Ein dammbrechender Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte
Am Mittwoch verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition das BKA-Gesetz und damit die darin enthaltene Online-Durchsuchung. Ein tiefer Eingriff in die Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern, der zudem keine neuen Erkenntnisse bei Ermittlungen bringt, so Jan Korte in seiner Rede.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte Ihnen noch einmal kurz etwas zu dem Thema sagen, was sehr viele Bürgerinnen und Bürger in diesem Land bewegt, nämlich zu der Onlinedurchsuchung.
Weder in der Anhörung noch heute noch von der Regierungskoalition wurde nachgewiesen, warum sie eigentlich wirklich notwendig ist. Warum ist sie notwendig? Um im Kampf gegen den Terrorismus zu bestehen, müsse man das machen.
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Schauen Sie einmal ins Grundgesetz!)
Da wir keine Antwort bekommen haben, will ich die Bundesregierung zitieren. In einer Kleinen Anfrage wurde Folgendes gefragt:
»Was ist nach Auffassung der Bundesregierung der zusätzliche Nutzen der Online-Durchsuchung, der nur durch dieses Instrumentarium, nicht aber mit anderen Instrumenten erreicht werden kann?«
Die Bundesregierung antwortete auf diese Kleine Anfrage ich zitiere:
»Im Zuge von Online-Durchsuchungen können regelmäßig dieselben Erkenntnisse gewonnen werden wie durch »offene« Durchsuchungen und die Auswertung sichergestellter Computerdateien.«
Das sagt selbst die Bundesregierung.
Deswegen geht es hier offensichtlich um etwas völlig anderes. Es geht sozusagen um eine sicherheitspolitische Vereinigung von Geheimdienst- und Polizeitätigkeiten mit neuen Befugnissen, wie der Onlinedurchsuchung. Das lehnen wir strikt ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Wo liegt bei der Onlinedurchsuchung der eigentliche Skandal? Um das den Zuhörerinnen und Zuhörern noch einmal deutlich zu machen: Es ist ja schon in vielen Debatten und von Gutachtern gesagt worden, was die Menschen heute auf ihren Computern haben: E-Mails, Liebesbriefe, Tagebücher, Steuererklärungen usw. usf. Allein dadurch wird schon deutlich, wo das Problem liegt.
Ein praktisches Beispiel aus der Politik: Wenn der Kollege Uhl und der Kollege Wiefelspütz irgendwann in Rente sind und sich dann E-Mails schreiben, in denen steht, was sie in den letzten Jahren hier gemacht haben, dann wäre es Herrn Schäuble oder wem auch immer bei einem Verdacht im Prinzip möglich, das nachzuvollziehen.
(Michael Hartmann [SPD]: Bei denen muss man das auch!)
Das ist nicht akzeptabel. Das ist ein zu tiefer Eingriff und bringt überhaupt nichts, weil dieselben Erkenntnisse auch jetzt schon auf anderem Wege gewonnen werden können, wie die Bundesregierung selber sagt.
(Michael Hartmann [SPD]: Bei den beiden schon!
Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Der Uhl kann überhaupt keinen Computer bedienen, Herr Korte! Er hat überhaupt keinen Laptop!)
Wie so oft wie auch bei der Vorratsdatenspeicherung hat die SPD gesagt, dass sie das alles nicht mitmacht. Jetzt hat sie verkündet, dass sie einen enormen Kompromiss erreicht und sich hinsichtlich der Bürgerrechte voll durchgesetzt hat.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein!)
Es wird erstens angeführt, dass eine Befristung bis 2020 erfolgt. Vielleicht erleben das hier ja einige noch. Zum Zweiten - darauf ist heute mehrfach hingewiesen worden - wird gesagt, dass zwei BKA-Beamte und der BKA-eigene Datenschutzbeauftragte, der angeblich unabhängig agieren soll, die Daten durchsehen werden. Es sind also drei BKA-Beamte. Das ist wirklich eine ganz tolle Überprüfung. Da kann man dann ja wirklich sehr beruhigt sein. So geht es nicht. Das glaubt draußen ja auch wirklich kein Mensch mehr.
Ich will noch eine Sache ansprechen, auf die auch mehrfach hingewiesen worden ist, nämlich auf die Frage, ob das jetzt verfassungsgerichtsfest ist oder nicht. Das mag vielleicht sogar so sein. Ich habe, wie viele andere auch, erhebliche Zweifel daran. Für uns im Bundestag ist das aber überhaupt nicht die Kernfrage. Der Kernpunkt ist doch, dass nicht alles, was juristisch und technisch möglich ist, auch gemacht werden muss.
(Zuruf von der CDU/CSU: Nur das Notwendige!)
Wir meinen: Das hier muss nicht gemacht werden, weil das damit völlig aus dem Lot gerät.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Gisela Piltz [FDP] und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])
Erst wenn man sich darüber im Klaren ist, was wir in den letzten zwei Jahren hier beschlossen haben Antiterrordatei, Vorratsdatenspeicherung - man bräuchte 20 Minuten Redezeit, um das alles aufzuzählen - wird deutlich, dass wir heute den endgültigen Dammbruch hinsichtlich des Eingriffs in die Grund- und Freiheitsrechte erleben. Das ist mit uns nicht zu machen.
Ich möchte eine letzte Bitte an den Minister und insbesondere auch an die Law-and-Order-Fraktion stellen:
(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Ja, genau!)
Sagen Sie uns doch einmal, welche Gesetze Sie noch erlassen wollen, damit die größtmögliche Sicherheit hergestellt wird, sodass wir uns einmal darauf vorbereiten können, wo sich der Rubikon befindet, bei dem auch Sie sagen, dass das jetzt doch etwas viel wird. Uns würde einmal interessieren, wann das der Fall sein wird.
Da sich die Großkoalitionäre heute bei allen Möglichen bedankt haben, vor allem bei sich selber, bedanke ich mich bei allen, die auf der Straße - das sind zum Glück immer mehr - und hier im Parlament gegen die Onlinedurchsuchung und dieses BKA-Gesetz aufgestanden sind. Das wird auch in Zukunft der Fall sein. So einfach wie bisher kriegen Sie solche Vorhaben nämlich nicht mehr durch. Daran arbeiten wir fleißig mit.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])