Die innenpolitische Großkoalition meldet sich zurück
Ausgerechnet die beiden Ex-Innenminister Schily (SPD) und Schäuble (CDU) unternehmen den Versuch, den Deutschen die "wahnhafte Furcht" vor dem Überwachungsstaat zu nehmen. Statt Aufklärung bieten sie Pathologisierung.
Beide haben diese Art der grenzenlosen Überwachung zwar nicht erfunden, aber sie haben sie in einer Mischung aus Erschrecken über den 11. September 2001 und kaltblütigem Kalkül modernisiert. Sie haben sich oft am Rand des Verfassungsmäßigen bewegt und manchmal wusste man nicht auf welcher Seite des Randes. Sie haben mit ihren Gesetzes- und Maßnahmepaketen die Grundlagen für einen modernen präventiven Überwachungsstaat geschaffen und die Grund- und Bürgerechte so weit verflüssigt, dass sie bei jeder aktuellen Lageeinschätzung weiter beschränkt werden können – aus Abwehrrechten wurde Verhandlungsmasse für vollkommen haltlose Sicherheitsversprechen.
Beide haben es damit zu Negativ-Ikonen des Protests auf der Straße und in den Parlamenten gebracht. Schily mit seinen Otto-Paketen 1 und 2, mit Anti-Terror-Datei und Geheimdienstzugriff auf Bankdaten, Schäuble mit Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchung. Weitergehende Projekte – Luftsicherheitsgesetz, Verfassungsschutz als Kämpfer gegen Organisierte Kriminalität und damit der geheime Arm der Polizei, Bundeswehreinsatz im Innern – sind nur in den Schubladen auf Wiedervorlage.
Die beiden gehören zu den Miterfindern eines "Supergrundrechts Sicherheit", das weder in der Verfassung steht noch verfassungsgemäß wäre, weil es vor allem rechtlosere Bürgerinnen und Bürger voraussetzt.
Auf ihren Rücken steht Zwerg Friedrich und spuckt große Töne. Schäuble stützt die Regierung darin, keinen Aufklärungsbedarf zu sehen ("Ich meine, wir haben aus der Zeitung erfahren, dass Herr Snowden irgendwelche Dinge verkündet und eine Menge Behauptungen macht, und daraus gibt’s nun eine große Aufregung in Deutschland. Dass Nachrichtendienste die Aufgabe haben, Informationen zu sammeln, um schlimme Anschläge zu verhindern, das ist bekannt…"), Schily erklärt "law and order" zum herausragenden Teil eines sozialdemokratischen Wertekanons, liegt damit historisch was seine Partei, vor allem aber sich selber betrifft, ja nicht so ganz falsch und rät, PRISM und Co. nicht zum Wahlkampfthema zu machen.
Das wird längst nicht allen SPD-Anhängern die "wahnhafte Furcht" nehmen, aber es kratzt doch an Gabriels Vorkämpfertum in Sachen Aufklärung – auch wenn die sich bisher nur auf die amerikanische Seite des Problems und nicht auf die hausgemachte bezieht.
linksfraktion.de, 29.07.2013