IT-Sicherheit: Bundesregierung muss die Seite wechseln
Rede von Jan Korte zur ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme (IT-Sicherheitsgesetz) Drucksache 18/4096
Jan Korte (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung vorweg, weil alle bedeutenden Innenpolitiker des Bundestages hier versammelt sind: Ich freue mich darüber, dass heute die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen das V-Leute-Unwesen abgeschaltet hat.
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist ein guter Tag für den Rechtsstaat, die Demokratie und die öffentliche Sicherheit.
(Tankred Schipanski (CDU/CSU): Ein schlechter Tag für Thüringen, Herr Korte!)
- Ich wollte die Freude mit Ihnen teilen. Geteilte Freude ist doppelte Freude.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Aber nun zum Thema. Das IT-Sicherheitsgesetz wird auch von der Fraktion Die Linke als grundsätzlich sinnvoll erachtet,
(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Damit können Sie Ihre Rede beenden! Das Wichtigste ist gesagt!)
um die kritischen Infrastrukturen in den Bereichen Energie, Wasser, Verkehr und in anderen Bereichen zu schützen. Das wird von uns durchaus anerkannt. Allerdings kommen jetzt die Probleme, und deswegen will ich an Ihrer Vorlage Folgendes engagiert kritisieren:
Erstens. Wir brauchten, bevor wir in diese Beratung einsteigen, eigentlich eine detaillierte Bestandsaufnahme:
(Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist das!)
Welche digitalen Infrastrukturen sind eigentlich gegebenenfalls wann betroffen? Denn man muss es sich kaskadenartig vorstellen. Nehmen Sie ein Energieversorgungsunternehmen, das angegriffen wird: Was hat das im Detail dann für Folgen für die untergeordneten Bereiche? Das wäre eine erste Frage, die wir angehen müssen.
Das Grundproblem bei Ihrer Vorlage und bei Ihrem Denken insgesamt im Bereich von IT-Sicherheit und anderem ist aber, dass das Ganze zu sehr aus der Perspektive des staatlichen Sicherheitsapparates gesehen wird; das ist der Kern auch Ihres Gesetzentwurfs. Ein Grundproblem bei Ihrer Vorlage ist, dass dort die Frage von Datenschutz und anderem zu untergeordnet ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweitens. Bei einem Gesetzentwurf und all dem, was daraus folgt, ist die entscheidende Frage, die zu betrachten ist, natürlich die Personalfrage. Was in diesem Gesetzentwurf zum Personal vorgesehen wird, ist nun wirklich der Kracher. Bei Ihrem IT-Sicherheitsgesetz profitieren, was den Aufwuchs an Stellen angeht, insbesondere diejenigen, die seit Snowden beim Datenschutz und bei der IT-Sicherheit grandios versagt haben bzw. grandios versagen wollten. Ausgerechnet die profitieren davon.
Ich will es konkret machen. Beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, BSI - ich komme darauf später noch zu sprechen -, soll es einen Aufwuchs von 115 bis 216 Stellen geben. Beim Bundeskriminalamt soll es einen Aufwuchs von 48 bis 78 Stellen geben. Jetzt wird es selbst für Ihre Verhältnisse wirklich sehr schräg: Beim Bundesamt für Verfassungsschutz soll es einen Aufwuchs von 26 bis 48 Stellen geben, und - genauso gut - beim BND sollen bis zu 30 Stellen entstehen. Ausgerechnet bei den Geheimdiensten, die in Teilen eher für IT-Unsicherheit und nicht für IT-Sicherheit stehen, gibt es massive Aufwüchse. Das kann doch nicht wahr sein, wenn wir über so etwas reden.
(Beifall bei der LINKEN - Clemens Binninger (CDU/CSU): Mannomann!)
Ich fand diese Argumente schon überzeugend.
(Clemens Binninger (CDU/CSU): Da waren Sie der Einzige!)
- Ganz ruhig bleiben! - Es gibt noch überzeugendere. Es wird noch viel obskurer. Das werden Sie feststellen, wenn Sie sich jetzt einmal anschauen, was demgegenüber eigentlich bei der Bundesbeauftragten für den Datenschutz an Stellenaufwuchs vorgesehen ist. Das sind gerade mal lächerliche zwei bis sieben Stellen. Das ist zunächst einmal eine Frechheit gegenüber der Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Ihrer Exkollegin Andrea Voßhoff, und das ist in der Tat ein materielles Symbol dafür, dass Sie die Zeichen der Zeit schlicht nicht erkannt haben. So einfach ist das.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Man muss mir wirklich einmal erklären, welche Schutzfunktion für die informationelle Selbstbestimmung eigentlich die Geheimdienste haben - spätestens in den letzten zwei Jahren, nach Snowden. Das müsste mir einmal jemand erklären, am besten der Bundesinnenminister.
Wenn wir das zusammenfassen - zwei bis sieben Stellen für den Datenschutz bei der Datenschutzbehörde gegenüber Dutzenden von Stellen bei den Sicherheitsbehörden -, dann ist das das ganze Sinnbild für Ihre verfehlte Politik. An dem Stellenplan kann man erkennen: Die Wahrheit ist immer konkret. Deswegen ist Ihr Entwurf nicht sinnvoll.
(Beifall bei der LINKEN)
Nach diesen eigentlich schon bemerkenswert einleuchtenden Argumenten noch ein drittes Argument.
(Heiterkeit bei der CDU/CSU - Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Vielleicht mal ein überzeugendes!)
Schauen wir uns das BSI an, das zu einer Zentralstelle weiterentwickelt werden soll. Richtig wäre doch, hier zunächst einmal eine grundsätzliche Debatte über die Frage zu führen: Was ist denn eigentlich die Rolle des BSI, und was sind seine Aufgaben? Darüber müssten wir doch hier erst einmal ganz grundsätzlich diskutieren.
Einen Hinweis will ich dann doch geben: Dankenswerterweise hat netzpolitik.org gerade veröffentlicht, dass das BSI angeblich ‑ es wird wohl so sein ‑ an der Entwicklung des Staatstrojaners beteiligt war. Das ist natürlich ein ganz dolles Ding und führt nicht dazu, dass es bei den Bürgerinnen und Bürgern auch nur ansatzweise Vertrauen in das BSI geben kann; denn - da muss man historisch einen Schritt zurückgehen - das BSI ist bekanntermaßen eine Ausgründung aus dem BND gewesen. Deswegen sagt die Linke: Wir brauchen hier eine Generalüberprüfung der Rolle des BSI, wir brauchen vor allem eine Offenlegung des Tätigkeitsberichtes - der sollte nicht eingestuft sein -, und wir brauchen hier eine grundsätzliche Debatte darüber, was wir mit dem BSI eigentlich anfangen wollen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In diesem Zusammenhang will ich - durchaus im Sinne des BSI, wie ich glaube - etwas anmerken. Das BSI ist dem Bundesinnenministerium untergeordnet, was zu Recht immer kritisiert wird, aber natürlich eine bestimmte Linie in der inneren Sicherheit hat. Insofern wäre es doch, glaube ich, im Zuge der Beratung über das IT-Sicherheitsgesetz eine hervorragende Idee, darüber nachzudenken, wie wir zunächst einmal die Unabhängigkeit des BSI herstellen können. Wir haben das gerade erst vor kurzem bei der Bundesbeauftragten für den Datenschutz gelöst, indem wir das BfDI zu einer obersten Bundesbehörde gemacht haben. Es wäre doch wirklich ein Fortschritt, das BSI dem Zugriff des Innenministeriums zu entziehen, was grundsätzlich sinnvoll ist, und es zu einer obersten Bundesbehörde zu machen, um eine wirkliche Unabhängigkeit herzustellen. Das wäre etwas, was wirklich sinnvoll wäre.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich fasse zusammen: Ein IT-Sicherheitsgesetz ist eine grundsätzlich gute Idee; das ist anzuerkennen. Die Ausführung, so wie Sie sie angehen, ist leider mangelhaft. Wenn Sie allerdings jetzt im Zuge der Beratung auf die Hinweise der Opposition hören würden und könnten, dann könnte es ein fortschrittliches IT-Sicherheitsgesetz geben, und wir hätten im Bereich der Innenpolitik einmal etwas Richtiges im Falschen erreicht.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)
Solange aber die Bundesregierung bei der staatlichen Ausspähung und Kompromittierung von IT-Systemen mitmacht oder sie zumindest hinnimmt, ohne etwas dagegen zu tun, so lange befindet sie sich auf der Seite der Gefährder von IT-Sicherheit. Wenn Ihnen IT-Sicherheit also so doll am Herzen liegt, wie Sie es gerade engagiert vorgetragen haben, dann fordere ich Sie auf, die Seiten zu wechseln und unsere Vorschläge aufzunehmen. Dann würden wir ein ganzes Stück weiterkommen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)