Jan Korte, MdB (DIE LINKE) (www.jan-korte.de)

»Beobachtung der Opposition verstößt gegen die Grundideen eines demokratischen Rechtsstaats«

26.01.2012
Jan Korte, DIE LINKE: Die Beobachtung einer Oppositionsfraktion ist antidemokratisch

Die Beobachtung der Opposition durch den Verfassungsschutz verstößt gegen die Grundideen eines demokratischen Rechtsstaats, verhindert politische Chancengleichheit und zerstört direkt das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern in die Politik. DIE LINKE wird sich weder von der intellektuell erbärmlichen Kalter-Krieg-Rhetorik der Union, noch von einer politischen Geheimdienstbehörde daran hindern lassen, die Demokratie und den Sozialstaat zu verteidigen und weiterhin für eine Gesellschaft der Freien und Gleichen, den demokratischen Sozialismus, zu kämpfen, so Jan Korte in seiner Rede in der Aktuellen Stunde des Bundestags zur Beobachtung von 27 Bundestagsabgeordneten der Fraktion DIE LINKE durch den Verfassungsschutz:

 

»Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Ich bin 1977 in Osnabrück, Niedersachsen, geboren worden, und beim Fall der Mauer war ich zwölf Jahre alt. Niemals hätte ich mir erträumt, vom Inlandsgeheimdienst der Bundesrepublik Deutschland beobachtet und überwacht zu werden.

 

[Manfred Grund (CDU/CSU): Es gibt Schlimmeres!]

 

Dass Akten über mich und meine Freunde einmal gesammelt werden würden, das wäre für mich schier unglaublich gewesen, und ist es heute erst recht.

 

[Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]

 

2009 wurden ich und viele andere der LINKEN in Sachsen-Anhalt - das liegt bekanntermaßen in Ostdeutschland - direkt in den Deutschen Bundestag gewählt. Jetzt fragen sich die Wählerinnen und Wähler zu Recht, ob sie eigentlich noch unbefangen und vertraulich mit ihren Abgeordneten reden können. Damit zerstören Sie Vertrauen in die Politik vor Ort. Das ist wirklich bodenlos.

 

[Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt!]

 

Das Kernproblem, um das es aber eigentlich geht, ist die Tatsache - denken Sie doch einmal darüber nach - dass ein Geheimdienst parteipolitisch benutzt wird, um eine Oppositionsfraktion zu beobachten. Das ist schlicht antidemokratisch.

 

[Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Das ist Unsinn!]

 

Die Linke setzt auf die Kraft der Argumente gegen Krieg, Sozialabbau und einen völlig enthemmten Finanzkapitalismus. Das ist durch und durch demokratisch und angemessen in diesen Zeiten.

 

[Beifall bei der LINKEN]

 

Ich will zwei Anmerkungen machen. Die erste richtet sich an den Vorsitzenden der SPD, Sigmar Gabriel; vielleicht schaut er gerade zu. Wenn Sie ausgerechnet in dieser Woche und angesichts dieser Situation Rot-Rot mit großem Tamtam ausschließen, dann bedeutet das nicht nur, dass Sie auf einen Politikwechsel verzichten, weil Sie weiter bis in alle Ewigkeit als Juniorpartner mit der CDU koalieren.

 

[Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Es bedeutet auch, dass Sie sich damit leider zum Werkzeug des Verfassungsschutzes und der CSU machen.

 

[Beifall bei der LINKEN]

 

Die zweite Anmerkung richtet sich an die CSU, weil Sie bei dieser Debatte besonders engagiert und geifernd auftreten. Ausgerechnet von der CSU, die in der Vergangenheit durch ihre Kumpanei mit dem Pinochet-Regime in Chile und dem südafrikanischen Apartheidregime aufgefallen ist, brauchen wir keine Nachhilfe!

 

[Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU/CSU: Oh! - Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Lächerlich!]

 

Sie sollten bei diesem Thema in Demut schweigen.

 

[Manfred Grund (CDU/CSU): Das hat ja einen Ulbricht-Bart! - Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Ihr sitzt ja bei dem Castro immer noch auf dem Schoß!]

 

Ich fasse zusammen: Erstens. Die Überwachung der Opposition - gleich welcher Opposition - durch einen Geheimdienst verstößt gegen die Grundidee des demokratischen Rechtsstaates und verhindert Chancengleichheit im politischen Wettbewerb.

 

[Beifall bei der LINKEN]

 

Zweitens. Nicht Gesetze der Linken, sondern vor allem Ihre Gesetze wurden in den letzten Jahren mehrfach vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig beanstandet. DIE LINKE hat keinem einzigen dieser Gesetze zugestimmt.

 

[Beifall bei der LINKEN]

 

Ich weiß nicht, inwieweit es bei Ihnen angekommen ist: Seit 1990 gibt es die DDR nicht mehr. Das ist für Ihr Weltbild, das nur aus Schwarz-Weiß besteht, offenbar ein Problem. Der Kalte Krieg ist dementsprechend seit über 20 Jahren vorbei. Ihre Kalte-Krieg-Rhetorik, die Sie an den Tag legen, ist ohne eine historische Grundlage, und sie ist intellektuell erbärmlich. Auch das muss hier gesagt werden.

 

[Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN]

 

Der Antikommunismus war in der Tat schon immer die Grundtorheit unserer Epoche, wie es Thomas Mann zu Recht gesagt hat. Aber unter Adenauer war es zumindest noch rhetorisch unterhaltsam. Auch davon ist bei Ihnen nichts übrig geblieben. Es ist intellektuell schlecht, und es ist rhetorisch schlecht.

 

[Beifall bei der LINKEN]

 

Zum Schluss. DIE LINKE, ihre Wählerinnen und Wähler, ihre Sympathisantinnen und Sympathisanten werden sich nicht einschüchtern lassen durch Ihre politische Geheimdienstbehörde, die Sie gegen uns in Stellung gebracht haben. Wir werden uns - um das klar zu sagen - auch nicht auseinanderdividieren lassen. Keiner der 27 gehört auf eine solche Liste - kein Einziger.

 

[Beifall bei der LINKEN]

 

Wir werden die Demokratie und den Sozialstaat weiter verteidigen,

 

[Lachen bei der CDU/CSU und der FDP   Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Das ist ja lächerlich!]

 

den Sie - das sage ich Ihnen auch - abreißen und beschädigen. Das werden wir weiterhin tun. Wir werden im Übrigen weiter unbeirrbar für eine Gesellschaft der Freien und Gleichen, für die Idee des demokratischen Sozialismus eintreten. Da können Sie ganz sicher sein.«

 

[Beifall bei der LINKEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Vorwärts Genossen!]

 

http://www.das-parlament.de/2012/05-06/Innenpolitik/37608389.html

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