Heute Staatsminister, morgen Wirtschaftslobbyist
Viele Regierungspolitiker wechseln nach ihrer Amtszeit in hoch bezahlte Beraterjobs. Das Kalkül: Die Firmen profitieren vom Insiderwissen und den direkten Kontakten in die Regierung und die Ex-Politiker sahnen ordentlich ab, wenn sie als Lobbyisten in den Ministerien weiter ein und ausgehen.
Aufgrund massiver öffentlicher Kritik an dieser Praxis und um zu verhindern, dass Politiker für Gefälligkeiten im Amt unmittelbar danach belohnt werden, müssen seit 2015 Minister und Parlamentarische Staatssekretäre der Regierung vorab mitteilen, wenn sie einen Job außerhalb des öffentlichen Dienstes antreten wollen. Eine Ethikkommission prüft dann, ob Interessenkonflikte oder Korruption vorliegen und kann Sperrzeiten bis maximal 18 Monate vorschlagen. Sanktionsmöglichkeiten existieren hingegen nicht und auch für ältere Fälle ist die Ethikkommission nicht zuständig. Auch das ist problematisch, da sich oft erst im Laufe der Jahre erweist, wie profitabel der Seitenwechsel für Verbände und Unternehmen gewesen ist.
Um herauszufinden, wie viele und welche Bundesminister und Personen aus der Leitungsebene der Bundesministerien in die Wirtschaft gewechselt sind und wann sie zu welchen Themen in den Ministerien vorstellig wurden, hat die Fraktion DIE LINKE kürzlich eine entsprechende Kleine Anfrage (PDF) an die Bundesregierung gestellt. Die Antwort (PDF) zeigt, dass frühere Regierungspolitiker fleißig die Seiten wechseln und in ihren neuen Rollen Stammgäste in den Ministerien sind. 310 Treffen, von denen allein 90 im Bundeswirtschaftsministerium und 55 im Bundeskanzleramt stattfanden, listet die Bundesregierung in ihrer Antwort auf. Rekordhalter ist dabei mit einigem Abstand der ehemalige Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU), heute Vorstand bei der Deutschen Bahn. Er absolvierte für die Bahn sage und schreibe 101 Termine in den Bundesbehörden. Platz zwei belegt Ex-Staatsminister Eckart von Klaeden (CDU), heute Leiter der Abteilung Politik und Außenbeziehungen der Daimler AG. Er durfte 58-mal vorsprechen, allein 15-mal an seiner alten Wirkungsstätte im Kanzleramt. Auf Platz drei landete mit 54 Terminen der frühere Parlamentarische Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU). Er ist heute Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BDA.
Für Jan Korte, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE, ist klar, dass es so nicht weiter gehen darf: „Es kann doch nicht sein, dass beispielsweise die Verteidigungsministerin aus der Regierung ausscheiden und dann nach kurzer Zeit zu Rheinmetall oder KraussMaffei gehen könnte. Das muss verhindert werden. Wir brauchen eine massive Ausweitung der Karenzzeiten für Regierungsmitglieder und eine Regelung, welche die Nutzung von Insiderwissen und das Zurückgreifen auf persönliche Kontakte zu Parteifreunden in den Ministerien bei der Beratung von Unternehmen ausschließt. Es wird höchste Zeit ein verbindliches Lobbyregister und einen umfassenden legislativen Fußabdruck einzuführen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, welche Einflussnahme bei einzelnen gesetzlichen Regelungen stattfinden und wer in den Ministerien zu welchen Fragen und in wessen Auftrag Gespräche führt. Dass insbesondere die Union hier immer noch mauert und das Problem verschleppt, ist überhaupt nicht akzeptabel. Erst kürzlich hat die Koalition mitgeteilt, dass sie frühestens im Januar 2020 zum Lobbyregister sprechfähig sein und vorher keinen Vorschlag dazu einbringen wird. So geht das nun schon seit Jahren. Und das, obwohl mittlerweile selbst die Lobbyverbände ein Lobbyregister fordern. Letztlich wird vermutlich nur noch größerer öffentlicher Druck daran etwas ändern."