Drogentests bei Arbeitsagenturen
Die Bundesagentur für Arbeit hat am 23. September 2014 die Lieferung von 8.800 Packungen Drogentests à 10 Einheiten nach § 12 Abs. 2 VOL/A ausgeschrieben. Ziel der Ausschreibung ist der Abschluss eines Liefervertrages für die bundesweite Lieferung von Schnelltests zum Nachweis von Drogen im Urin sowie von Teststreifen zur Harnanalyse. Diese sollen für die Durchführung ärztlicher Untersuchungen in den Agenturen für Arbeit eingesetzt werden. Fraglich ist, ob die Aufforderung von Empfängern von Leistungen nach dem SGB (I, II oder III) zu einer Untersuchung auf eine Drogenabhängigkeit durch Schnelltests mit deren Grundrechten im Einklang stehen. Jan Korte und die Fraktion DIE LINKE haben in einer Kleinen Anfrage "Drogentests der Arbeitsagenturen" an die Bundesregierung nachgehakt, deren Antwort nun vorliegt.
Die gesetzliche Grundlage nach § 62 SGB I, die für die Durchführung von Drogenschnelltests herangezogen wird, lautet:
„Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, soll sich auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich sind.“
Die Mitwirkungspflicht aus § 62 SGB I besteht für jeden, der Leistungen beantragt oder erhält. Dabei handelt es sich nach Auffassung des LG Heidelberg weniger um eine Ermächtigungsgrundlage für behördliche Anordnungen von Untersuchungen, als mehr um eine Mitwirkungspflicht des Leistungsempfängers infolge einer behördlichen Aufforderung.
In den Statistiken zu Suchterkrankungen sind Arbeitslose überproportional häufig vertreten. Aus Sicht der Suchtkrankenhilfe gilt Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme bei der (Re-)Integration vormals Alkohol- und Drogenabhängiger. Der Jobverlust schlägt auf die Gesundheit, das zeigt auch die Tatsache, dass der Ärztliche Dienst der Arbeitsagenturen 2012 bundesweit mehr als 550.000 Aufträge im Jahr bearbeiten musste.
Dass Drogentests nur in Ausnahmefällen angeordnet werden dürften, hat das Gerichtsurteil des Landgerichts Heidelberg im letzten Jahr gezeigt. Im Fall einer erwerbslosen Hartz IV-Bezieherin, die zum Drogentest aufgefordert wurde, nachdem sie immer wieder Gesprächstermine beim Jobcenter wegen Krankheit abgesagt hatte, urteilte das Landgericht Heidelberg (Aktenzeichen: 3 O 403/11): „Die Untersuchung einer Leistungsbezieherin der Grundsicherung für Arbeitssuchende auf eine Suchtmittelabhängigkeit ist für die Entscheidung über die Leistung nur dann erforderlich gemäß § 62 SGB I, wenn es aus dem Verhalten der Antragstellerin oder sonst zugänglichen Informationen Hinweise hierauf gibt.“ Die Frau hatte zwar jeweils eine Krankschreibung vorgelegt, wurde schließlich aber doch zu dem Test aufgefordert, dem sie Folge leistete. Und das, obwohl es keinen konkreten Hinweis auf eine Drogensucht gegeben habe. Die Arbeitssuchende fühlte sich durch den vom Jobcenter angeordneten Test überrumpelt und diskriminiert, zog deshalb vor Gericht und bekam Recht. Bei jährlich 22.000 Fällen (also rund 4 Prozent aller Aufträge des Ärztlichen Dienstes) kann man durchaus davon ausgehen, dass es sich nicht immer um Ausnahmefälle handelt.
Problematisch erscheint insbesondere, dass nach der Antwort weiterhin vieles unklar bleibt. So wird z. B. nicht klar, inwieweit eine entsprechende Schulung und Weiterbildung der Fallmanager verpflichtend ist und in welchem Umfang sie tatsächlich stattfindet. Auch in punkto „Freiwilligkeit“ und Sanktionen (bei Nichtmitwirkung oder Weigerung eine Schweigepflichtentbindung zu unterzeichnen) bleiben Fragezeichen. Hier werden wir einige entsprechende Nachfragen stellen. Allen Betroffenen kann man nur raten nichts voreilig zu unterschreiben und sich über seine Rechte und Pflichten genau zu informieren.
Über die Antwort auf unsere Kleine Anfrage berichtet die Mitteldeutsche Zeitung:
"Bundesagentur schafft 88.000 Drogentests an" MZ vom 7.10.2014