Luftsicherheit abhängig von Gewinninteressen
Wenn es gegen Terror geht, kennen Innenminister keine Kompromisse - so haben sich die letzten Innenminister, ob Schily, Schäuble, Friedrich oder de Maizière, gerne selbst gesehen, am liebsten im Fernsehen. Vom Abschuss entführter Passagiermaschinen über die Online-Durchsuchung bis zur Vorratsdatenspeicherung – kein Vorschlag war zu absurd oder grundrechtsfeindlich, um ihn nicht zu machen. Bei so eifrigen Innenministern freut man sich zum einen darüber, dass nicht alle ihrer Vorschläge umgesetzt wurden. Und zum anderen wundert man sich, warum eigentlich alles am Ende in der Überwachung der Bevölkerung endet und für ganz konkrete Anti-Terror-Maßnahmen überhaupt nichts getan wird.
Luftsicherheitskontrollen bei Gepäck und Fracht sowie bei Passagieren sind solche konkreten Maßnahmen, die vor allem Terror verhindern sollen. Sowohl bei den Luftfrachtkontrollen (siehe auch die Kleine Anfrage „Luftsicherheit und Frachtkontrollen“) als auch bei den Personenkontrollen gab es immer wieder Kritik, wenn Qualitätskontrollen Mängel aufdeckten. Im April hatten Jan Korte und die Fraktion DIE LINKE deshalb nach der „Qualität der Personenkontrolle auf Flughäfen“ (Antwort der Bundesregierung hier) gefragt und einige ungeklärte Punkte zusammen mit neuen Fragestellungen in der heute in den Medien thematisierten Anfrage „Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission wegen unzureichender Überwachung von Sicherheitskontrollen an Flughäfen“ erfragt.
In der neuen Anfrage ist die Bundesregierung nicht auskunftsfreudiger als in der letzten – offenbar hat die Bundesregierung ein Problem damit, konkrete Fakten zu benennen, vor allem wenn es um die Zuverlässigkeit und Praktikabilität der Körperscanner geht. Das beste Beispiel ist der Vergleich der Antworten auf die Fragen 19 und 20 der aktuellen Anfrage:
19. Auf welchen Durchschnittswert hat sich die Prozesszeit für einen Kontrollvorgang durch Körperscanner bis heute verkürzt (vgl. Antwort zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 18/1880)?
AW: Im Vergleich der durchschnittlichen typischen Prozesszeiten einer Kontrolle mittels Körperscanner hat sich der Durchschnittswert seit November 2014 um ca. 40 Prozent verkürzt.20. Wie stellt sich die durchschnittliche Prozesszeit für einen Kontrollvorgang durch eine Metalldetektorschleuse dar?
AW: Die durchschnittliche typische Prozesszeit für einen Kontrollvorgang mittels einer Metalldetektorschleuse beträgt ca. 25 Sekunden.
Zu Körperscannern bekommt man einfach keine konkreten Zahlen, zu Torsondenkontrollen hingegen ohne Probleme: Die dauern im Schnitt „ca. 25 Sekunden“.
Bei der Qualitätssicherung ist Bund-Länder-übergreifend der Wurm drin
In ihrer Vorbemerkung weist die Bundesregierung empört darauf hin, dass zwischen den verheerenden Ergebnissen des EU-Audits in Frankfurt und dem von der Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren keinen Zusammenhang gäbe. Die Schuld am EU-Vertragsverletzungsverfahren hätten die Länder, welche die in ihrer Zuständigkeit liegenden Qualitätskontrollen nicht nach Vorschrift durchführen würden.
4. Ist die Bundesrepublik Deutschland nach Auffassung der Bundesregierung dieser Stellungnahme innerhalb der von der Europäischen Kommission gesetzten Frist vollumfänglich nachgekommen? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, in welchen Punkten ist sie der Stellungnahme nicht nachgekommen?
AW: Die Auswertung der Qualitätskontrollberichte für das Jahr 2014 zeigt, dass an einigen Flughäfen von einigen Ländern die Qualitätskontrollmaßnahmen nicht im erforderlichen Umfang und in der erforderlichen Häufigkeit gemäß VO (EG) Nr. 300/2008 durchgeführt worden sind. Die konkrete Durchführung dieser Qualitätskontrollmaßnahmen obliegt im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung den Ländern.
An den Flughäfen in Zuständigkeit des Bundes sei hingegen alles in Butter:
8. Welche der EU-Kontrollen an bundesdeutschen Flughäfen haben, neben Frankfurt, seit dem Jahr 2010 ebenfalls zu Beanstandungen geführt, und wie schwerwiegend waren […] jeweils die festgestellten Mängel […]?
Aus keiner der seit 2010 durchgeführten EU-Inspektionen ergaben sich Beanstandungen, die so schwerwiegend waren wie bei der EU-Inspektion am Flughafen Frankfurt im Jahr 2014.
Das wäre auch schwer zu übertreffen gewesen, schließlich stand das bundesdeutsche Drehkreuz des Luftverkehrs kurz davor, zum Non-Schengen-Raum erklärt zu werden. Bei den Sicherheitskontrollen und bei der Qualitätssicherung ebendieser ist ganz offensichtlich der Wurm drin, sonst wäre es ja nicht zu dem verheerenden Ergebnis in Frankfurt gekommen. Dass praktisch über Nacht sämtliche Mängel verschwunden sein sollen, kann niemand glauben.
Das von der Bundespolizei angeforderte Sicherheitspersonal kommt nicht
Ein Grund könnte zum Beispiel sein, dass für die privaten Sicherheitsfirmen die Aus- und Weiterbildung ihres Personals ein Kostenfaktor ist und an Gewinn orientierte Unternehmen Kosten natürlich auf das notwendigste minimieren. Ein anderer könnte sein, dass sie nicht einmal genug Personal vorhalten und die Bundespolizei dem recht hilflos gegenübersteht: Aus der bundesweiten Zusammenfassung (wir hatten eigentlich nach Flughäfen aufgeschlüsselte Zahlen erfragt) wird deutlich, dass die privaten Sicherheitsdienstleister nicht in der Lage sind, die angeforderten Kontrollstunden auch zu leisten. Zwischen 5 und 9 Prozent der von der Bundespolizei angeforderten Kontrollstunden wurden im Mittel (!) nicht geleistet. Zu bestimmten Zeiten oder an bestimmten Flughäfen kann die Mindergestellung also tatsächlich zu erheblichen Wartezeiten führen, wie sie aus Düsseldorf berichtet wurden.
Über 21 Millionen Euro für Körperscanner 2015
Statt auf gut ausgebildetes Personal setzt die Bundesregierung lieber auf Technik. Obwohl die Körperscannererprobung am Flughafen Hamburg krachend scheiterte
„Die Tests haben aber auch gezeigt, dass die gegenwärtig zur Verfügung stehenden Geräte noch nicht für den allgemeinen Praxisbetrieb geeignet sind.“ Bundesregierung 2011 in BT-Drs. 17/7269
Ohne dass es eine weitere Erprobungsphase gab, werden Körperscanner einfach eingeführt. Bislang entstanden 16,5 Millionen Kosten für die Einführung von 77 Körperscannern an den Personenkontrollen, nur(!) im Einsatzbereich Bundespolizei. Dieses Jahr sollen noch 23 Scanner für weitere 5 Mio. dazu kommen. Das sind nur die Kosten für die Flughäfen in Verantwortung der Bundespolizei, es gibt noch knapp zehn weitere internationale Airports in Deutschland.
Seit den unfreiwillig veröffentlichten Ergebnissen der unter halbwegs wissenschaftlichen Kriterien erfolgten Tests in Hamburg wurden keine neuen konkreten Detektionswerte vorgelegt sondern lediglich Beteuerungen, die Geräte seien verbessert worden, flankiert mit undurchsichtigen Verbesserungsraten, wie oben erwähnt. Wer allerdings für über 20 Millionen Euro Körperscanner anschafft sollte mindestens belegen können, dass die Geräte funktionieren oder wo der Sicherheitsgewinn liegt.
Privatisierung rückgängig machen
Die Qualität der Sicherheit wird derzeit von den Gewinninteressen von Unternehmen abhängig gemacht. Und die werden nach ihrer Logik natürlich nur die Maßnahmen ergreifen, um die sie nicht herumkommen. Nach Berechnungen der Polizeigewerkschaften kostet eine Anstellung der Luftsicherheitsassistenten bei der Bundespolizei nicht mehr als die Beauftragung von Privaten – sie könnte allerdings viel mehr Sicherheit bringen.
„Mit Anstellung der Luftsicherheitsassistenten bei der Bundespolizei wären auf einen Schlag mehrere Probleme gelöst: Flugpassagiere könnten sich auf eine qualitativ gute Aus- und Weiterbildung des Kontrollpersonals sowie erträgliche Wartezeiten verlassen. Bundespolizeibeamte könnte an den Kontrollen direkt eingreifen und Weisungen geben. Und das Kontrollpersonal wäre in einem sicheren Arbeitsverhältnis. Kurzum – für fast dasselbe Geld gäbe es für alle Seiten mehr Sicherheit“ hat Jan Korte gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung die derzeitige Entwicklung kommentiert.
Die Forderung, die Privatisierung der Sicherheitskontrollen wieder rückgängig zu machen, erhebt übrigens nicht nur DIE LINKE, sondern auch die Bundespolizei-Sektionen der Polizeigewerkschaften, womit sie in diesem Punkt Recht haben.
Wer sich tatsächlich um die Sicherheit der Bevölkerung sorgt, sollte diese nicht anlasslos überwachen, sondern die echten - und seit langer Zeit bekannten - Sicherheitlücken schließen. Ganz ohne Eingriff in die Grundrechte.