Bundesregierung weitet Werbemaßnahmen im Internet massiv aus
Im Mai haben Jan Korte und seine Fraktion sich in einer Kleinen Anfrage nach dem Ausmaß der Werbemaßnahmen der Bundesregierung in sozialen Netzwerken erkundigt. Aus der Antwort geht nun hervor, dass die Ausgaben für Werbekampagnen in Netzwerken wie Facebook, Twitter, Instagram oder Snapchat in den vergangenen Jahren abrupt anstiegen. Gab die Bundesregierung im Jahr 2015 nur knapp 900 000 Euro für diese Art Reklame aus, waren es 2017 rund 5 Millionen Euro. Betrachtet man den Zeitraum von 2010 bis 2017, so haben sich die Ausgaben für diese Art von Internet-Werbung sogar ver-1767-facht.
Werbung schaltet die Bundesregierung etwa in Form von Werbetafeln und Videos, die in der Timeline oder im persönlichen Feed auftauchen, obwohl man dem Account der jeweiligen Behörde überhaupt nicht folgt. Die Antwort auf die Kleine Anfrage gibt jetzt Aufschluss darüber, dass Behörden durch sogenanntes Targeting, also die Einordnung der Nutzer in bestimmte Zielgruppen, ihre Werbung gezielt passenden Leuten zuspielen. So sahen Nutzer, die sich für die Auto-Bild oder den ADAC interessieren, Inhalte der Kampagne „Runter vom Gas“ des Verkehrsministeriums, die zum vorsichtigen Fahren animieren soll. Warum man allerdings Werbung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bekommt, wenn man sich für den Suchbegriff „Hunting and shooting“ interessiert, ist wiederum nicht ganz plausibel.
Aufschlussreich ist auch, wie die Bundesregierung junge Menschen mit Hilfe von sogenannten Influencern, also Internet-Prominenten, die aufgrund ihrer hohen Reichweite im Netz gut Produkte vermarkten können, erreichen will. So wurde der YouTube-Star Felix von der Laden, der monatlich etwa 7 Millionen meist junge Zuschauer erreicht, von der Bundespolizei engagiert, um sich von ihm in Form eines Video-Blogs bewerben zu lassen. Allein für diese Werbemaßnahme flossen satte 41.650 Euro.
Wenn es in der Antwort zu der kleinen Anfrage nach der Bundesregierung geht, handelt es sich hierbei allerdings nicht um Werbung, sondern lediglich um die Erfüllung des „verfassungsmäßigen Informationsauftrag[s]“. Ganz so einfach, wie man es sich mit dieser Bezeichnung macht, ist es allerdings nicht: Denn laut Beschluss des BVerfG darf der Staat nicht selbst zum Sender werden. Parteienwerbung vor der Bundestagswahl zum Beispiel erfolgt unter strengen Regulierungen und ist genau gekennzeichnet. Werbekampagnen, bei denen die Bundesregierung Influencer engagiert, sind das oft nicht. Was sich um staatlich finanzierte Werbung handelt und was nicht, verschwimmt auf den Social-Media-Profilen der Internet-Stars nicht selten. Ob die Staatsferne, also die Distanz zwischen Staat und redaktionellem Inhalt gewahrt bleibt, ist nicht eindeutig. Rechtsprechung gibt es zu der Influencer-Problematik fast gar nicht. Die Bundesregierung bewegt sich also in einer juristischen Grauzone. Möglicherweise ist die politische Werbung mit Influencern der Bundesbehörden auf ganzer Linie rechtswidrig.
Wirklich gefährlich ist aber, in welchem Ausmaß und mit welchen Methoden in jungen Zielgruppen Werbung für die Bundeswehr gemacht wird. Die Webserie „Mali“ der Bundeswehr soll den Alltag deutscher Soldaten während ihres MINUSMA-Einsatzes in Mali, einer der gefährlichsten UN-Missionen überhaupt, zeigen. Die wie eine Reality-TV-Show anmutende Serie stellt den Einsatz mit schnellem Schnitt, packender Untermalung mit Electro-Musik und reißerischen Titeln in der Aufmachung als Abenteuerspielplatz dar. Aus der Antwort auf die Anfrage geht hervor, dass für die Produktion rund 2 Millionen Euro ausgegeben wurden. Ungefähr 4,5 Millionen Euro kostete darüber hinaus die Social-Media-Werbekampagne, die die Serie begleitete. Die Kampagnen der Bundeswehr kommen bei den jungen Leuten gut an. Etwa 750 Millionen Aufrufe haben alle zusammen bei YouTube.
Aber auch in der echten Welt wird angeworben: Auf der Kölner Gamescom, der weltweit größten Messe für Computerspiele, die zu einem großem Teil von Kindern und Jugendlichen besucht wird, werden Panzer und Spähfahrzeuge ausgestellt. Mit dabei war 2016 auch Schauspielerin und YouTube-Star Joyce Ilg, die vor Ort Werbung für den Dienst an der Waffe machte. Sie und andere Teenager-Idole kaufte das Verteidigungsministerium für den „verfassungsmäßigen Informationsauftrag“ für über 50 000 Euro ein.
Die Antwort auf die Kleine Anfrage finden sie hier: