Auch, so wurde in einer Sachverständigenanhörung im Europäischen Parlament deutlich, ist der Gewinn an Sicherheit durch diese Verordnung nur schwer nachweisbar. Unter anderem auch, weil die hierfür notwendigen Kontrollen an Flughäfen innerhalb der EU Lücken aufwiesen.
Bei verschiedenen Stichproben der Kontrollen an deutschen Flughäfen wurde deutlich, dass durch die zunehmende Privatisierung der Gepäckkontrollen und durch den damit verbundenen Lohn-, Zeit- und Abfertigungsdruck massive Sicherheitslücken entstehen. DIE LINKE forderte vor diesem Hintergrund in einem Antrag die Re-Verstaatlichung der Gepäckkontrollen an Flughäfen, bzw. die Einführung eines Mindestlohns für Beschäftigte in diesem Sicherheitssegment und deren bessere Ausbildung. Zusätzlich werden die erheblichen Mehrkosten zur Kontrolle von im Handgepäck mitgeführten Flüssigkeiten nun durch die damit beauftragten Unternehmen an die Beschäftigten weitergegeben. Dieser Zustand ist unzumutbar und sicherheitspolitisch äußerst bedenklich.
Bereits am 5. September 2007 hat das Europäische Parlament die EU-Kommission aufgefordert, die entsprechende Verordnung einer Prüfung zu unterziehen und ggf. außer Kraft zu setzen. Dieses Ansinnen teilt die Fraktion DIE LINKE. Wir sind darüber hinaus, wie auch die FDP-Fraktion, der Meinung, dass mit der angesprochenen Maßnahme der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gegeben ist. Vor diesem Hintergrund teilt meine Fraktion das Ansinnen der Liberalen, die Verordnung (EG) 1546/2006 aufzuheben oder zumindest einen Lastenausgleich für die entstehenden Kosten einzuführen. Die Sicherheit der Flugreisenden kann nicht auf Kosten der Beschäftigten und der Flugreisen selbst gewährleistet werden.
Eine Evaluierung der Kommissionsverordnung wäre aus unserer Sicht jedoch nur ein erster Schritt. Zahlreiche sicherheitspolitische Maßnahmen - auch auf europäischer Ebene - der vergangenen Jahre sollten dringend evaluiert und nach ihrem Nutzen und dem Prinzip der Wahrung der Verhältnismäßigkeit überprüft werden. Hierunter ließe sich beispielsweise die Einführung biometrischer Merkmale in Reisepässen und Personalausweisen subsumieren oder das umstrittene Fluggastdatenabkommen mit den USA. Wir fordern in Deutschland und in der Europäischen Union einen breiten und intensiven Diskurs über die europäische Sicherheitsarchitektur. Die verloren gegangene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit muss dabei im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stehen. Sicherheit gewinnt man nicht dadurch, dass man Freiheiten abbaut. Deshalb stimmt die Fraktion DIE LINKE auch dem heute vorliegenden Antrag der FDP-Fraktion zu.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.