Bundesregierung unterstützt neuen Anlauf für eine EU-weite Vorratsdatenspeicherung
Es ist eigentlich kaum zu glauben: Obwohl die Vorratsdatenspeicherung (VDS) sowohl 2010 vom Bundesverfassungsgericht, als auch 2014 vom EuGH als grundrechtswidrig eingestuft und gekippt wurde, überwachen etliche EU-Staaten trotzdem weiterhin mit Hilfe von Vorratsdatenspeicherungen flächendeckend die Kommunikation ihrer Bürgerinnen und Bürger. Nur in den Niederlanden, Österreich und Slowenien ist die VDS vom Tisch. In Deutschland ist sie lediglich infolge von Gerichtsentscheidungen ausgesetzt. Doch damit nicht genug: Der Rat startet jetzt einen neuen Anlauf für eine verpflichtende EU-weite VDS.
Aus der Antwort des Bundesjustizministeriums auf eine schriftliche Frage von Jan Korte vom 5. Juni 2019 geht hervor, dass die Bundesregierung die entsprechenden Pläne der Ratsarbeitsgruppe „Information Exchange and Data Protection“ (DAPIX) für eine EU-weite anlasslose Vorratsdatenspeicherung unterstützt. Das Ziel des Rates ist es, eine Form der Speicherung finden, die nicht gleich wieder vom Europäischen Gerichtshof einkassiert wird. Der hatte nämlich strenge Vorgaben gemacht: keine Anlasslosigkeit, keine flächendeckende Speicherung. Die bisher bekannt gewordenen Vorstellungen sehen jedoch vor, dass auch in der neuen Richtlinie Internet- und Telefonanbieter gezwungen werden sollen, Daten über ihre Kunden und deren Telefonate über Monate oder Jahre anlasslos zu speichern. In den heute und morgen stattfindenden Ratssitzungen der Justiz- und Innenminister sollen diese Pläne vorgestellt und ein Fahrplan für eine neue Richtlinie verabschiedet werden. Die Bundesregierung hatte dieses Vorgehen, bei dem es sich um eine Vorfestlegung für ein uferloses Überwachungsprojekt handelt, auch wenn das Bundesjustizministerium anderes behauptet, bereits am 22. Mai mitbeschlossen.
Dass sowohl das CSU-geführte Innenministerium als auch das SPD-geführte Justizministerium den neuen Plänen zugestimmt haben ist skandalös. Die Koalition ignoriert nicht nur höchste Gerichtsentscheidungen, sondern schafft auch vor der ersten Sitzung des neu gewählten EU-Parlaments am 2. Juli 2019 Fakten. Daran ändert auch nichts, dass sich die Bundesregierung jetzt offiziell „nur“ für eine ‚beschränkte‘ Richtlinie zur VDS ausspricht. Beschlossen wurde bereits, dass in einer Studie ‚Lösungsmöglichkeiten einschließlich der Prüfung künftiger Gesetzesinitiativen‘ gefunden werden sollen.
Vor dem Bundesverfassungsgericht sind aktuell insgesamt 11 Klagen gegen die VDS anhängig und eine Entscheidung wird noch in diesem Jahr erwartet.
Die derzeitigen Bestrebungen der Regierungen der Mitgliedsstaaten zeigen, dass eine Wiederbelebung der EU-weiten zivilgesellschaftlichen Proteste gegen die Bürgerrechtsverletzungen dringend geboten ist.